Tutorium und Haus¨ubung zur Maß- und Integrationstheorie

Tutorium und Haus¨ubung zur Maß- und Integrationstheorie, L ¨osungsskizze Aufgaben T2 (Modifizierte Cantormenge und Cantorfunktion) Es sei α∈]0,1]...

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Tutorium und Hausu osungsskizze ¨ bung zur Maß- und Integrationstheorie, L¨ Aufgaben T2

(Modifizierte Cantormenge und Cantorfunktion) Es sei α ∈]0, 1]. Wir definieren nun rekursiv eine Folge von Mengen Cnα ⊂ [0, 1] welche jeweils aus der α Vereinigung von 2n abgeschlossener disjunkter Intervallen besteht. Es sei C0α = [0, 1]. Cn+1 entsteht a+b a+b α α α aus Cn indem man zu jedem Teilintervall [a, b] aus Cn das offene Intervall ] 2 − 2·3n+1 , 2 + 2·3αn+1 [ α der L¨ange 3n+1 herausnimmt. Z.B ist also       α 1 α 1 α 1 α 1 − , + = 0, − ∪ + ,1 C1 = C0 \ 2 2·3 2 2·3 2 2·3 2 2·3 Die Menge C α :=

T

α n∈N Cn

wird modifizierte Cantormenge genannt.

a) Zeigen Sie, dass C α das Lebesgue-Borel-Maß µ(C α ) = 1 − α hat. b) F¨ ur die Teilaufgaben b), c), d), e) und f ) sei nun α = 1. In diesem Fall nennt man die Menge C := C 1 Cantormenge. Sie, dass sich jedes Element aus C f¨ ur genau eine Folge (an )n ∈ {0, 1}N P∞ Zeigen 2an in der Form n=1 3n schreiben l¨aßt. Benutzen Sie, dass sich jedes x ∈ [0, 1] triadisch darstellen l¨ aßt. D.h. jedes x ∈ [0, 1] l¨ aßt sich durch eine Reihe P bn x= ∞ mit b ∈ {0, 1, 2} darstellen. n n=1 3n

c) Zeigen Sie, dass die Funktion φ : C → [0, 1], aber nicht injektiv ist.

P∞

2an n=1 3n

7→

P∞

an n=1 2n

surjektiv, monoton steigend

Hinweise: (i) Jeder Punkt in [0, 1] hat eine bin¨ are Darstellung. (ii) Sei a, b ∈ C mit a < b in der Darstellung aus b). Betrachten Sie den kleinsten Koefiizienten ak , bk ∈ {0, 1}, so dass bk 6= ak ist. (iii) Berechne φ( 13 ) und φ( 23 ).

d) Zu x ∈ [0, 1] \ C sei α(x) = inf{y ∈ C | (y, x) ⊂ [0, 1] \ C}. Zeigen Sie, dass die sogenannte Cantorfunktion ψ : [0, 1] → [0, 1],  φ(x) falls x ∈ C x 7→ φ(α(x)) falls x ∈ [0, 1] \ C stetig und monoton steigend ist. Aus der Monotonie und der Surjektivit¨ at folgt schon die Stetigkeit.

e) Betrachten Sie nun die stetige Funktion ψ˜ : [0, 1] → [0, 2], x 7→ x + ψ(x). Zeigen Sie ψ˜ ist bijektiv ˜ und es gilt λ(ψ(C)) = 1. Insbesondere ist also das stetige Bild einer Nullmenge nicht zwangsl¨ aufig eine Nullmenge ˜ f) Sei V ⊂ ψ(C) eine nichtmessbare Menge. Zeigen Sie, dass das Urbild von V eine Nullmenge ist. Die stetige Abbildung ψ˜ bildet also Nullmengen auf nichtmessbare ab. g) Nun sei α ∈]0, 1[. Zeigen sie C α ist abgeschlossen und [0, 1] \ C α ist dicht in [0, 1]. h) Beweisen oder widerlegen Sie: Ist M ⊂ R eine offene und dichte Teilmenge in R, dann ist Ihr Komplement R \ M eine Nullmenge bez¨ uglich des Lebesgue-Borel Maßes.

