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Beratung Kasse für Kranke? Oder Partner für Gesundheit? Steuerberatung Gesundheitstourismus im Krankenhaus – steuerliche Aspekte Rechtsberatung...

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Health Care News Aktuelles aus dem Gesundheitswesen Ausgabe 1 — Mai 2017

Schwerpunktthema: International Health Der „perfekte Sturm“ für Veränderung

Interview „International Health“ – was kann Deutschland von anderen Ländern lernen?

Beratung Kasse für Kranke? Oder Partner für Gesundheit? Steuerberatung Gesundheitstourismus im Krankenhaus – steuerliche Aspekte Rechtsberatung Erfolg durch eine nachhaltige Compliance-Kultur

Liebe Leserinnen, liebe Leser, die Zukunft der Gesundheits- und Daseinsversorgung ist eines der Themen, die rund um den Globus am intensivsten diskutiert werden. Auch wenn sich die nationalen Gesundheitssysteme in ihrer Ausgestaltung unterscheiden, die grundlegende Herausforderung ist überall die gleiche: die richtige Balance zwischen bestmöglicher Gesundheitsversorgung und langfristig tragbaren Kosten zu finden. Dies haben wir zum Anlass genommen, das Thema International Health als Schwerpunkt für die Frühjahrsausgabe unserer EY Health Care News zu wählen. Nach einer kurzen Einführung gibt Herr Professor Amelung von der Medizinischen Hochschule Hannover in unserem Interview einen Überblick über das deutsche Gesundheitssystem im internationalen Vergleich. Es zeigt sich: Ein Blick über die Landesgrenzen hinweg lohnt! So analysieren unsere Kollegen von EY Schweiz in dieser Ausgabe der Health Care News den Schweizer Krankenversicherungsmarkt umfassend und zeigen verschiedene strategische Handlungsoptionen auf. Die Studie hat den Nerv ge­troffen, was die breite und inhaltsorientierte Diskussion nach der Veröffentlichung im deutsch­ sprachigen Raum zeigt. Aus unserer alltäglichen Arbeit kennen wir den zunehmenden Veränderungsdruck, der in den hiesigen Kliniken und Krankenhäusern herrscht. In dieser Ausgabe geben wir Ihnen einen Überblick über Shared Services als Option zur Steigerung von Effi­ zienz und Wettbewerbsfähigkeit. Unsere Herbstausgabe 2017 wird sich vertiefend mit der Weiterentwicklung von Shared Service Centers (SSCs) und der robotergestützten Prozessautomatisierung (RPA) befassen. Initiiert durch die Etablierung von SSCs und RPA bieten die in der Industrie erprobten Ansätze zur Standardisierung und Automatisierung von Geschäftsprozessen ein wesentliches Potenzial. Die konkreten Erfahrungen aus SSC-Projekten im deutschen Klinikumfeld und von weltweit über 200 EY-Robotik-Beratern möchte ich in der kommenden Ausgabe mit Ihnen teilen. Ergänzend greifen wir die Effizienzsteigerung – das Dauerthema der Branche – mit einem Artikel zum Benchmarking auf. Dieser Leistungsvergleich hilft, unentdeckte Optimierungspotenziale zu identifizieren. Abgerundet wird diese Ausgabe der Health Care News durch Aktuelles aus den Be­reichen Steuern und Recht sowie einer Produktneuvorstellung. Unser Health­careTeam hat den EY Quick Check entwickelt, der es Trägern und dem Management von Krankenhäusern erlaubt, Ursachen von Krankenhauskrisen gezielt zu erkennen und rasch Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Ich freue mich, Ihnen mit dieser Ausgabe der Health Care News eine Zusammen­ stellung der aktuellen Herausforderungen und vor allem der Chancen in der Gesundheitsbranche präsentieren zu können, und wünsche Ihnen eine informative und inspirierende Lektüre. Mit besten Grüßen

Christian Egle EY Health 2

| Health Care News Mai 2017

Inhalt Schwerpunktthema: International Health 4 Der „perfekte Sturm“ für Veränderung

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24 Gesundheitstourismus im Krankenhaus aus steuerlicher Sicht

8 Interview mit Prof. Dr. Volker E. Amelung: „International Health“ – was kann Deutschland von anderen Ländern lernen?

Rechtsberatung

Beratung

30 Erfolg durch eine nachhaltige Compliance-Kultur

10 Kasse für Kranke? Oder Partner für Gesundheit?

EY Quick Check

13 Mit Shared Services neue Wege gehen im Krankenhausumfeld

10

Steuerberatung

19 Die Kennzahl der Ausgabe: Schnitt-Naht-Zeit

28 Steuerliche Aspekte beim Zusammenschluss kommunaler Krankenhäuser

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Ansprechpartner 35

21 Effizienzsteigerung durch Benchmarking im Krankenhaus

Redaktion Sophie Charlott Krause-Hassenstein | EY Telefon +49 160 939 17012 [email protected]

Health Care News |

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Schwerpunktthema: International Health

Der „perfekte Sturm“ für Veränderung

Rund um den Globus durchlaufen die natio­ nalen Gesundheitssysteme einen noch nie da gewesenen Wandel. Die Über­alterung der Bevölkerung in den Industrienationen geht mit einer steigenden Anzahl chronischer Krankheiten einher. Dies erhöht den Kostendruck in der Branche. Zudem wird versucht, auch in den Schwellenländern immer mehr Menschen den Zugang zu dringend benötigten Gesund­heits­dienst­ leistungen zu ermöglichen.

Schwerpunktthema: International Health

Die Kombination aus Demografie-, Wirtschafts- und Lifestyle-Faktoren, steigenden Servicekosten, neuen Behandlungsformen und dem medizintechnischen Fortschritt sorgt für einen stetigen Anstieg der Gesundheitsausgaben. Prognosen deuten darauf hin, dass 2060 bereits 14 Prozent des weltweiten Bruttoinlands­ produkts (BIP) für Gesundheitsleistungen aufgewendet werden. Zum Vergleich: In den 2000ern waren es noch deutlich unter 10 Prozent. Diese Entwicklung wird die traditionellen Gesundheitssysteme mit ihren klassischen Strukturen an die Belastungsgrenze bringen. Neben den gesellschaftlich-ökonomischen Rahmenbedingungen verändert aber noch ein weiterer Faktor die Branche ganz entscheidend: Der Patient rückt immer mehr in den Mittelpunkt des Gesundheitssystems und stellt zunehmend Partizipationsansprüche. Grundvoraussetzung für das Managen der eigenen Gesundheit ist die Digitalisierung, von der zunehmend auch strukturschwache Regionen profitieren. Experten erwarten, dass bis 2020 drei Fünftel der Weltbevölkerung über Mobilfunk und Internet verfügen. Sie erhalten damit auch Zugang zu Informationen und Wissen, um bei gesundheitsbezogenen Fragen bewusste Entscheidungen zu treffen. Digitalisierung der Gesundheitswirtschaft: Die Jahrhundertchance ergreifen Durch die Digitalisierung lassen sich gerade in der Gesundheitsbranche bisher ungenutzte Potenziale heben. Vom Gesundheitstracking über digitale Gesundheitsnetzwerke und Wearables bis hin zu aufwendigen Auswertungen riesiger Datenmengen für evidenzbasierte Dia­ gnosen und Therapieverfahren – durch digitale Technologien eröffnen sich Möglichkeiten, die noch vor wenigen Jahren undenkbar waren. Der Gesund-

heitssektor kann überall dort Mängel abbauen und Brücken aufbauen, wo dies bislang kaum möglich war. Diese Voraussetzungen – demografisch-gesellschaftlicher wie auch technologischer Natur – vereinen sich gerade zum „perfekten Sturm“. Die Gesundheitssysteme stehen weltweit vor einer Jahrhundertchance und -herausforderung zugleich, die es zu ergreifen und zu gestalten gilt. Noch nie waren die Problemstellungen drängender und ein Paradigmenwechsel erfolgversprechender. Wandel der Gesundheitssysteme: Den Paradigmenwechsel einleiten Der Fokus liegt dabei eindeutig auf der Effizienzsteigerung: Wie lässt sich die Qualität der Patientenversorgung kontinuierlich steigern und dabei eine Kosten­ explosion in der Branche vermeiden? Während man im letzten Jahrzehnt nur vereinzelt Debatten über die Ungewissheit der künftigen Finanzierung der Gesundheitssysteme führte, gibt es heute endlich konkrete Maßnahmen. Viele Länder wie die USA, Frankreich und Großbritannien, aber auch Deutschland verabschieden umfangreiche und tief grei­fende Reformen, die den Nutzwert von Gesundheitsleistungen in den Mittelpunkt stellen. Bereits in drei bis fünf Jahren ist zu erwarten, dass „Pay for performance“-Konzepte vermehrt in den Gesundheitsbereich Ein­zug halten. Für diese (R)Evolution hin zu mehr Effizienz müssen jedoch alle Beteiligten im Gesundheitswesen zusammenarbeiten. Dazu gehören Anbieter von Gesundheitsleistungen, Kostenträger sowie die neuen, branchenfremden Mitspieler im Gesundheitswesen, die mit Lösungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien innovative Antworten auf alte Fragestellungen geben.

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Schwerpunktthema: International Health

durch die Einrichtung des NHS Evidence kontinuierlich überprüft und angepasst. Auch zur Bewältigung der demografischen Krise gibt es unterschiedliche Ansätze. Einige Länder finanzieren bereits häusliche Pflege und Prävention, um auf die Alterung der Bevölkerung und die Zunahme chronischer Erkrankungen zu reagieren. In Frankreich werden beispielsweise die steigenden Investitionen in Langzeitpflege und die Finanzierung von häuslicher Pflege gänzlich durch die gesetzliche Krankenversicherung über­ nommen. In Japan, wo schon heute ein Viertel der Bevölkerung 65 Jahre oder älter ist, schaffen Pflegeroboter Abhilfe.

Doch nicht nur diese interdisziplinäre Kooperation ist wichtig, auch die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg gewinnt an Bedeutung. Dies lohnt sich gerade aus deutscher Perspektive, sind uns doch andere Nationen in Sachen „effizientes Gesundheitssystem“ bis­ weilen eine Nasenlänge voraus.

