Übersicht zum Individualarbeitsrecht

Individualarbeitsrecht, Seite 2 Selbstständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Individual...

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Übersicht zum Individualarbeitsrecht Die nachfolgende Übersicht (Stand: Okt. 2008) soll einen Überblick geben über die wichtigsten Definitionen, Begriffe und gesetzlichen Regeln zu Lern- und Veranschaulichungszwecken.

1. Grundbegriffe und Besonderheiten des Arbeitsrechts 1.1. Definitionen Arbeitsrecht ist das Recht der abhängigen Arbeit, d.h. der Arbeit, die jemand auf ➔ privatrechtlicher Grundlage ➔ für einen anderen in einem ➔ persönlichen Abhängigkeitsverhältnis erbringt. Sie ist ➔ ➔ ➔

fremdgeplant fremdnützig von fremder Risikobereitschaft getragen.

Arbeitnehmer ist, wer aufgrund privatrechtlicher Grundlage von einem anderen gegen die Zusage einer Gegenleistung beschäftigt wird und zu diesem in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht; Arbeitgeber ist, wer mindestens einen AN in abhängiger Stellung beschäftigt. Die Abgrenzung des Arbeitnehmers vom Selbstständigen bereitet immer wieder Probleme. Das Bundesarbeitsgericht definiert das Abhängigkeitsverhältnis nach folgenden Kriterien: ▶ ▶ ▶ ▶ ▶

persönlich und fachlich weisungsgebunden zeitliche und örtliche Bindung (keine eigene Gestaltungsmöglichkeit) Eingliederung in den Betriebsablauf Weisungsgebundenheit kein unternehmerisches Risiko.

Auf die im Vertrag gewählte Bezeichnung kommt es jedoch nicht an, sondern auf den Inhalt des Vertrages. Das Sozialrecht (entscheidend für die Frage der Sozialversicherungspflicht) geht von den Begriff des Beschäftigungsverhältnisses aus. Probleme bereitet hier immer wieder die so genannte Scheinselbstständigkeit: Wenn Unklarheit besteht, kann sowohl eine Entscheidung in der zuständigen Krankenkasse als auch eine Entscheidung in der Bundesversicherungsanstalt für Angestellten beantragt werden, den Status des Erwerbstätigen feststellen zu lassen.

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Selbstständig ist, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. ➔ Individualarbeitsrecht regelt die Rechtsbeziehungen zwischen einzelnen AG und AN (Arbeitsvertrag, Arbeitsschutz), ➔ kollektives Arbeitsrecht regelt die Rechtsbeziehungen der Arbeitsverbände in Beruf und Betrieb, ihrer Verträge sowie ihrer Kämpfe (Tarifvertrag, Arbeitskampf, Mitbestimmung, Koalitionsrecht). Arbeiter - vorwiegend körperliche Arbeit (z. B. Zahntechniker/in) Angestellte - vorwiegend geistige Arbeit (z. B: Texterfasser/in) Die Unterscheidung ist fragwürdig geworden durch mehrere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes (unterschiedliche Kündigungsfristen, Nachtarbeitsverbot für Arbeiterinnen) und auch des Gesetzgebers (Gruppenvertretung im Betriebsrat, ist nach der Novellierung des BetrVG ebenfalls weggefallen). Zuletzt noch wichtig gewesen für die Rentenversicherung - auch hier werden die letzten Unterschiede beseitigt. Leitende Angestellte - kein einheitlicher Begriff; häufig: wer selbstständig einstellen und entlassen darf, im Zweifel: wer 3x soviel wie der Durchschnitt aller Arbeitnehmer verdient. Einzelheiten vgl. § 5 III BetrVG. Besonderheiten leitender Angestellter: • kein aktives oder passives Wahlrecht zum Betriebsrat, • eigene Gruppe im Aufsichtsrat, • keine Ansprüche aus Sozialplan, • erhöhte Loyalitätspflicht, • selbst korrektes Verhalten kann im Konflikt zur Kündigung führen.