α a) In jedem Iterationsschritt werden von Cnα 2n disjunkte Intervalle der L¨ange 3n+1 entfernt. Daher n−1 α 1 2 α α n α gilt µ(Cn+1 ) = µ(Cn ) − 2 3n+1 . Rekursiv errechnet sich µ(Cn ) = 1 − α( 3 + 9 + · · · + 2 3n ). Mit Hilfe von Lemma 2.4 ergibt sich ∞

α

µ(C ) =

lim µ(Cnα ) n→∞

αX 2 j ( ) =1−α =1− 2 3 j=1

b) Jeder Punkt in [0, 1] l¨asst sich triadisch darstellen. Es ist b31 ein Element von C1 := C11 genau P dann wenn bk ∈ {0, 2}. Induktiv ergibt sich nk=1 3bkk ∈ Cn := Cn1 genau dann wenn bk ∈ {0, 2} P∞ 2an N f¨ ur alle k = 1 . . . n. Also gilt auch n=1 3n ∈ C genau dann wenn (an )n = a ∈ {0, 1} .

2. Tutorium, L¨osungsskizze

2

Verschiedener solcher Reihen ergeben verschiedene Elemente aus C, denn wenn sich P zu2azwei n Folgen a, b ∈ {0, 1}N die Eintr¨age ak , bk zu einem k ∈ N unterscheiden, dann liegt ∞ n=1 3n in P∞ 2bn einem anderen Teilintervall von Ck wie n=1 3n Bemerkung: Inbesondere folgt aus b) dass C u ¨ berabz¨ahlbar ist, da {0, 1}N u ¨ berabz¨ahlbar ist. P∞ an c) Surjektivit¨ at: Zu jedem Element x ∈ [0, 1] gibt es eine bin¨are Darstellung x = n=1 2n , an ∈ {0, 1}. Folglich ist φ surjektiv. Injektivit¨ at: φ ist nicht injektiv, denn zum Beispiel 13 und 2 3 liegen in C aber es gilt ∞





n=2

n=2

n=2

X 1 1 2 X 2 1 2 X 0 2 φ( ) = φ(0 · + )= = = φ( + ) = φ( ). n n n 3 3 3 2 2 3 3 3 P P∞ 2bn 2an Monotonie: Seien nun a, b ∈ C mit a = ∞ n=2 3n < b = n=2 3n ∈ C mit a, b (mit an , bn ∈ {0, 1}). Sei k die kleinste nat¨ urliche Zahl, f¨ ur die ak 6= bk gilt. Es ist ∞ X (bk − ak ) bn − an 1 (bk − ak ) 0
Also muss ak = 0 und bk = 1 gelten. Daher folgt φ(a) =

∞ k−1 ∞ k−1 ∞ X X X X bn an X an 1 bn 1 + ≤ + ≤ + k ≤ = φ(b). n n n n n 2 2 2 2 2 2n 2

k−1 X an n=1

n=k+1

n=1

n=k+1

n=1

n=1

Also ist φ monoton steigend. d) ψ ist auf C monoton steigend und in allen anderen Bereichen lokal konstant. Aus c) folgt daher das ψ monoton stiegend und surjektiv ist. Daraus folgt aber schon die Stetigkeit, denn zu jedem offene Intervall U im Bild [0, 1] ist auch f −1 (U ) ein offenes Intervall . e) ψ˜ ist surjektiv und als Summe einer monotonen und einer streng monotonen Funktion sicher ˜ (a,b) die Identit¨at plus einer Konstanten. Daher injektiv. F¨ ur jedes Intervall (a, b) ∈ [0, 1] \ C ist ψ| ˜ ist λ(ψ([0, 1] \ C)) = λ([0, 1] \ C) = 1 Folglich ist aber ˜ ˜ ˜ λ(ψ(C)) = λ(ψ([0, 1])) − λ(ψ([0, 1] \ C)) = 1 Das Bild einer Nullmenge – unter einer stetigen Funktion – muss also keine Nullmenge sein. ˜ f) Ist V eine nichtmessbare Menge in ψ(C) dann ist ψ˜−1 (V ) ⊂ C und damit Nullmenge. Die Funktion ψ˜ zerst¨ort also sogar Messbarkeit. S g) C α = n∈∞ Cnα ist abz¨ahlbarer Schnitt abgeschlossener Mengen und damit abgeschlossen. Angenommen [0, 1] \ C α w¨are nicht dicht in [0, 1], d.h. es gibt eine offene Menge V ⊂ [0, 1] so dass [0, 1] \ Cα ∩ V = ∅. Insbesondere gibt es dann ein Intervall ]a, b[ in V mit [0, 1] \ C α ∩]a, b[= ∅