Verfasser Christian Egle | EY Telefon +49 6196 996 21226 [email protected]

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| Health Care News Mai 2017

Blick über den Tellerrand: Andere Länder, andere Lösungsansätze Großbritannien und Frankreich beispielsweise investieren zunehmend in Prävention und die Entwicklung telemedizinischer Lösungen, um so langfristig Kos­ten zu sparen. Gegen Ineffizienzen und Doppelvorhaltungen hat der nationale Gesundheitsdienst (NHS) in Großbritannien groß angelegte Programme zur Dezentralisation von NHS-Tätigkeiten initiiert. Die Qualitätsstandards werden

Pragmatismus lernt man von Schwellenländern: Hier herrscht ein hoher Bedarf an Gesundheitsleistungen, aber die dafür nötige Infrastruktur und das Geld, sie zu errichten, sind in vielen Gebieten schlichtweg nicht vorhanden. So wählt man oft einen pragmatischen Weg und baut kostengünstige mobile und telemedizinische Lösungen aus, um die Grundversorgung zu sichern. Die Liste solcher Beispiele ist bereits lang. Der Veränderungsdruck durch den perfekten Sturm hat die Gesundheitswirtschaft weltweit erfasst. Wir sind zu­ versichtlich, dass sich durch Zusammenarbeit und Austausch von Lösungs­­an­ sätzen im internationalen Rahmen ein wichtiges Ziel erreichen lässt: eine zeitgemäße und zukunftsfähige Gesundheitsversorgung mit größtmöglicher Beteiligung des Verbrauchers/Patienten. Gemeinsam können wir eine bedarfs­ gerechte Versorgung unterstützt durch spezialisierte Technologie nach ethischen Grundsätzen gestalten. Dies ist die große Chance unserer Zeit.  

Schwerpunktthema: International Health

82,8

81,4

82,2

83,7

81,6

82,3

83,3

78,8

Altenquotient: Anteil der Bevölkerung über 65 Jahre

18,0 %

21,3 %

18,0 %

17,0 %

10,6 %*

25,1 %

18,2 %

19,9 %

17,6 %

14,1 %

Gesundheitsausgaben anteilig am BIP

10,6 %

11,0 %

11,1 %

9,9 %

7,6 %

11,4 %*

10,3 %

11,2 %

11,4 %

16,6 %

Gesundheitsausgaben pro Kopf in USD-KKP

4.857

5.119

4.367

3.971

2.547

4.152*

4.896

5.065*

6.787

9.024

Ärzte pro 1.000 Einwohner

3,7

4,0

3,3

2,8

3,4

2,3***

5,0

4,1

4,0

2,6

Pflegekräfte pro 1.000 Einwohner

16,5

13,0

9,4

8,2

4,9

11,0***

7,9

11,2

17,4

11,1

Krankenhausbetten pro 1.000 Einwohner

2,7

8,2

6,2

2,7

3,1

13,2

7,6

2,5

4,6

2,9**

Verweildauer in Tagen

6,5

7,7

5,8

6,0

5,3

17,2

6,5

5,6

5,9

5,4

Mobiltelefone pro 100 Einwohner

128

117

103

126

133

125

157

130

142

118

Internetnutzer pro 100 Einwohner

96

88

85

92

79

93

84

91

88

75

Adipositasquote: Anteil der fettleibigen Bevölkerung ab 15 Jahre

47,4 %

52,4 %**

45,5 %

61,7 %

54,5 %

24,7 %

46,7 %

46,5 %

41,0 %*** 70,1 %

Raucherquote: Bevölkerungsanteil der täglichen Raucher ab 15 Jahren

17,0 %

20,9 %**

22,4 %

19,0 %**

17,1 %

19,6 %

24,3 %

11,9 %

20,4 %

12,9 %

Bluthochdruck-Prävalenz bei der Bevölkerung ab 18 Jahren

♂ 26,5 % ♀ 14,8 %

♂ 24,3 % ♀ 15,5 %

♂ 27,7 % ♀ 16,4 %

♂ 17,9 % ♀ 12,4 %

♂ 20,6 % ♀ 12,8 %

♂ 22,5 % ♀ 12,6 %

♂ 25,2 % ♀ 16,8 %

♂ 24,1 % ♀ 14,4 %

♂ 22,3 % ♀ 13,7 %

♂ 15,3 % ♀ 10,5 %

Versichertenquote: Bevölkerungsanteil mit Krankenversicherung

100 %

99,8 %

99,9 %

100 %

100 %

100 %

99,9 %

100 %

100 %

88,5 %*

Träger und Finanzierung der vorherrschenden Krankenversicherung

öffentlicher Gesundheitsdienst, kommunale Ebene (Steuern)

verschiedene Krankenversicherer, freie Kassenwahl (Beiträge)

verschiedene Krankenver­ sicherer, keine Kassenwahl (Beiträge)

öffentlicher Gesundheitsdienst auf nationaler Ebene (Steuern)

verschiedene Krankenversicherer, freie Kassenwahl (Beiträge)

verschiedene Krankenver­ sicherer, keine Kassenwahl (Beiträge)

verschiedene Krankenver­ sicherer, keine Kassenwahl (Beiträge)

öffentlicher Gesundheitsdienst, kommunale Ebene (Steuern)

verschiedene Krankenversicherer, freie Kassenwahl (Beiträge)

private und Arbeitgeberversicherung, Medicaid, Medicare

Erhebungsjahr Quelle 2016 Weltalmanach

81,2

2014 OECD

80,8

2013 OECD

Lebenserwartung in Jahren bei Geburt

2014 OECD

35

2014 OECD

210

2013 OECD

24

2013 OECD

104

2014 OECD

348

2013 OECD

387

2015 Weltbank

269

2015 Weltbank

122

2014 OECD

234

2014 OECD

134

2015 WHO

Bevölkerungsdichte: Einwohner pro km2

2014 OECD

USA

Schweiz

Schweden

Österreich

Japan

Israel

Großbritannien

Frankreich

Deutschland

Dänemark

Ausgewählte Gesundheitskennzahlen im internationalen Vergleich

* vorläufiger Wert; ** Wert aus dem Jahr 2013; *** Wert aus dem Jahr 2012

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Schwerpunktthema: International Health

Interview mit Herrn Prof. Dr. Volker E. Amelung:

„International Health“ – was kann Deutschland von anderen Ländern lernen? Herr Prof. Amelung, „International Health“ ist das Thema dieser Ausgabe der EY Health Care News. Möchten Sie einleitend ein kurzes Statement zum deutschen Gesundheitssystem ab­ geben? Was zeichnet unser System im internationalen Vergleich besonders aus?

Prof. Dr. oec. Volker E. Amelung Prof. Dr. Amelung hat eine Schwerpunktprofessur für Internationale Gesundheitssystemforschung an der Medizinischen Hochschule Hannover inne und ist als Berater für nationale und internationale Unternehmen im Gesundheitswesen tätig. Seine Forschungsschwerpunkte sind Managed Care und Integrierte Versorgung. Seit 2007 ist Prof. Dr. Amelung Vorstands­ vor­sitzender des Bundesverbands Managed Care.

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| Health Care News Mai 2017

Das deutsche Gesundheitswesen zeichnet ein tief verankertes Solidaritätsprinzip aus. So gibt es keine Diskussion darüber, ob sich die medizinische Versorgung an der Zahlungsfähigkeit des Patienten orientiert. Jeder hat, unabhängig von seinen finanziellen Mitteln, Anspruch auf eine qualitativ hochwertige, bedarfsgerechte Behandlung. Dieser ethische Grundsatz ist für unsere Gesellschaft extrem wertvoll. Allerdings ist der Preis, den wir hierfür zahlen, eine nicht vorhandene Differenzierung in der Versorgung. Jenseits des objektiv notwendigen Versorgungsbedarfs haben die Menschen ganz unterschiedliche Bedürfnisse und Präferenzen in Bezug auf ihre Versorgung – dem tragen wir heute kaum Rechnung. Die Schweiz hingegen führt uns beispielsweise vor, wie man mit der Wahlmöglichkeit zwischen Hausarzttarifen, TeleDoc-Tarifen und dem Standardtarif ganz unterschiedlichen Anforderungen von Menschen gerecht werden kann. Darüber hinaus fällt im deutschen Gesundheitswesen auf, dass viele Effizienzreserven seit Jahrzehnten systematisch ignoriert

werden. Wir leisten uns ein Gesundheitssystem mit einer extrem hohen Anzahl von Krankenhäusern, langen Krankenhausverweildauern und einer doppelten Facharztschiene. Die Potenziale der Digitalisierung werden nicht genutzt, obwohl dies technisch möglich wäre. Die Akteure des deutschen Gesundheitswesens zeigen im internationalen Vergleich eine starke Abwehrhaltung gegenüber Veränderungen. Neuerungen werden nicht ergebnisoffen diskutiert, sondern im Sinne der Besitzstandswahrung abgewiegelt. Die Diskussionen drehen sich insbesondere beim Thema E-Health zu häufig um die Gefahren statt um die Opportunitäten. So ist uns bisher der entscheidende Paradigmenwechsel nicht gelungen: weg von einer auf Krankheit und „Reparatur“ fokussierten Sicht hin zu einer patientenzentrierten, ganzheitlichen Versorgung, inklusive Social-Care-Aspekten. Das deutsche Gesundheitssystem zeichnet sich unter anderem durch die freie Arztwahl aus. In anderen Ländern wie z. B. Dänemark oder der Schweiz ist zu beobachten, dass ein Großteil der Bevölkerung zugunsten geringerer Beiträge auf diese Wahlfreiheit verzichtet. Sollte am deutschen Prinzip festgehalten werden? Die freie Arztwahl ist ein in Deutschland stark eingefordertes Recht und ein primär emotionales Thema. In der Praxis wird dieses Recht aber kaum wahrgenommen.

Article Schwerpunktthema: heading International Health

In einem solidarisch finanzierten Gesundheitssystem kann es nicht richtig sein, dass sich der Einzelne das Recht herausnimmt, so viele Ärzte zu konsultieren, wie es ihm beliebt. Das Konzept der Solidarität beinhaltet auch eine Selbstverpflichtung, das System möglichst kosten­ effizient zu nutzen. Perspektivisch ist daher die Einführung einer Kostenpflicht für diese Wahlfreiheit auch in Deutschland absolut sinnvoll und notwendig. Das muss die Regelversorgung werden. Wer das nicht möchte, sollte selbstverständlich die Möglichkeit der freien Arztwahl haben, aber mit einer Beteiligung an den entstehenden Mehrkosten. Transparenz, Patientensicherheit, Wettbewerb – was ist das wesentliche Motiv einer leistungsorientierten Vergütung nach dem Prinzip „Pay for performance“? Stellt die im angloamerikanischen Raum entwickelte Ver­ gütungssystematik tatsächlich den Königsweg hin zu mehr Qualität dar? Der Grundsatz, dass unterschiedliche Leistungsqualität zu unterschiedlicher Vergütung führen muss, ist ein gängiges Konzept in sämtlichen Wirtschaftsbereichen. Die Triebfeder wirtschaftlichen Handelns ist immer, dass sich Leistung lohnen muss. Dies ist grundsätzlich im Gesundheitswesen genauso, dennoch gibt es Besonderheiten: Wir müssen bei der Leistungserbringung an weiteren Indikatoren arbeiten, um Transparenz zu schaffen. Hierbei geht es nicht um die Evaluation des einzelnen Arzt-Patienten-Kontaktes, sondern um die Gesamtbewertung von Arztnetzen, Kranken­ hausabteilungen oder ganzen Häusern. Die – selbstverständlich morbiditätsadjustierten – Kennzahlen sollten allen am Gesundheitswesen Beteiligten, inklusive der Patienten, zugänglich sein. Denn die Qualität der medizinischen Leistung ist,

