Einführung in die Philosophie

1 0 Einführung in die Philosophie Sprachphilosophie: Vom Verstehen zur Homoehe Benjamin Schnieder Forschungsgruppe phlox Universität Hamburg 1 Plan fü...

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Plan für die heutige Sitzung

Einführung in die Philosophie

Eine kurze Einführung in die Sprachphilosophie wird gegeben, und zwar in zwei Teilen:

Sprachphilosophie: Vom Verstehen zur Homoehe

1. Sprachphilosophie: Das Was? 2. Sprachphilosophie: Das Wozu?

Benjamin Schnieder Forschungsgruppe phlox Universität Hamburg

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Was man alles verstehen kann …

1. Sprachphilosophie: Das Was? Man sagt bisweilen von sehr verschiedenartigen Sachen, dass man sie versteht; beispielweise von (i)

Wörtern, Redewendungen, Sätzen.

(ii) Äußerungen von Sätzen. (iii) Ideen, Gedanken, Absichten, Strategien. (iv) einer politischen Haltung, Handlungen. (v)

Filmen, Büchern, Liedern, Opern, Bildern.

(vi) natürlichen oder künstlichen Mechanismen. (vii) Mitmenschen. 2

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Verstehen verstehen Programm Die Grundfrage fürs Weitere lautet: Angenommen, ein Hörer versteht die Äußerung einer Sprecherin. Worin genau besteht ein solches Verstehen eigentlich?

Wie sich zeigen wird, verlangt diese kurze Frage eine deutlich längere und vielschichtige Antwort.

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Akustistik

Sprachliche Bedeutung Als der Mann sich um eine bessere Aussprache bemüht, hörte die Frau, dass er sagte:

Dimensionen des Verstehens I Eine erste Ebene des Verstehens ist erreicht, wenn die Töne, welche die Äußerung ausmachen, klar und deutlich gehört werden.

One of the cross beams has gone out askew on the treadle.

Doch die Frau verstand die Äußerung noch immer nicht. Warum? Antwort: Weil sie nicht wusste, was der geäußerte Satz bedeutet.

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Sprachliche Bedeutung

Mehrdeutige Sätze

Dimensionen des Verstehens II

Viele Sätze des Deutschen sind mehrdeutig, haben also nicht bloß eine Bedeutung, sondern mehrere. Mehrdeutigkeit kann durch verschiedene Faktoren entstehen.

Eine zweite Ebene des Verstehens ist erreicht, wenn man die Bedeutung des gehörten Satzes kennt.

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Semantische Mehrdeutigkeiten

Syntaktische Mehrdeutigkeiten

Ein Wort bzw. eine Wendung ist semantisch mehrdeutig, wenn ein korrektes Wörterbuch verschiedene Bedeutungen für sie auflistet.

Ein Satz kann aber auch syntaktisch mehrdeutig sein. Er ist es, wenn seine Struktur verschiedene Interpretationen zulässt.

Ein Satz kann ebenfalls semantisch mehrdeutig sein. Er ist es, wenn er semantisch mehrdeutige Wörter (oder Redewendungen bzw. idiomatische Phrasen) enthält.

Zwei Beispiele: Adam kaufte rote Äpfel und Pflaumen. Killer sentenced to die for second time in ten years.

Zwei Beispiele: In diesem Dorf gibt es keine Bank.

(L.1) Adam kaufte rote (Äpfel und Pflaumen).

Milk Drinkers are turning to powder.

(L.2) Adam kaufte (rote Äpfel) und Pflaumen. (L.1) Killer sentenced to (die for second time in ten years). (L.2) Killer (sentenced to die) (for second time in ten years).

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Kombinierte Ambiguitäten

Verwirklichte Sprachliche Bedeutung

Schließlich kann ein Satz mehrere Mehrdeutigkeiten auf einmal aufweisen, wie beispielsweise (1)

Dimensionen des Verstehens IIII Eine dritte Ebene des Verstehens ist erreicht, wenn man weiß, welche von mehreren möglichen Bedeutungen des geäußerten Satzes in der Äußerung in Anspruch genommen wird.

Versteck’ die Knete in der Küche.

Dieser Satz lässt mindestens vier Lesarten zu: (L.1) Versteck das Geld (, das) in der Küche (ist). (L.2) Versteck die Knetmasse (, die) in der Küche (ist). (L.3) Versteck das Geld (in einem Versteck) in der Küche. (L.4)

Versteck die Knetmasse (in einem Versteck) in der Küche.

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Kontextabhängige Ausdrücke Hansi steht in einer Menge von Menschen und sagt, mit dem Finger in eine Richtung zeigend: Der war es.

Angenommen, man kennt die Bedeutung des geäußerten Satzes. Es entgeht einem noch immer ein wesentlicher Aspekt der Äußerung, solange man nicht weiß, auf wen Hansi zeigt. Um die Äußerung vollständig zu verstehen, muss man herausfinden, auf wen Hansi zeigt.

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Kontextabhängige Ausdrücke

Kontextabhängige Bezüge

Einige Sätze enthalten Wörter wie

Dimensionen des Verstehens IV

„ich“ „Du“ „hier“ „morgen“ „die da“, etc.