(?).



Die Punkte a und b m¨ ussen daher in und damit f¨ ur alle n ∈ N in Cnα liegen. a und b k¨onnen aber nicht f¨ ur alle n ∈ N in der gleichen Zusammenhangskomponente von Cn sein, weil die L¨ange dieser Komponenten (also α/3n+1 ) gegen Null konvergiert. Also gibt es zwischen a und b einen Punkt x ∈ [0, 1] \ C α was (?) wiederspricht. h) Die Aussage ist falsch. Aus Teilaufgabe g) folgt ja, dass [0, 1] \ C α offen und dicht in [0, 1] ist. Also l¨aßt sich sogar zu jeder Zahl β ∈ [0, ∞] eine offen und dichte Menge der Bauart N :=]∞, 0[ ∪ ([0, 1] \ C α ) ∪ . . . ∪ ([k, k + 1] \ (k + C α )) ∪ ]k + 1, ∞[ mit Maß µ(N ) = β erzeugen.

Aufgaben

2. Tutorium, L¨osungsskizze H3

3

(Messbare Mengen) Es seien (X, S, µ) ein Maßraum und f, g : X → R messbar. Zeigen Sie: dass die Mengen {x ∈ X : f (x) = g(x)} und {x ∈ X : f (x) ≥ g(x)} messbar sind.

Die Abbildung f − g ist messbar. Also sind die Urbilder (f − g)−1 ({0}) = {x ∈ X : f (x) = g(x)} und (f − g)−1 ([0, ∞[) = {x ∈ X : f (x) ≥ g(x)} messbar.

H4

(Lebesgue Integration)

a) Sei Rf : Rn → R+ meßbar und die Menge M := {x ∈ Rn : f (x) 6= 0} keine Nullmenge. Zeigen 1 Sie Rn f dµ > 0. Hinweis: Betrachten Sie die Mengen M0 := {x ∈ Rn : f (x) ≥ 1}, Mn := {x ∈ Rn : n+1 ≤ f (x) <

1 }. n

b) Seien f, g : Rn → R+ Lebesgue-integrierbare Funktionen und α ≤ g ≤ β mit 0 ≤ α < β reell. R R dann gibt es eine Zahl γ ∈ [α, β] mit Rn f g dµ = γ Rn f dµ.

1 a) Wie im Hinweis setzten wir: M0 := {x ∈SRn : f (x) ≥ 1} und Mn := {x ∈ Rn : n+1 ≤ f (x) < n1 }. ∞ Beachte das alle Mn disjunkt sind und n=0 Mn = M ist. Da µ(M ) > 0 gibt es ein n ˜ ∈ N0 , so 1 dass µ(Mn˜ ) > 0. Definiere r0 = 1, rn := n+1 f¨ ur n ∈ N. Sei nun s = rn˜ · 1Mn˜ + 0 · 1Rn \Mn˜ . Dann ist s eine nichtnegative Stufenfunktion mit 0 ≤ s ≤ f . Es gilt Z Z 0 < rn˜ µ(Mn˜ ) = s dµ ≤ f dµ Rn

Rn

R R R R b) F¨ ur alle x ∈ Rn ist αf (x) ≤ Rf (x)g(x) ≤ βf (x) und damit α f = αf ≤ f g ≤ βf = β f. R R Die Funktion h : [α, β] → [α f, β f ], γ → 7 γ f ist stetig. Nach dem Zwischenwertsatz folgt R R daher f g dµ = γ f dµ f¨ ur ein geeignetes γ ∈ [α, β]. H5