wie die jeder anderen Leistung auch, normalverteilt. De facto gibt es Qualitätsunterschiede bei den Leistungserbringern. Das zentrale Ziel im Gesundheitswesen muss die beständige Verbesserung der Versorgungsqualität sein. Doch um dieses Ziel zu erreichen, bedarf es klar definierter Pfade und Anreizmechanismen. Hierfür eignet sich „Pay for perfomance“ als ein Instrument neben vielen anderen. Es ist wichtig, die Wirkung von Vergütungssystemen nicht zu unterschätzen – nicht nur als positives Anreizinstrument: Sie bergen im Gesundheitswesen auch ein hohes destruktives Potenzial hinsichtlich unnötiger Mengenausweitung und der Erbringung falscher Leistungen. Das derzeitige Vergütungssystem im Gesundheitswesen hat mit seinen Anreizmechanismen und Vergütungslogiken einen Komplexitätsgrad erreicht, der nicht mehr durchschaubar und komplett überreguliert ist. Als Beispiel ist hier die Diskrepanz zwischen der GKV- und der PKV-Vergütung zu nennen, die auch in der Versorgung zu Fehlsteuerungen führt. Das permanente Hinterfragen und Nachjustieren von Vergütungssystemen in Kombination mit nichtmonetären Anreizen ist daher viel entschei­ dender als ein klassisches „Pay for performance“-Modell. Sie sagten eingangs, dass die Möglichkeiten der Digitalisierung im deutschen Gesundheitswesen nicht ausreichend genutzt werden. Welches Land hat derzeit diesbezüglich eine Vorreiterrolle inne und welche dieser Lösungen könnten zeitnah in Deutschland eingeführt werden?

Versorgungsalltag integriert. Man stellt sich die Frage „Kann das helfen?“, und wenn es helfen kann, wird es umgesetzt. Israel ist mit Sicherheit das Land, in dem die Nutzung neuer Technologien im Gesundheitswesen am konsequentesten umgesetzt wird. Dies führt bis hin zu Versorgungsinterventionen auf der Basis von Predictive Modelling, die aus ethischen Aspekten in Deutschland nicht infrage kämen. Diese Herangehensweise ist mit dem deutschen „Bedenkenträgertum“ nicht zu vergleichen. Als klassisches Modell für die elektronische Patientenakte werden häufig die skandinavischen Länder angeführt. Aber auch die Schweiz nimmt in Europa eine Vorreiterrolle beim Technologieeinsatz ein, insbesondere beim elektronischen Rezept und bei der Videosprechstunde. Die Videosprechstunde ermöglicht die Kontaktaufnahme zu einem Arzt, der auch Medikamente verschreiben darf, an 365 Tagen im Jahr, rund um die Uhr. Davon ist man in Deutschland meilenweit entfernt. Selbst in Metropolregionen ist es kaum möglich, freitags ab 17.00 Uhr einen Hausarzt aufzusuchen. Es bleibt oftmals nur der Gang in die Notaufnahme. Digitalisierung wird in Deutschland aber nur dann funktionieren, wenn dahinter auch die Möglichkeit steht, tragfähige Geschäftsmodelle aufzubauen. Dies gelingt nicht, solange erfolgversprechende Anwendungen nur für den „zweiten Gesundheitsmarkt“ zugelassen werden. Herr Prof. Amelung, herzlichen Dank für das Gespräch.

Beim Thema Digital Health ist Israel besonders hervorzuheben. Die Digitalisierung im Gesundheitswesen wird dort als Chance begriffen und pragmatisch in den

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Beratung

Kasse für Kranke? Oder Partner für Gesundheit? Strategische Analyse des Schweizer Krankenversicherungsmarktes

Beratung

Die Schweizer Krankenversicherer müssen ihre strategischen Positionen systematisch überprüfen und schärfen. Darauf müssen sie ihre Geschäftsmodelle konsequent ausrichten. Nur so bleiben sie angesichts des politischen, regulatorischen, demografischen und medizinisch-technologischen Wandels im Gesundheitswesen mittel- bis langfristig kompetitiv. „Dying, Surviving or Thriving“ Die Krankenversicherer haben die Wahl zwischen drei strategischen Grund­ varianten: 1) Sie tun nichts und gefährden sich und das heutige Krankenversicherungswesen mittel- bis langfristig („Dying“) 2) Sie optimieren ihre etablierten Geschäftsmodelle evolutiv und überleben („Surviving“) 3) Sie transformieren ihre Geschäfts­ modelle fundamental („Revolution“) und erschließen neue Ertragspoten­ ziale („Thriving“) Verdrängung und beschränkte Inno­­va­ tions- und Wertschöpfungsmöglich­ keiten Das Schweizer Gesundheitswesen ist hoch reguliert, was Innovationen und unternehmerische Spielräume für die Krankenversicherer beschränkt. Zudem sind Gewinne in der Grundversicherung nicht erlaubt und in der Zusatzversicherung nur in engen Bandbreiten zulässig. Gleichzeitig liefern sich die Krankenversicherer einen heftigen Verdrängungswettbewerb. Schließlich bindet der noch umfangreiche Grundleistungskatalog den Großteil der Krankenversicherungsprämien. Um in diesem anspruchsvollen Umfeld langfristig profitabel zu wachsen, benötigen die Unternehmen Innovationskraft sowie Klarheit über Absicht und Auftrag.

Von 2014 bis 2030 werden die Gesundheitskosten in der Schweiz voraussichtlich um 60 Prozent auf 116 Mrd. Schweizer Franken steigen. Die Prämien der Grund­ ver­sicherung würden somit von heute durchschnittlich 396 Schweizer Franken pro Person und Monat bis 2030 auf 826 Schweizer Franken steigen. Primäre Kostentreiber sind der medizinisch-technologische Fortschritt, die Zunahme chronischer Erkrankungen sowie die Über­alterung der Gesellschaft. Damit reduziert sich die Kaufkraft der privaten Haushalte signifikant. Ein Großteil der Bevölkerung wird die Prämien der obligatorischen Krankenversicherung nicht mehr tragen können. Bund und Kantone – also letztlich die Steuerzahler – müssen diese Löcher stopfen.

Die Kosten- und Prämienexplosion gefährdet das Gesundheitswesen Innovationen sind auch angesichts des ungebremsten Kostenanstiegs im Gesundheitswesen dringend notwendig.

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Beratung

Ausrichtung auf die Grundbedürfnisse der Versicherten Es liegt im Interesse aller Akteure des Schweizer Gesundheitswesens, dessen hohe Qualität zu sichern und gleichzeitig den Kostenanstieg zu dämpfen. Wenn sich die Krankenversicherer konsequent auf die Grundbedürfnisse der Versicherten (gesund leben, gesund werden und mit der Krankheit leben) ausrichten, werden sie dieser Interessensymmetrie gerecht. Gelingt dies nicht, schafft sich das Gesundheitssystem mangels Finanzierbarkeit selbst ab. Digitale Gesundheitsdaten und -technologien eröffnen neue Angebotsmöglichkeiten Für diese Ausrichtung auf die fundamentalen Bedürfnisse der Versicherten er­ öffnen sich dank technologischer Innovationen völlig neue Möglichkeiten: So er­ höhen Wearables (tragbare Geräte zur Messung von Gesundheitsdaten), Apps und Sensoren die verwertbaren Gesundheitsdaten exponentiell. Knapp die Hälfte der Versicherten in der Schweiz zeichnet

Verfasser Yamin Gröninger | EY Telefon +41 58 289 39 01 [email protected] Dr. Alexander Lacher | EY Telefon +41 58 289 43 12 [email protected]

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| Health Care News Mai 2017

bereits heute Gesundheitsdaten auf, wie eine EY-Befragung zeigt. 60 Prozent der Befragten sind bereit, ihre Daten mit dem Krankenversicherer zu teilen, falls sie im Gegenzug finanzielle oder andere Vor­teile erhalten. Damit lassen sich neuartige Präventions- und Behandlungsformen entwickeln. Dies lockt branchenfremde Unternehmen ins Gesundheitswesen; diese „Disruptoren“ bringen die etablierten Krankenversicherer strategisch zusätzlich in Zugzwang. Evolution oder Revolution des Geschäftsmodells? Die Krankenversicherer müssen sich entscheiden, ob sie weiterhin in ihrem angestammten Markt tätig sein oder aber ihr Geschäftsmodell grundlegend neu ausrichten wollen. Im einen Fall können sie die Kostenführerschaft oder mit innovativen Services eine Differenzierung anstreben (Evolution). Im anderen Fall schaffen sie unter Nutzung vorhandener Stärken neue Produkte und Dienstleistungen oder stoßen in neue Geschäftsfelder vor (Revolution).

Hier kommen vier strategische Optionen in Betracht: 1) Ausweitung der Versicherungspalette auf Sparten wie Schaden- oder Lebensversicherung 2) Aggregation, Analyse, Aufbereitung und Angebot von Gesundheitsdaten 3) Spezialisierung auf ausgewählte Krankheiten 4) lebenslange Begleitung der Versicherten als Gesundheitspartner Jetzt ist die Zeit zu handeln Unabhängig von der gewählten Option: Die Krankenversicherer benötigen eine logische und konsistente Strategie und müssen diese zeitnah und konsequent umsetzen. Intelligente Kooperationen mit Leistungserbringern oder Technologiekonzernen können die Umsetzung dieser Strategien beschleunigen. Trotz des anhaltenden politischen und regulatorischen Drucks haben die Krankenversicherer genügend Spielraum, um ihre Geschäftsmodelle und Produkte weiterzuentwickeln. Aber Tempo ist gefragt: Noch kontrollieren die Krankenversicherer die Kundenschnittstelle und verfügen über umfangreiche Gesundheitsdaten. Diese Ausgangslage sollten sie im Sinne eines „First Mover“-Vorteils und unter Einbezug modernster Technologien aktiv nutzen. Unter folgendem Link können Sie die Studie herunterladen: www.ey.com/ch/insurancereports