Eine vierte Ebene des Verstehens ist erreicht, wenn man weiß, worauf sich die geäußerten kontextabhängigen Ausdrücke beziehen.

Sie werden kontextabhängige Ausdrücke genannt. Obwohl kontextabhängige Ausdrücke eine einzelne sprachliche Bedeutung haben, bestimmt sich ihr Bezug durch den Kontext, in dem sie geäußert werden.

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Kommunikative Rolle Wenn wir einen Satz äußern, dann drücken wir in der Regel einen Inhalt aus. Aber überdies positionieren wir uns zu dem Inhalt und vollziehen damit eine Handlung. Arnold äußert: I’ll be back.

Angesichts dessen können wir uns fragen: Handelt es sich um eine Drohung? Um ein Versprechen? Eine Behauptung? Eine bloß vorgebliche Behauptung, geäußert in einem (Schau-)Spiel? Geistesabwesendes Gebrabbel? 19

Kommunikative Rolle

Implikationen

Dimensionen des Verstehens V Eine fünfte Ebene des Verstehens ist erreicht, wenn man die kommunikative Rolle der Äußerung erkennt (wenn man weiß, was für eine Sorte von sprachlicher Handlung mit ihr vollzogen wurde).

Manchmal teilt man mit einer Äußerung mehr mit, als man explizit sagt. Angenommen, ein Gutachten über einen Studenten enthält einen einzigen Satz: Törless hat eine schöne Handschrift. Der Verfasser des Gutachtens teilt mit, dass er die akademischen Fähigkeiten des Studenten gering schätzt—aber er tut dies, ohne es explizit zu sagen.

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Zusammenfassung: Sechs Ebenen des Verstehens

Implikationen Dimensionen des Verstehens VI

Ebene Verstehensdimension

Eine sechste Ebene des Verstehens ist erreicht, wenn man erkennt, was durch eine Äußerung alles impliziert wird.

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Sprachphilosophischer Grundbegriff

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Akustisches Verstehen

Wörter und Worte

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Verstehen der Satzbedeutung

Bedeutung: Was ist sie? Woher kommt sie?

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Verstehen der verwirklichten Satzbedeutung

Ambiguität, verwirklichte Bedeutung

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Verstehen des Bezugs von Kontextabhängigen Wörtern

Kontextabhängigkeit

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Verstehen der kommunikativen Rolle

Kommunikative Rolle und Sprechakte (sprachliche Handlungen)

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Verstehen der Implikationen

Implikation (implizites Mitteilen)

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Appetithäppchen

2. Sprachphilosophie: Das Wozu?

Sprachphilosophische Überlegungen kommen in einer Vielzahl anderer philosophischen Debatten zur Anwendung. Hier seien zwei Beispiele solcher Anwendungen kurz vorgestellt:

a. Hirne im Tank

b. Gleichgeschlechtliche Ehe

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Sprachphilosophie: Anwendungen

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Sprachphilosophie: Anwendungen

Hirne im Tank: Das Nebenargument

Hirne im Tank: Das Hauptargument gegen des skeptische Szenario P.1 Wenn ich ein Hirn im Tank bin, ist der Satz: „Ich bin ein Hirn im Tank“ falsch. P.2 Wenn ich kein Hirn im Tank bin, ist der Hirnsatz erst recht falsch.

P.1 Wenn ich ein Hirn im Tank bin, stehe ich in keinem Kontakt zu anderen Hirnen (sondern nur mit elektrischen Reizen). P.2 Das Wort „Hirn“ kann in meinem Munde nur dann Hirne bezeichnen, wenn ich zu solchen in einem Kontakt stehe.

K.1 Also ist der Satz „Ich bin ein Hirn im Tank“ in jedem Fall falsch. K.2 Also bin ich kein Hirn im Tank.

K.1 Wenn ich also ein Hirn im Tank bin, bezeichnet das Wort „Hirn“ in meinem Munde keine Hirne (sondern elektrische Stimuli). K.2 Wenn ich also ein Hirn im Tank bin, ist der Satz „Ich bin ein Hirn im Tank“ in meinem Munde falsch (da er dann besagt, ich sei ein elektrischer Stimulus).

Ich bin ein Hirn im Tank.

Ich bin ein Hirn im Tank.

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Sprachphilosophie: Anwendungen Homoehe: Rob Stainton vor Gericht P.1 Es gehört zur Bedeutung von „Ehe“, dass das Wort eine Verbindung zweier Leute unterschiedlichen Geschlechts bezeichnet.

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K.1 Also kann es keine gleichgeschlechtliche Ehe geben. K.2 Also kann ein Gericht gleichgeschlechtliche Ehen nicht legalisieren. K.3 Ein Gericht könnte allenfalls die Bedeutung von „Ehe“ ändern. P.2 Die Bedeutung von „Ehe“ ist aber Gemeingut, und es steht einem Gericht nicht an, die Bedeutung unserer Wörter zu ändern. K.4 Mithin sollte die Homoehe nicht legalisiert werden. 28

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