(Die Tschebyscheff ’sche1 Ungleichung) Sei f : X → R eine integrierbare Funktion. Zeigen Sie: a) F¨ ur c > 0 gilt die Tschebyscheff’sche Ungleichung 1 µ({x ∈ X : |f (x)| ≥ c}) ≤ c

Z |f |dµ. X

b) Es gilt µ({x ∈ X : |f (x)| = ∞}) = 0. R c) Aus X |f |dµ = 0 folgt µ({x ∈ X : f (x) 6= 0}) = 0

a) F¨ ur x ∈ A := {x ∈ X : |f (x)| ≥ c} gilt 1 ≤ 1c |f (x)| und damit Z Z 1 µ(A) = 1A dµ ≤ |f |dµ. c X X 1

benannt nach dem russischen Mathematiker Pafnuty Lvovivh Tschebyscheff (1821-1894). In der nichtrussischen Literatur haben sich diverse Schreibweisen eingeb¨ urgert. Die Schreibweise Tschebyscheff findet man meistens (aber nicht immer) in der deutschsprachigen Literatur, w¨ ahrend Tchebychev im franz¨ osischen das u ¨bliche zu seien scheint. In neueren englischsprachigen Texten wird die ”offizielle” Bezeichnung der AMS (American Math Society) Chebyshev benutzt.

2. Tutorium, L¨osungsskizze

4

b) Mit Teilaufgabe a) und Lemma 2.4.d ergibt sich µ({x ∈ X : |f (x)| = ∞}) = µ(

∞ \

1 n→∞ n

Z

{|f | ≥ n}) = lim µ({|f | ≥ n}) ≤ lim n→∞

n=0

|f |dµ = 0. X

c) Ebenso folgt aus a) und Lemma 2.4.c: µ({x ∈ X : f (x) 6= 0}) = µ(

∞ [

{|f | ≥

n=0

H6

1 1 }) = lim µ({|f | ≥ }) ≤ lim n n→∞ n→∞ n n

Z |f |dµ = 0 X

(Integrierbarkeit bezg. anderer Maße) Betrachen Sie den Maßraum (N, P(N), ξ) mit dem Z¨ahlmaß ξ (vgl. 2.3.c). Jede Funktion f : N → R kann via f 7→ (f (1), f (2), . . . ) mit einer Folge reeller Zahlen identifiziert werden. Welche Zahlenfolgen entsprechen den a) meßbaren Funktionen f : N → R? R b) nichtnegativen Stufenfunktionen s : N → R mit N sdξ < ∞? R c) nichtnegativen Funktionen f : N → R mit N f dξ < ∞? d) integrierbaren Funktionen f : N → R?

a) Jede Funktionen f : N → R ist (bez¨ uglich des angegebenen Messraumes) messbar, da S = P(N). D.h. RN entspricht den messbaren Funktionen. R P b) Die Folge (s(1), s(2), . . . ) kann nur endlich viele Werte Annehmen. Wegen N sdξ = n∈N s(n) < ∞ m¨ ussen alle bis auf endlich viele Null sein. R P c) F¨ ur nichtnegativen Funktionen gilt N f dξ = n∈N f (n), denn f¨ ur jede Stufenfunktion 0 ≤ s ≤ f R P P Pk ist N sdξ = n∈N s(n) ≤ n∈N f (n) und sn := n=1 f (n)1{n} ist eine Stufenfunktion mit Z X lim sn dξ = f (n). n→∞ N

Also ist

R

N f dξ

< ∞ genau dann wenn die Folge

n∈N

P

n∈N f (n)

konvergiert.

d) Sowohl die Teilfolge mit positiven Werten wie die mit negativen Werten muss konvergieren. D.h P 1 n∈N |f (n)| < ∞. Integrierbare Funktionen entsprechen also genau dem Vektorraum l (N).

2. Tutorium, L¨osungsskizze

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Matheball

Freitag, 17. Juni 2005 20:00 Uhr

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Hinweis: Julian Wiedl ist in Zukunft auch im Raum 350 anzutreffen