Beratung

Mit Shared Services neue Wege gehen im Krankenhausumfeld In den vergangenen Jahrzehnten haben sich Shared Service Centers als fester Bestandteil von multinationalen Unternehmen quer durch verschiedene Branchen etabliert. Doch wie sieht es aus bei Unternehmen kleinerer Größe, in lokalen Strukturen wie Krankhäusern oder auch in einem Krankenhausverbund? Shared Services sind auch hier eine Option, um die Effizienz zu erhöhen und die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Getrieben von Kostendruck und vorhandenem Sparpotenzial begannen Firmen bereits vor über 20 Jahren, ihre transaktionalen Finanzaktivitäten zu bündeln und auszulagern. Das externe Rechnungswesen sowie die IT übernahmen dabei eine Vorreiterrolle. Der grundsätzliche Gedanke von Shared Service Centers (SSCs) ist es, Aktivitäten und Prozesse zentral zu bündeln, zu standardisieren und zu automatisieren. Das Ziel dabei: Skaleneffekte, Synergien und Effizienzgewinne zu erzielen. Spezialisten übernehmen Aufgaben über alle Unternehmensgesellschaften hinweg und bündeln das Know-how zentral. Nachdem in den vergangenen Jahren sämtliche DAX-Unternehmen SSCs etabliert und erfolgreich Finanz-, IT- und teilweise HR-Aktivitäten zentralisiert haben, konnten sie damit ihre Kosten in den einzelnen Bereichen substanziell verringern. Eine Vorreiterrolle kommt den Finanzprozessen zu, da diese sich in besonderem Maße für eine unternehmensweite Zentralisierung eignen. Prozesse, die sich standardisieren und automatisieren lassen, weisen Skaleneffekte auf. Sie werden als erste zentralisiert und beschäftigen sich zumeist mit der Infor­ mationsbeschaffung, -aktualisierung und -verwaltung sowie vorbereitenden „Judgement Based“-Aktivitäten, um zum Beispiel die Auslastung auf der Basis der Vorjahreswerte zu planen. Die Praxis

zeigt, dass sich SSCs durch eine sehr hohe Lernkurve auszeichnen und sie daher für die Übernahme von „Judgement Based“-Aktivitäten infrage kommen. Im Rechnungswesen lässt sich daher be­obachten, dass insbesondere im Bereich der Bilanzierung und des Reportings nach und nach Business- und IFRSrelevante Aktivitäten zentralisiert und ver­lagert wurden. Treiber für Reduzierung der Kosten Grundsätzlich lassen sich, wie in Abbildung 1 dargestellt, die Finanzprozesse in vier große Blöcke einteilen: Entscheidungsunterstützung, Kontrolle, Planung und Reporting sowie Datenverarbeitung. Das größte Potenzial, um die Gesamt­ kosten zu reduzieren, liegt dabei in den letzten beiden Bereichen. Hier lassen sich Prozesse mit geringem Aufwand standardisieren. Der Aufwand für tradi­ tionelle Finanzfunktionen liegt im Schnitt bei ein bis zwei Prozent des Gesamtumsatzes. Aufgrund der Bündelung, Standardisierung und Verlagerung der Prozesse an einen Standort im Niedriglohnbereich lässt sich der Kostenanteil im optimalen Fall auf weniger als 0,75 Prozent des Gesamtumsatzes reduzieren. Aufbau eines SSC Die Einführung von Shared Services im Finanzwesen wie auch in anderen Bereichen sollte nach dem Prinzip „Structure follows strategy“ erfolgen. Strategie,

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Beratung

Abbildung 1: Kosten der Finanzfunktion

Aufgaben der Finanzfunktion

Kosten der Finanzfunktion gemessen am Umsatz

Entscheidungsunterstützung Kostenmanagement und Profitabilitätsanalysen Performance-Management Investitionsmanagement

Traditionelle Finanzfunktion Bisher (1–2 % vom Umsatz)

Kontrolle Internes Kontrollumfeld Richtlinien und Arbeitsanweisungen Treasury und Liquiditätsmanagement Steuern

Moderne Finanzfunktion Zukünftig? (< 0,75 % vom Umsatz)

Treiber Lohnkosten-Arbitrage

Einsparung

Standardisierung

Planung und Reporting Planung, Budgetierung und Prognose Kosten- und Leistungsrechnung Internes und externes Berichtswesen

Datenverarbeitung Hauptbuchhaltung Forderungsmanagement Verbindlichkeitsmanagement Lohn- und Gehaltsabrechnung

Governance und Organisation, Prozesse und Systeme sind die grundlegenden Bausteine eines jeden Projekts und werden vom Top-Management und dem Fachbereich einzeln beleuchtet. Idealerweise werden auch die potenziellen internen Kunden des Fachbereichs, die Unternehmensfunktionen, in eine Bewertung eingebunden. Im Folgenden werden die Bausteine kurz beleuchtet und die wichtigsten Faktoren dargestellt. Grundlage für die Einführung von Shared Services sind eine klare Vision und Mis­ sion im Finanzwesen selbst. Dabei müssen die Verantwortlichen grundlegende Fragen beantworten: Wofür steht das Finanzwesen? Was sind seine Aufgaben und welche Werte und Prinzipien werden verfolgt? Diese Fragen werden in der

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| Health Care News Mai 2017

Bündelung und Zentralisierung

Fokus auf höherwertige Aufgaben

Wertbeitrag der Funktion

Praxis oftmals unterschätzt. Sie bilden jedoch die Basis für Grundsatzentscheidungen und jede Reorganisation. Unternehmen, die bereits in Teilbereichen Aktivitäten standardisiert haben, fällt es oft leichter, den Schritt Richtung Shared Services zu gehen, da die Mitarbeiter mit der Veränderung von Prozessen vertraut sind. In jedem Fall ist es wichtig, die Strategie gegenüber den Mitarbeitern transparent zu kommunizieren, damit sich diese auf die bevorstehende Veränderung einstellen können. Eine zentrale und wichtige Frage, die an die strategischen Grundsatzfragen anknüpft, ist die Organisation. Für einen reibungslosen Ablauf sind eine klare Governance und die Abgrenzung von Aufgaben und Verantwortung besonders

wichtig. Abbildung 2 zeigt eine beispielhafte Organisationsstruktur für einen Klinikverbund mit einem SSC für den Bereich Rechnungswesen. Wie im Beispielfall aufgezeigt, ist das SSC direkt dem Fachbereichsleiter unterstellt. Diese Option ist realisierbar, solange lediglich ein Fachbereich in das SSC ausgelagert wird. Sollten nach und nach auch Ak­ tivitäten aus anderen Fachbereichen in das SSC verlagert werden, wird das Center meist mit direkter Berichts­linie beim Geschäftsführer angesiedelt und berichtet somit auf gleicher Ebene wie die Bereichsleiter.

Beratung

Abbildung 2: Exemplarische Organisationsstruktur

Rollen im Finanzwesen Reporting für die Klinikleitung und die Führungskräfte Analyse/Nachhalten der Hauptergebnistreiber Steuerung und Gegensteuern im Klinikgeschäft Maßnahmenentwicklung und Umsetzungsunterstützung

Zentrale des Klinikverbundes Kliniken Geschäftsführer

Geschäftsführender Direktor

Leitung Finanzen und Controlling Zentralcontrolling Zentrales Rechnungswesen

SSC-Rechnungswesen

Wie Abbildung 2 zeigt, bietet das Rechnungswesen die Möglichkeit, bis zu 80 Prozent aller Prozesse in einem SSC zu bündeln. Im Controlling muss hingegen eine stärkere Differenzierung stattfinden, da es dort weniger trans­ aktionale Prozesse gibt als im externen Rechnungswesen. Eine weitere zentrale Fragestellung bei der Einführung eines SSC ergibt sich aus dem „Service Delivery Model“, also der Art und Weise, wie die Services in Zukunft erbracht werden sollen: aus einem eigenen SSC, von einem Drittanbieter bzw. Outsourcer oder mittels eines Hybridmodells, das ein eigenes SSC und ausgelagerte Prozesse kombiniert. Das Thema Outsourcing – also die Auslagerung von Aktivitäten an einen externen

KlinikControlling

Zentralcontrolling Standardreporting und Informationsbereitstellung für Klinik Nachhalten von Maßnahmen und Steuerung von Zentralprojekten Klinikübergreifende Verbesserungspotenziale identifizieren Richtlinien und Konsolidierung (Umsetzung) HGB-Vorgaben und Koordinierung der Wirtschaftsprüfer Koordinierung von Abschluss und Konsolidierung Qualitätsprüfung und Koordination mit Konzernrechnungswesen

Kreditorenbuchhaltung Debitorenbuchhaltung und Mahnwesen Anlagenbuchhaltung Hauptbuchhaltung

Anbieter – spielt vor allem für kleine bis mittelständische Betriebe und Krankhäuser eine wichtige Rolle, da hier oft die kritische Masse fehlt, um ein eigenes SSC zu errichten. Einfluss hierauf hat die Aufteilung zwischen den Aktivitäten, die in der Klinik verbleiben müssen, und denjenigen, die in einem Center gebündelt werden können. Je mehr Aufgaben Richtung SSC verlagert werden, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die kritische Masse erreicht wird. Andernfalls sollte man darüber nachdenken, Aktivitäten, die ohne großen Aufwand zu standardisieren sind, wie zum Beispiel die Kreditoren- oder Debitorenbuchhaltung, an einen Drittanbieter auszulagern, um dessen Know-how und Skaleneffekte zu nutzen.

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Beratung

Abbildung 3: Service-Delivery-Modelle

Zentralisierung

Unternehmenseigenes Service Center Unternehmensinterne Verantwortlichkeit

Hybrid Kombination aus unternehmenseigenem SSC und Outsourcing

Outsourcing Verlagerung der Aktivitäten an einen Drittanbieter

• Volle Kontrolle über Servicequalität und -erbringung

• Fokussierung intern auf wertschöpfende Tätigkeiten

• Nutzung der optimierten Provider-Service-Plattform

• Unterstützt End-2-EndProzessoptimierung

• Unterstützt die optimale Verlagerung verschiedenster Fachbereiche

• Schnelle Umsetzung

• Begrenzte Vorteile für kleine Unternehmen/Skaleneffekte

Zusammenfassung Im Grunde gelten in Krankenhäusern die Regeln des Teamsports. Die Gemeinsamkeiten sind groß: Wer sich gut aufstellt und organisiert, hat Erfolg nach Plan. Im Sport wird dieser durch externe Faktoren wie Fans, Wetter oder Mitstreiter beeinflusst. Bei Krankenhäusern spielen dagegen Kunden, Krankenkassen, Richtlinien und Konkurrenten eine maßgebliche Rolle. Regelmäßige Leistungschecks sind wichtige Faktoren, die den Erfolg beeinflussen. Davor sollten auch Krankenhäuser nicht zurückschrecken. Aber auch die stetige Weiterentwicklung und Einbeziehung der Technik im Sport lässt sich auf das Finanzwesen übertragen. Denn

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Dezentralisierung

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• Komplexe Steuerung

am Einsatz individualisierter und in Echtzeit ausgewerteter Daten werden sowohl Spitzenteams aus Fußball oder Basketball als auch erfolgreiche Unternehmen in Zukunft nicht vorbeikommen. Es ist nicht nur wichtig, das Trainings­ modell anzupassen, um gezielt die maximale Leistung herauszuholen und dabei die Ressourcen schonend einzusetzen; vielmehr muss sich auch das Finanzwesen den veränderten Rahmenbedingungen stellen und sich flexibler, agiler und effizienter ausrichten – oft auch bei inhaltlicher Neuausrichtung und unter erhöhten Qualitätsanforderungen. Wenn Unternehmen und Krankenhäuser ihr

• Teamgröße relevant für Outsourcing Provider

Finanzwesen in SSCs integrieren und auslagern, gehen sie einen weiteren Schritt in Richtung Effizienz und Wett­ bewerbsfähigkeit. So können sie ihre internen Prozesse effektiv und effizient auf die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte vorbereiten.

Verfasser Ricardo Steuer | EY Telefon +49 89 14331 28557 [email protected] Sven Westeppe | EY Telefon +49 89 14331 17705 [email protected]

Beratung

Ausblick Health Care News Herbst 2017

Die Weiterentwicklung der klassischen Shared Service Centers (SSCs) und die Verschmelzung mit robotergestützter Prozessautomatisierung (RPA) Derzeitige Herausforderungen von SSC-Aktivitäten • hoher Dateneingabe-Aufwand • deutlicher Bedarf an Überarbeitung und Korrektur • mannigfache manuelle Prozesse • zahlreiche nicht integrierte Bestandsund Subsysteme • hohe Mitarbeiterfluktuation durch Tätigkeiten mit relativ niedrigem Innovations- und Wertbeitrag Entwicklung im Bereich SSC Zahlreiche Kliniken haben die Motivation, SSCs der ersten Generation mit einer einzigen funktionalen Aufgabe auf­zu­ bauen, um die operative und die Kos­ ten­e­ffizienz zu verbessern und gleichzeitig die Standardisierung zu steigern und die Komplexität zu reduzieren. Aber das Shared-Services-Modell unterliegt einem rapiden Wandel und es bieten sich neue Chancen in Form von multifunktionalen Betriebsmodellen und der Integration von RPA. Einsatz von RPA als Wertetreiber im SSC RPA wird die typischen administrativen SSC-Prozesse (z. B. der Finanzbuchhaltung) umfassend revolutionieren: Nicht Menschen sind langfristig führend und werden durch Technologie unterstützt, sondern „Robots“ übernehmen anhand von Regeln wesentliche Arbeitsprozesse; nur in Einzelfällen greift der Mensch noch ein. Der Mensch kann sich kom­ plexeren, wertschöpfenden Aufgaben widmen. Mit der Erfahrung und den kontinuierlich umgesetzten Optimierungen an Robotik-Tools können zunehmend Kosten eingespart werden.

Einsatzbereich und Amortisation von RPA

ERP, CRM

hoch

1 50 komplex, zeitaufwendig

GPM Geschäftsprozessmanagement 2

Frequenz der Aufgaben

10

Robotics

agil, riskant

10 1 skalierbar, schnell

gering gering

hoch

Spezifität der Aufgaben

r relativer ROI in %

r relative Komplexität/Zeit für die Implementierung

Vorteile von RPA

Geringes Risiko

Nichtinvasive Technologie

Genauigkeit

Die richtigen Ergebnisse, Entscheidungen oder Kalkulationen auf Anhieb

Konsistenz

Identische Prozesse und Funktionen, die Abweichungen im Output verhindern

RPA kann auf bestehende Systeme zugreifen und bildet somit eine Plattform, die kompatibel mit weiteren unternehmensindividuellen Entwicklungen von anspruchsvollen Algorithmen und Maschinen-Lerntools ist

Verlässlichkeit Keine Krankheitstage, Dienst steht rund um die Uhr an jedem Wochentag das ganze Jahr zur Verfügung

Revisionssicherheit Komplett erhaltene Dokumentation, essenziell für Compliance

Standortunabhängigkeit Geografische Unabhängigkeit ohne negativen Einfluss auf den Geschäftsbetrieb

Produktivität

Gebundene Personalressourcen werden für wertvollere Aufgaben verfügbar

Skalierbarkeit Mitarbeiterbindung

Sofortiges Hoch-/ Herunterfahren der Kapazität, um Nachfragespitzen und -tiefen zu nutzen

Fördert Mitarbeiterzufriedenheit durch Zuweisung spannender Aufgaben

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Beratung

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Beratung

Die Kennzahl der Ausgabe: Schnitt-Naht-Zeit Der OP-Bereich ist einer der teuersten Bereiche eines Krankenhauses, sodass es nur folgerichtig erscheint, den Fokus auf eine möglichst optimale Ausnutzung der OP-Säle zu richten. Als Steuerungsgröße kann hierzu die Schnitt-Naht-Zeit (SNZ) herangezogen werden. Diese

wird definiert als Zeitraum vom ersten Hautschnitt bis zum Ende der letzten Hautnaht. Vor- und nachgelagerte Prozesse wie beispielsweise die Lagerung des Patienten oder die Ein- und Ausleitung der Narkose und Rüstzeiten bleiben bei der SNZ un­berücksichtigt.

Darstellung der Schnitt-Naht-Zeit Reine Anästhesiezeit

Gips, Verband

Lagerung, Waschen

Schnitt

Perioperative Zeit

Naht

Ausleitung

Einleitung

Schnitt-Naht-Zeit

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Beratung

SNZ innerhalb der OP-Kapazität OP-Auslastung SNZ (%) = × 100 OP-Kapazität Perioperative Zeit innerhalb der OP-Kapazität OP-Auslastung perioperative Zeit (%) = × 100 OP-Kapazität

Typischerweise fungiert die SNZ als Parameter zur Analyse der OP-Auslastung. Die OP-Auslastung selbst wird definiert als Summe der benötigten OP-Zeiten im Verhältnis zu den zur Verfügung stehenden, vorgehaltenen OP-Kapazitäten eines OP-Tages (einschließlich Rüstzeiten) und kann anhand der SNZ oder anhand der perioperativen Zeit ermittelt werden. Ungenutzte OP-Zeiten sind ein wesent­ licher Grund für Ineffizienzen im OP-Betrieb. Neben Leerlaufzeiten zu Beginn und am Ende eines OP-Tages kommt es auch zwischen Operationen zu Leerzeiten, beispielsweise wenn nach Ende einer Operation der OP-Saal geschlossen wird, danach aber wegen einer Nachmeldung erneut geöffnet werden muss. Daneben gibt es auch Wartezeiten, weil z. B. der Patient verspätet im OP-Bereich eintrifft oder der Operateur aufgrund von Visiten

Verfasser Marius Trabert | EY Telefon +49 711 9881 22876 [email protected] Jan Zehetner | EY Telefon +49 711 9881 21732 [email protected]

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oder anderweitigen Terminen nicht pünktlich zum eigentlichen OP-Beginn erscheint und das OP- und Anästhesieteam entsprechend warten muss. Weitere Leerzeiten ergeben sich aus kurzfristig verschobenen Operationen und aus frei gehaltenen OP-Zeiten für Notfälle. Die Erfassung und Auswertung der SNZ bietet in Zeiten von Kostendruck und der Notwendigkeit der Auslastung teurer OP-Kapazitäten wertvolle Chancen, Hinweise auf Verbesserungspotenziale im OP-Betrieb frühzeitig zu identifizieren, mögliche Ursachen zu erkennen und deren Einflussfaktoren zu optimieren. Aus diesen Gründen wird sie oft für Bench­marking-Analysen eingesetzt, mit dem Ziel, Effizienzsteigerungen im Krankenhaus zu erzielen.

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Effizienzsteigerung durch Benchmarking im Krankenhaus Benchmarking im Allgemeinen Benchmarking wird als Methode der Unternehmensanalyse im Bereich des strategischen Controllings eingesetzt und dient als Instrument zur Beurteilung von Stärken und Schwächen des Unternehmens in der betrieblichen Wertschöpfungskette. Bringt man die vielfältigen und unterschiedlichen Definitionen in der Literatur auf einen Nenner, dann lässt sich Benchmarking als ein strukturierter und kontinuierlicher Prozess des Messens und Vergleichens von Produkten, Dienstleistungen, Prozessen, Funktionen oder Strategien verschiedener Organisationen zur Identifikation von Best-Practice-Me-

thoden, zur Umsetzung bereits entwickelter Optimierungsmaßnahmen und zur Verbesserung der eigenen Leistungen beschreiben. Das Effizienzpotenzial ergibt sich dabei in abstrakter Form aus der Differenz zwischen dem Wert des im Hinblick auf den Betrachtungsgegenstand besten Unternehmens und der eigenen Leistung. In der wissenschaftlichen Literatur gibt es zahlreiche Ausführungen darüber, wie Benchmarking durchgeführt werden kann. Eine eindeutige und allgemein­ gültige Vorgehensweise lässt sich nicht finden. In der Regel basieren die unterschiedlichen Methoden auf einem strukturierten, mehrstufigen Prozess.

Benchmarking-Prozess

Plan

• Definition von Zielen des Benchmarkings • Definition der Betrachtungsgegenstände • Festlegung der Messgrößen/Indikatoren

Do

• Erheben von Daten • Aufzeichnen von Messungen

(aus verschiedenen Quellen)

(z. B. Patienten pro Stunde)

Act

• Festlegung von Maßnahmen zur Verbesserung • •

bzw. zur Sicherung/Steigerung der eigenen Leistung Umsetzung der festgelegten Maßnahmen Messung und Kontrolle der erzielten Ergebnisse

Check

• Auswertung der erhobenen Daten • Vergleich mit Ergebnissen der BenchmarkingPartner anhand festgelegter Indikatoren • Feststellung von Leistungslücken • Identifikation der Ursachen der Leistungslücken Health Care News |

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In der Planungsphase werden Ziele, Kennzahlen und die Auswahl der Bench­ marking-Partner festgelegt. In der darauf folgenden Phase geht es um die Datenerhebung und Erfassung der Kenn­zahlenausprägungen. Als nächster Schritt folgt die Analyse der erhobenen Daten. Hierzu werden diese mit den Ausprägungen der Benchmarking-Partner verglichen. Zeigen sich beim Vergleich Auffällig­ keiten, wird nach der Ursache für die Ab­ weichungen gesucht. Die letzte Phase des Benchmarkings umfasst das Ableiten von Verbesserungsmaßnahmen, um die identifizierten Leistungslücken abzubauen. Benchmarking im Krankenhaus Nach Umstellung auf die fallpauschalierte Krankenhausfinanzierung hat die Anwendung von Benchmarking-Analysen im Krankenhaus, insbesondere im operativen Medizincontrolling, zunehmend an Bedeutung gewonnen. In Krankenhäusern werden oft Finanzund Qualitätskennzahlen aus veröffent­ lichungspflichtigen Dokumenten wie Jahresabschlüssen und Qualitätsberichten als Vergleichsbasis herangezogen. Darüber hinaus bieten die vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) veröffentlichten Kosten- und Leistungsdaten der an der Kalkulation teilnehmenden Häuser eine Vergleichsbasis. Weiterhin gibt es für externe Vergleiche einzelne BenchmarkingOrganisationen wie beispielsweise die Initiative des Verbundes der Universitätskliniken. Ebenso verfügen Beratungsunternehmen oft über umfang­ reiche Brancheninformationen.

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Benchmarking im OP-Bereich Die OP-Abteilung eines Krankenhauses ist ein klassisches Nadelöhr und ein Engpass für den Patientenfluss. Sind an den Prozessabläufen verschiedene spe­ zialisierte Berufsgruppen beteiligt, führt das oftmals zu einer hohen Steuerungskomplexität. Im OP-Bereich werden besonders kostenintensive Kapazitäten vorgehalten und durchschnittlich etwa 20 Prozent des DRG-Budgets erzielt. Um die Qualität und Validität der Kostenrechnung in diesem Bereich zu gewährleisten, helfen Bezugsgrößen wie die Schnitt-Naht-Zeit (SNZ), der Gleichzeitigkeitsfaktor (GZF) und die Rüstzeit, Kapazitätsengpässe zu identifizieren und zu beheben. Hinsichtlich eines Benchmarkings der OPAuslastungskennzahl SNZ sollten folgende Aspekte beachtet werden: Bereits im Vorfeld der Datenerfassung ist zu definieren, welcher Sachverhalt mit der Kennzahl abgebildet werden soll bzw. kann und welche Steuerungsmöglichkeiten damit geschaffen werden. Ohne Festlegung des Ziels ist keine sinnvolle Wahl einer Kennzahl möglich. Mit der SNZ als Indikator können Aussagen darüber getroffen werden, ob der OP optimal genutzt wird. Die Zielsetzung der Kennzahl ist somit auf eine Effizienzsteigerung der OP-Kapazitäten ausgerichtet. Das übergeordnete Ziel der Daten­erhebung (Informationsbeschaffung, Datenaufbereitung und -anpassung) ist es, eine Vergleichsbasis zu schaffen. Hier ist es von Vorteil, dass die Definition der SNZ keine Interpreta­ tionsspielräume zulässt. Dadurch wird auch die Datenerhebung vereinfacht.

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Jedoch ist bei der Datenerhebung zu berücksichtigen, dass der Auslastungsgrad von der Zahl und der Art der Operationen und von der Häufigkeit der Wechsel abhängt. Kurze OP-Zeiten mit häufigen Wechseln (z. B. in der Augenheilkunde) sind anders zu bewerten als lange Eingriffe mit wenigen Wechseln (z. B. in der Neurochirurgie). Zusätzlich gibt es weitere Einflussfaktoren, wodurch eine Benchmarking-Analyse erschwert wird. Zu nennen sind hier die Erfahrung des Operateurs, die gewählte Art des Eingriffs, zahlreiche infrastrukturelle Einflussfaktoren sowie der Gesundheits­ zustand des Patienten. Schlussfolgerungen hinsichtlich der tatsächlichen Effizienz der OP-Nutzung können nicht ohne Betrachtung solcher individueller Einflüsse gezogen werden. Eine relativ niedrige Auslastung deutet nicht in jedem Fall auf ineffiziente OPAbläufe hin.

Ein weiteres Problem ist die Verfüg­ barkeit von Vergleichsdaten, die besonders bei externen Benchmarking-An­ sätzen aufgrund von Ängsten, die eigene Position zu schwächen, sehr begrenzt sein kann. Ziel des OP-Benchmarkings ist es, die Effizienz durch eine bessere Steuerung der OP-Prozesse zu steigern. Allerdings kann ein einseitiger Fokus auf Zahlen irreführend sein. Besonders in Krankenhäusern ist beispielsweise die Effizienz als einziges Qualitätsindiz für die Leistungserbringung nicht ausreichend. Dennoch gibt die Transparenz von Daten in Form von Benchmarking erste Anhaltspunkte zu Ineffizienzen. Werden die erhobenen Daten nicht isoliert betrachtet, sondern durch Qualitätsberichte und Patientenbefragungen ergänzt, können durchaus fundierte Aussagen über die Effizienz und Leistungsfähigkeit von Krankenhäusern getroffen werden.

Verfasser Marius Trabert | EY Telefon +49 711 9881 22876 [email protected] Jan Zehetner | EY Telefon +49 711 9881 21732 [email protected]

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Steuerberatung

Gesundheitstourismus im Krankenhaus aus steuerlicher Sicht

Die deutsche Spitzenmedizin erfreut sich auch im Ausland nach wie vor großer Beliebtheit. In den letzten Jahren hat das Geschäft mit internationalen Patienten noch einmal deutlich zugenommen und trägt in vielen Fällen nicht unerheblich zum wirtschaftlichen Erfolg der Häuser bei. Zuletzt waren in der Presse jedoch auch einige Negativschlagzeilen zu lesen, angefangen bei der wirtschaftlichen Fragwürdigkeit solcher Tätigkeiten bis hin zu strafrechtlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit Abteilungen für internationale Patienten. Wie so oft im Leben gilt aber auch bei dieser Thematik: Ob erfolgreich oder nicht, die Steuer spielt (fast) immer eine Rolle. Aufgrund der wohl auch weiterhin zunehmenden Anzahl von Behandlungen internationaler Patienten in deutschen Krankenhäusern sollte daher auf eine korrekte steuerliche Abwicklung der damit verbundenen Leistungen geachtet und die damit befassten Mitarbeiter entsprechend geschult werden. Der nachfolgende Beitrag soll einen kleinen Überblick über die Thematik bieten.

Steuerberatung

Ertragsteuerliche Aspekte Die nachfolgenden ertragsteuerlichen Fragestellungen ergeben sich sowohl bei privaten als auch bei gemeinnützigen Einrichtungen. Der Unterschied besteht lediglich darin, dass die Steuerbefreiung bei gemeinnützigen Einrichtungen nicht nur die Gewerbesteuer, sondern auch die Körperschaftsteuer umfasst. Soweit im Folgenden vom steuerfreien Zweckbetrieb gesprochen wird, ist auch die Gewerbesteuerbefreiung bei privaten Krankenhäusern gemeint. Die Heilbehandlung von internationalen Patienten kann genauso wie diejenige von inländischen Patienten grundsätzlich dem Zweckbetrieb des Krankenhauses nach § 67 Abgabenordnung (AO) zugeordnet werden. Das Gesetz unterscheidet hier nicht nach der Nationalität. Somit können die Einnahmen aus der Heilbehandlung nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 Körperschaftsteuergesetz (KStG) und § 3 Nr. 6 Ge­werbesteuergesetz (GewStG) für gemeinnützige Krankenhäuser und § 3 Nr. 20 GewStG für private Krankenhäuser ertragsteuerbefreit sein. Vorsicht ist jedoch in steuerlicher Hinsicht bei Leistungen rund um die eigentliche Heilbehandlung geboten. Eine Unterscheidung zwischen inländischen und ausländischen Patienten ist zwar auch hier grundsätzlich nicht vorzunehmen; bei internationalen Patienten kommt es jedoch aufgrund der Entfernung zum Wohnort, kultureller Besonderheiten und sprachlicher Grundlagen verstärkt zu exotischen steuerlichen Fragestellungen. Zu den alltäglichen Themen gehören dabei noch die Begleitpersonen. Reisen beispielsweise neben dem Patienten Familienmitglieder an, so werden diese oft im Krankenhaus oder in dafür angemieteten Hotelzimmern untergebracht. Für die ertragsteuerliche Einordnung ist dar-

auf abzustellen, in welchem Zusammenhang die Begleitpersonen mitreisen. Sind sie für die Heilbehandlung erforderlich und kommen sie der Genesung des Patienten zugute, sind die damit verbundenen Einnahmen – auch insoweit die Parallele zu „inländischen“ Patienten – dem (gewerbe)steuerfreien Krankenhaus(zweck)betrieb zuzuordnen. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn es sich bei den begleiteten Patienten um Minderjährige unter 14 Jahren oder um Schwerbehinderte handelt oder die Begleitung aus ärztlicher Sicht aus anderen Gründen notwendig ist. Für gemeinnützige Einrichtungen stellt sich darüber hinaus noch die Frage, ob die dauerhafte Unterbringung nicht medizinisch indizierter Begleitpersonen einen Sphärenwechsel der betreffenden Räume aus dem Zweckbetrieb in die Vermögensverwaltung bzw. den steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb darstellt. Ein solcher Sphärenwechsel führt nach Auffassung der Finanzverwaltung zum Wiederaufleben der zeitnahen Mittelverwendungspflicht in der Höhe des Verkehrswerts der Räume. Etwas ungewöhnlicher erscheinen da schon die sonstigen Services, die den internationalen Patienten erfahrungsgemäß angeboten werden. Beispielsweise unterstützen einige Krankenhäuser ihre Patienten und deren Familien bei der Verlängerung der Visa, sorgen für Verpflegung, Reinigung der Wäsche oder Tickets für den öffentlichen Nahverkehr der Begleitpersonen. Häufig wird zudem ein Rahmenprogramm für die Patienten und Begleitpersonen z. B. in Form touristischer Ausflüge angeboten. Diese zusätzlichen Leistungen werden außerhalb des Zweckbetriebs erbracht und sind dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen.

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Steuerberatung

Daneben führen Sprachbarrieren zwischen den internationalen Patienten und den Pflegekräften und Ärzten dazu, dass Krankenhäuser oftmals Dolmetscher für die Zeit des Aufenthalts der Patienten engagieren müssen. Entscheidend ist, in welchem Zusammenhang die Dolmetscher ihre Leistungen erbringen. Werden die einzelnen medizinischen Schritte übersetzt, dient dies i. d. R. der Heilbehandlung und erfolgt im Rahmen des steuerfreien Zweckbetriebs des Krankenhauses. Sind die Dolmetscherleistungen dem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen, weil sie im Rahmen der o. g. Zusatzleistungen erbracht werden, sind sie als Betriebsausgaben anzusehen und mindern die steuerliche Bemessungsgrundlage. Denkbar ist außerdem, dass die interna­ tionalen Patienten über einen Vermittler in das jeweilige Krankenhaus gelangen und hierfür eine Provision zu entrichten ist. Diese Provisionszahlungen können anteilig dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb als Betriebsausgabe zugeordnet werden, soweit sie auf diesen entfallen. In der Praxis ist darauf zu achten, dass der Zusammenhang zwischen Provisionszahlungen und Krankenhaus hinreichend dokumentiert wird, um den Betriebsausgabenabzug nicht zu gefährden.

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Ausschließlich für gemeinnützige Einrichtungen relevant ist das Thema Spenden. Erhält das Krankenhaus von den internationalen Patienten Spenden, sind diese grundsätzlich dem ideellen Bereich zu­ zuordnen, da das Krankenhaus keine Gegenleistung erbringt. Bei einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer kurz zuvor oder danach durchgeführten Behandlung wäre aber zu prüfen, ob tatsächlich eine echte Spende vorliegen kann. Um hier nicht der Gefahr der persönlichen Spendenhaftung aus­ gesetzt zu sein, sollte genau geprüft werden, ob in solchen Fällen eine Spende bestätigt werden kann. Zusätzlich kann bei gemeinnützigen Einrichtungen die Frage gestellt werden, wie die Forderungen gegenüber den internationalen Patienten abgesichert werden. Da es sich in der Praxis oft sehr schwierig gestalten kann, etwaige Nachzahlungen von den internationalen Patienten zu verlangen, wenn diese wieder zurück in ihrem Heimatland sind, kann es sinnvoll sein, die Behandlung nur gegen Bezahlung durch Vorkasse anzubieten und ggf. Überzahlungen später dem Patienten zurückzuüberweisen. Andernfalls könnte bei einem Forderungsausfall im wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ohne entsprechende Absicherung, wie sie ein fremder Dritter vorgenommen hätte, der Gemeinnützigkeitsstatus gefährdet sein.

Umsatzsteuerliche Aspekte Auch die Umsatzsteuer unterscheidet bei der Frage, ob eine Heilbehandlung nach § 4 Nr. 14b Umsatzsteuergesetz (UStG) vorliegt, nicht nach der Nationalität der Patienten. Die unter den ertragsteuerlichen Aspekten aufgeführten Zusatzleistungen, die dem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind, dürften i. d. R. auch der Umsatzsteuer unterliegen. Ein (antei­ liger) Vorsteuerabzug aus bezogenen Eingangsleistungen hierfür dürfte damit ebenfalls möglich sein. Zusätzliche umsatzsteuerliche Problemstellungen können sich aber auch noch nach abgeschlossener Behandlung erge-

ben. Da die Patienten auch nach Beendigung der Behandlung häufig noch mit Medikamenten und Verbandsmaterial versorgt werden müssen, erhalten sie dies bei ihrer Entlassung. Wegen der Mitnahme der Materialien in das jeweilige Heimatland ist zu prüfen, ob ggf. eine umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferung vorliegt. Zudem kann es vorkommen, dass das Krankenhaus die benötigten Materialien und Medikamente direkt zu dem Patienten ins Ausland verschickt. Auch in diesen Fällen ist zu prüfen, ob eine Ausfuhrlieferung gegeben ist. Hier könnte eine interne Checkliste helfen, (mehr) steuerliche Rechtssicherheit zu schaffen und steuerliche Risiken für das Haus zu vermeiden.

Fazit Die steuerlichen Regelungen folgen bei internationalen Patienten grundsätzlich denjenigen bei inländischen Patienten. Die Besteuerung der eigentlichen Behandlung internationaler Patienten wird die Krankenhäuser daher selten vor echte Probleme stellen. Die zusätzlich angebotenen Service- oder Zusatzleistungen bringen jedoch meist schwierigere steuerliche Fragestellung mit sich. In diesem Zusammenhang bietet es sich an, die einzelnen Leistungen in den vertraglichen Vereinbarungen mit den Patienten darzustellen und die jeweiligen Entgelte festzuhalten.

Verfasser Peter Dörrfuß | EY Telefon +49 711 9881 15276 [email protected] Sven Riedel | EY Telefon +49 7731 99 70 35 [email protected] Matthias Zembrod | EY Telefon + 49 7731 9970 39 [email protected]

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Steuerberatung

Steuerliche Aspekte beim Zusammenschluss kommunaler Krankenhäuser

GmbH einem steuerpflichtigen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zuzuordnen sind. In der Praxis eher selten sind die Fälle der Verschmelzung einer gemeinnützigen Krankenhaus-GmbH auf einen eingetragenen Verein oder eine Stiftung. Das Umwandlungssteuerrecht kann in diesen Fällen nicht angewendet werden. Steuerlich gesehen handelt es sich um eine Liquidation mit anschließender Auskehrung des Gesellschaftsver­ mögens auf den eingetragenen Verein bzw. die Stiftung. In allen Verschmelzungsfällen spielen vorhandene Verlustvorträge eine wichtige Rolle. Ablauf und Richtung der Verschmelzung entscheiden darüber, ob die Verluste steueroptimal genutzt werden können. Auch bei gemeinnützigen Körperschaften dürfen diese Überle­ gungen nicht vernachlässigt werden. Kommunale Krankenhäuser sind in der Regel gemeinnützig ausgestaltet. Dadurch ergeben sich bei Umstrukturierungen und Zusammenschlüssen besondere steuerliche Fragen, die bereits zu Projektbeginn ins Auge gefasst werden sollten. Betroffen sind neben dem Gemeinnützigkeitsrecht als solchem auch ertrag- und umsatzsteuerliche Aspekte sowie die Grund- und Grunderwerbsteuer. Die steuerlichen Risiken – aber auch Chancen – sind dabei oft nicht auf den ersten Blick zu erkennen, denn die Zusammenhänge sind komplex und bedürfen einer genauen Analyse. Ein Blick auf diese Themen bereits in der Frühphase der Planung hilft, böse Überraschungen, eine Verzögerung des Projekts und unerwünschte Ergebnisse zu vermeiden.

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Umwandlungssteuerrecht als Ausgangspunkt Der in der Praxis mit Abstand häufigste Fall ist die Verschmelzung zweier kommunaler Krankenhaus-GmbHs. Als Ausgangspunkt der steuerlichen Über­ legungen bietet sich das Umwandlungs­ steuerrecht an, das auch bei gemein­ nützigen Einrichtungen grundsätzlich anwendbar ist. Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) muss die übernehmende gemeinnützige GmbH die erhaltenen Wirtschaftsgüter i. d. R. zwingend mit dem gemeinen Wert ansetzen. Der dadurch entstehende Gewinn ist jedoch, soweit er den Zweckbetrieb oder die Vermögensverwaltung betrifft, steuer­ begünstigt und führt nicht zu einer Belastung mit Ertragsteuern. Ein Buch­ wert- oder Zwischenwertansatz kommt allenfalls in Betracht, soweit die Wirtschaftsgüter bei der übernehmenden

Gemeinnützigkeitsrechtliche Fragestellungen sind zu beachten Im Fokus der weiteren steuerlichen Überlegungen steht bei kommunalen Krankenhäusern häufig das Gemeinnützigkeitsrecht. Hier sind zunächst die Mittelverwendungsvorschriften zu nennen. Durch den Zusammenschluss bzw. die Umstrukturierung dürfen privatwirtschaftliche Dritte nicht begünstigt werden. Sind an den zu verschmelzenden Krankenhäusern private Unternehmen beteiligt, darf diesen kein fremdunüblicher Vorteil aus dem Zusammenschluss erwachsen. Bei den Verhandlungen ist daher darauf zu achten, dass zwischen den beteiligten Rechtsträgern fremdübliche Konditionen vereinbart werden. Sind ausschließlich gemeinnützige Einrichtungen an dem Vorgang beteiligt, kann die Vorschrift zur Mittelweitergabe des § 58 Nr. 2 Abgabenordnung (AO) die Problematik ggf. entschärfen. Gemeinnützige

Steuerberatung

Einrichtungen müssen ihre Mittel außerdem grundsätzlich zeitnah für satzungsmäßige Zwecke verwenden. Im Rahmen eines Zusammenschlusses muss dies sichergestellt werden. Dabei spielen die Rücklagen gemäß des § 62 AO eine wichtige Rolle, stellen sie doch eine Ausnahme vom Gebot der zeitnahen Mittelverwendung dar und können ggf. den Erwerb von GmbH-Anteilen oder von gepachteten Gebäuden erst gemeinnützigkeitsunschädlich ermöglichen. Außerdem ist auch der Gemeinnützigkeitsstatus der beteiligten Krankenhäuser selbst ein Thema. Die Beteiligten sollten sich sehr genau überlegen, ob die Gemeinnützigkeit der beteiligten Häuser aufgegeben oder beibehalten werden soll. Insbesondere bei Zusammenschlüssen unter der Beteiligung privater Krankenhäuser erlangt diese Frage erhebliche Bedeutung. Schließlich hängt über der Aufgabe der Gemeinnützigkeit meist das Damoklesschwert der zehnjährigen Nachversteuerung. Andererseits ist die Gemeinnützigkeit mit einigen Restriktionen verbunden, sollte ein bislang gewerblich betriebenes Krankenhaus den Gemeinnützigkeitsstatus erlangen wollen. Als wichtigste Einschränkung ist sicherlich das Verbot der Ausschüttung an die Anteilseigner zu nennen. Eine steuerliche Planungsrechnung unter Berücksichtigung der gemeinnützigkeitsrechtlichen Szenarien ist daher notwendig und bietet eine gute Entscheidungshilfe. Weitere Steuerthemen werden häufig übersehen Andere Steuerthemen stehen leider selten im Blickfeld der steuerlichen Überlegungen im Rahmen von Zusammenschlüssen kommunaler Krankenhäuser, können aber nicht minder große Auswirkungen haben. So erweist sich die Grund­

Fazit Bei Zusammenschlüssen kommunaler Krankenhäuser sind die Fragen zur Anwendbarkeit des Umwandlungssteuerrechts und zum Gemeinnützigkeitsstatus zunächst naheliegend. Bei den Planungen darf aber nicht vergessen werden, dass sich durch den Zusammenschluss auch grund-, grunderwerb- und umsatzsteuerliche Probleme ergeben können, die frühzeitig und sorgfältig durchdacht werden müssen. So können unangenehme Überraschungen vermieden und auftauchende Pro­bleme frühzeitig angesprochen werden. Außersteuerliche Themen stehen erfahrungsgemäß bei diesen Projekten im Vordergrund. Erst im Zusammenspiel und in der engen Zusammenarbeit von wirtschaft­ lichen, juristischen und steuerlichen Bereichen auf Mandanten- und Beraterseite ergibt sich die optimale Zielstruktur. Die Planungen können dann auf stabiler steuerlicher Basis weitergeführt und ggf. angepasst werden. Fällt der Satz: „Wir haben da was gekauft“, kann der Steuerberater allenfalls noch Schadenbegrenzung betreiben.

erwerbsteuer manchmal als sog. Deal Killer. Sie kann sich schließlich auch beim Zusammenschluss gemeinnütziger Einrichtungen zu einem erheblichen Kosten­ faktor entwickeln, der den geplanten Zusammenschluss – zumindest in der beabsichtigten Form – für die Beteiligten unattraktiv macht. Verschmelzungsrichtung und -ablauf sind auch hier von entscheidender Bedeutung. Vorsicht ist außerdem bei bestehenden oder beabsichtigten umsatzsteuerlichen Organschaften geboten. Verringert sich die Beteiligung des (bisherigen) Organträgers an der Organgesellschaft im Zuge der Umstrukturierung beispielsweise auf 50 Prozent oder kommt es zu personellen Veränderungen in der Geschäftsführung der Gesellschaften, kann der Fortbestand der umsatzsteuerlichen Organschaft gefährdet sein. Auch die „bloße“ Neuordnung der umsatzsteuer­

lichen Organschaft will durchdacht und praktikabel gestaltet sein. Häufig entsteht bei Zusammenschlüssen ein kleiner (gemeinnütziger) Konzern mit Service- und MVZ-Tochtergesellschaften. Gerade bei solchen Konzernstrukturen kann ein (unbeabsichtigter) Wegfall der umsatzsteuerlichen Organschaft zu einer erheblichen steuerlichen Mehrbelastung führen.

Verfasser Peter Dörrfuß | EY Telefon +49 711 9881 15276 [email protected] Matthias Zembrod | EY Telefon + 49 7731 9970 39 [email protected]

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Rechtsberatung

Erfolg durch eine nachhaltige Compliance-Kultur Verankerung des regeltreuen, nachhaltigen und werteorientierten Handelns in Krankenhäusern

Rechtsberatung

In Deutschland werden jährlich rund 19,3 Millionen Patienten in beinahe 2.000 Krankenhäusern behandelt. Um das Wohl dieser Patienten zu gewährleisten, werden in Deutschland besonders hohe Maßstäbe an die Einhaltung von Gesetzen, Normen und selbst gesetzten Regeln angelegt. „Compliance“ ist daher ein Thema, das bei Krankenhausmanagern nach wie vor ganz oben auf der Agenda steht; die Fragestellungen sind komplex und die möglichen Schadensszenarien überaus bedrohlich. Angesichts einer ständig steigenden Normenflut, verstärkter Ermittlungstätigkeit durch Behörden und einer erhöhten Sensibilität der Öffentlichkeit für Rechtsverletzungen wird das erfolgreiche Management rechtlicher Risiken in Krankenhäusern immer wichtiger. An dieser Stelle sei exemplarisch das am 4. Juni 2016 in Kraft getretene Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen genannt. Die Folgen unzureichender Klärung rechtlicher Rahmenbedingungen könnten den Schutz der ärztlichen Entscheidungs- wie auch Verschreibungsfreiheit vor unzulässiger Beeinflussung durch Zuwendung von Vorteilen gefährden. Die Folgen von Rechtsverstößen sind für die Unternehmen, ihre Führungskräfte und Mitarbeiter nicht nur gravierend, sondern in manchen Fällen sogar existenzbedrohend. Ein weiteres Thema, das die Bedeutung von Compliance mehr und mehr in den Fokus der Führungsetagen deutscher Krankenhausträger rückt, ist der strenge Patientendatenschutz. Die Herausforderung für die Klinikleitungen liegt dabei insbesondere in der Einhaltung aller relevanten Richtlinien. Dennoch dürfen auch die „Opportunitätskosten“, die durch eine nachhaltige und werteorientierte Führung der Einrichtung entstehen, nicht aus den Augen gelassen werden.

Es wird klar: Ein funktionierendes und zukunftsorientiertes Compliance-Management-System (CMS) wird künftig ein zunehmend wichtiger Erfolgsfaktor im Krankenhausumfeld werden. An welcher Stelle sich die Krankenhäuser bei der Entwicklung ihres CMS befinden, wo sie die Schwerpunkte ihrer Compliance-Tätigkeit sehen und ob sie bereits erste Erfol­ge verzeichnen können, zeigt die Studie „Compliance im Krankenhaus 2016“, die in Zusammenarbeit von EY, der Deutschen Krankenhaus Kompass GmbH und der Rhön-Klinikum AG erstellt wurde. Bereits 84 Prozent der befragten Ins­­ti­t­utionen verfügen über ein CMS. In gut der Hälfte der Einrichtungen fällt dieses Thema direkt in den Verantwortungsbereich des Vorstands oder der Geschäftsführung. Die im Rahmen der Studie befragten Führungskräfte deutscher Krankenhäuser gaben nicht nur an, zahlreichen Risiken ausgesetzt zu sein, sondern erklärten auch, dass bereits bei jedem zehnten Verstoß ein Schadensfall eingetreten sei. Die derzeit ein- und umgesetzten Compliance-Maßnahmen sollen insbesondere das mutwillige Fehlverhalten von Mitarbeitern vermeiden.

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Rechtsberatung

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie ein akzeptiertes und wirksames Integritäts- und Compliance-Management (a) entwickelt und (b) nachhaltig organisiert werden kann. Zwei Drittel der Befragten nannten Fortbildungen und Schulungen als die wichtigsten Maßnahmen im Kampf gegen Compliance-Risiken. Knapp 70 Prozent gaben an, dass in ihren Häusern die Compliance-Verantwortlichen systematisch prüfen, ob Compliance-Risiken in bestimmten Bereichen bestehen, und bei Bedarf die dortigen Prozesse ändern.

Die Studie ist in Kürze auf unserer Homepage verfügbar.

Verfasser Dr. Christian Bosse | EY Telefon +49 711 9881 25772 [email protected] Anita K. Kim-Reinartz | EY Telefon +49 211 9352 16812 [email protected]

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Fazit Die Führungsetagen deutscher Krankenhäuser beschäftigen sich intensiv mit Compliance, dabei sind klare Schwerpunkte erkennbar. Die Verankerung eines wirksamen CMS im Unternehmen ist zur Vermeidung finanzieller Schäden und zur vollen Entfaltung der Prä­ ventionswirkung erforderlich. Dabei spielt die Vorbildfunktion der Leitungsorgane eine wesentliche Rolle, denn nur wenn die Unter­ nehmensleitung die Regeln, Verhaltensanforderungen und Werte glaub­würdig verkörpert, kann die Motivation der Unternehmens­ange­hörigen erhöht werden.

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EY Quick Check EY Quick Check

Der pragmatische Ansatz zur Steigerung der Effizienz von Kliniken Leistungsspektrum

Einzugsgebiet & Marktanteil

Kooperationen stat./amb.

Wettbewerb

Patientenzufriedenheit

Strategie

Jahresergebnis

Kapitalausstattung

Liquidität

Personalkosten

Sachkosten

MDKAuffälligkeiten

Finanzen

Arbeitgeberattraktivität

Führung

Tertiärbereiche

Akquisemanagement

IT

Strukturen

Radiologie & Labor

Notaufnahme

Bettenmanagement

Ambulanzen

Intensivkonzept

OPManagement

Digitalisierungsgrad

Prozesse

Produktbeschreibung

Nutzen und Mehrwert

Wofür ist der EY Quick Check konzipiert?

Was sind die Vorteile des EY Quick Check?

• Schnell: zeit- und ressourceneffizientes Analysetool, das konkrete Ergebnisse liefert • Umfassend: Beurteilung der Schlüsselbereiche des Krankenhauses anhand erprobter Kennzahlen • Prioritäten setzend: Fokus auf der schnellen und eindeutigen Identifikation von Unternehmenskrisen und direkten Verbesserungspotenzialen • Endprodukte: • Stärken-und-Schwächen-Übersicht der vier Kerndimensionen Strategie, Finanzen, Strukturen und Prozesse • klare Handlungsempfehlung, die maßgeschneidert die nächsten Schritte aufzeigt

• Hilft Kliniken, die sich in einer negativen wirtschaftlichen Situation befinden • Unterstützt Kliniken bei wesentlichen Zukunftsentscheidungen mit einem Minimum an Kundenaufwand • Zeigt die Richtung zur strategischen Neuausrichtung auf • Bildet die Grundlage für solide Optimierungsprojekte • Identifiziert zielsicher Sofortmaßnahmen • Beantwortet die Frage, ob sich ein umfassendes Optimierungsprogramm auszahlt

• Erprobtes Verfahren, das Transparenz schafft und konkrete Ansatzpunkte für eine nachhaltige Optimierung aufdeckt • Ergebnisse, die auf unserer lang­ jährigen Branchenerfahrung, Benchmark­daten, EY-Trendstudien und Fachwissen (ökonomisch, rechtlich und medizinisch) basieren • Nur geringer Aufwand auf Kundenseite erforderlich, daher keine Störung des laufenden Betriebs • In Abhängigkeit von der Klinikgröße feste Definition von Projektablauf und Zeitplan • Kurze Projektlaufzeit, ca. 4 Wochen, mit überschaubarem Aufwand in Höhe von ca. 10–20 Personentagen unserer Spezialisten

Kontakt Christian Egle | EY Telefon +49 6196 996 21226 [email protected]

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Einsatzbereich

Was ist der EY Quick Check?

| Health Care News Mai 2017

Ansprechpartner

Deutschland

Österreich

Beratung Christian Egle [email protected] Telefon +49 6196 996 21226

Erich Lehner [email protected] Telefon +43 732 790790 1152

Wirtschaftsprüfung Dr. Frank Jungblut [email protected] Telefon +49 711 9881 19517 Steuerberatung Peter Dörrfuß [email protected] Telefon +49 711 9881 15276

Schweiz Andreas Traxler [email protected] Telefon + 41582864193

Transaktions-/ Restrukturierungsberatung Hans Kersel [email protected] Telefon +49 621 4208 14205 Immobilienberatung Fabian Schuster [email protected] Telefon +49 711 9881 21975 Rechtsberatung Dr. Christian Bosse [email protected] Telefon +49 711 9881 25772

Weitere Infos: Besuchen Sie unsere Homepage und erfahren Sie, wie wir unser BranchenKnow-how und unser Netzwerk im Bereich Healthcare für Sie in vollem Umfang einsetzen können. Sie finden uns unter www.de.ey.com/healthcare

EY | Assurance | Tax | Transactions | Advisory Die globale EY-Organisation im Überblick Die globale EY-Organisation ist einer der Marktführer in der Wirtschafts­ prüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung und Managementberatung. Mit unserer Erfahrung, unserem Wissen und unseren Leistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Wirtschaft und die Finanzmärkte. Dafür sind wir bestens gerüstet: mit hervorragend ausgebildeten Mitarbeitern, starken Teams, exzellenten Leistungen und einem sprichwörtlichen Kundenservice. Unser Ziel ist es, Dinge voranzubringen und entscheidend besser zu machen – für unsere Mitarbeiter, unsere Mandanten und die Gesellschaft, in der wir leben. Dafür steht unser weltweiter Anspruch „Building a better working world“. Die globale EY-Organisation besteht aus den Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited (EYG). Jedes EYG-Mitgliedsunternehmen ist rechtlich selbstständig und unabhängig und haftet nicht für das Handeln und Unterlassen der jeweils anderen Mitgliedsunternehmen. Ernst & Young Global Limited ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung nach englischem Recht und erbringt keine Leistungen für Mandanten. Weitere Informationen finden Sie unter www.ey.com. In Deutschland ist EY an 21 Standorten präsent. „EY“ und „wir“ beziehen sich in dieser Publikation auf alle deutschen Mitgliedsunternehmen von Ernst & Young Global Limited. © 2017 Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft All Rights Reserved. GSA Agency HFI 1705-437 ED None Diese Publikation ist lediglich als allgemeine, unverbindliche Information gedacht und kann daher nicht als Ersatz für eine detaillierte Recherche oder eine fachkundige Beratung oder Auskunft dienen. Obwohl sie mit größtmöglicher Sorgfalt erstellt wurde, besteht kein Anspruch auf sachliche Richtigkeit, Vollständigkeit und/oder Aktualität; insbesondere kann diese Publikation nicht den besonderen U ­ mständen des Einzelfalls Rechnung tragen. Eine Verwendung liegt damit in der eigenen Verantwortung des Lesers. Jegliche Haftung seitens der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft und/oder anderer Mitgliedsunternehmen der globalen EY-Organisation wird ausgeschlossen. Bei jedem spezifischen Anliegen sollte ein geeigneter Berater zurate gezogen werden.

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