1.2. Aufbau der innerstaatlichen Quellen des Arbeitsrechts 1. GG 2. Gesetze 3. Verordnungen 4. T a r i f v e r t r ä g e 5. Betriebsvereinbarungen 6. Individuelle Arbeitsverträge 7. Anordnungen des Arbeitgebers 1- 3 = Staatliche Rechtsquellen 4. - 5 = kollektive Rechtsquellen 6. - 7 = individuelle Rechtsquellen Zwischen Gesetz und Arbeitsvertrag treten Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen (Gesamtvereinbarungen). Diese sind zwar keine Gesetze, sie wirken aber so (normativ). Außerdem gibt es inter- und supranationale Rechtsquellen mit arbeitsrechtlichem Inhalt z.B. auf EU-Ebene (Normen des EG - Vertrages selbst, Verordnungen sowie Richtlinien der EU) sowie auf internationaler Ebene, z.B. Abkommen der internationalen Arbeitsorganisation sowie die Europäische Sozialcharta des Europarates.

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1.3. Die Gesetze des Arbeitsrechts 1. Grundgesetz Im Grundgesetz sind insbesondere die Grundrechte bedeutsam. Einige wirken unmittelbar, so z.B. die freie Berufswahl und die Koalitionsfreiheit, einige wirken, da sie eigentlich Schutzrechte des Bürgers gegenüber dem Staat sind, nur mittelbar, z.B. Meinungsfreiheit, Gewissensfreiheit etc. Diese Grundrechte werden bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen (z.B. Ausübung des Weisungsrechts nach "billigem Ermessen", § 315 BGB) herangezogen. Beispiel Meinungsfreiheit: BAG: Der Betrieb ist eine Stätte sozialer Kommunikation, deshalb gilt das Grundrecht der Meinungsfreiheit im Betrieb. Allerdings darf die Meinungsäußerung nicht provozierend erfolgen. Sonst wird der Betriebsfrieden gestört. Zuständigkeit für das Arbeitsrecht Das Arbeitsrecht gehört zur konkurrierenden Gesetzgebung des Bundes, Art 74 Nr. 12 GG. Der Bund hat das Recht, diese Materie zu regeln. Tut er es, so werden die Länder unzuständig. Der Bund hat von diesem Gesetzgebungsrecht in weitem Umfang Gebrauch gemacht. Daher gelten die Gesetze des Arbeitsrechts bundeseinheitlich. Für die Länder bleibt nur wenig Raum, z.B. beim Bildungsurlaub.

1.3.2. Gesetze Es gibt in Deutschland kein einheitliches Arbeitsgesetzbuch, sondern eine Vielzahl von einzelnen Gesetzen, die ganz oder zum Teil arbeitsrechtliche Regeln enthalten! a) allgemeine (BGB, HGB, GewO) Gesetze, die neben anderen auch arbeitsrechtliche Regelungen enthalten. Hier sind insbesondere die allgemeinen Vorschriften des BGB wichtig, die für alle Rechtsgeschäfte gelten, z.B. über Volljährigkeit, Abgabe von Willenserklärungen, Zustandekommen von Verträgen, Vertretung, Fristen, Verjährung, Gesetzes- oder Sittenwidrigkeit von Verträgen sowie die §§ 611 - 630 BGB, die sich direkt mit dem Dienstvertrag beschäftigen. b) Spezielle arbeitsrechtliche Gesetze zum Schutz der Arbeitnehmer bzw. bestimmter besonders schutzwürdiger Gruppen, zur Regelung der Beteiligung der Arbeitnehmer an Entscheidungsprozessen oder zu einzelnen kollektiv-arbeitsrechtlichen Gebieten wie dem Tarifvertragsrecht (AZG, MuSchG, JArbSchG, BetrVG, TVG usw.)

1.4. Weitere Besonderheiten des Arbeitsrechts 1.4.1. Besondere Bedeutung des Richterrechts Viele Arbeitsgesetze enthalten "unbestimmte Rechtsbegriffe", der Volksmund sagt "Gummiparagraphen", z.B. Bestimmung des Weisungsrechts nach "billigem Ermessen", "sozial ungerechtfertigte Kündigung", "Unzumutbarkeit der Fortsetzung eines Arbeitsverhältnisses” usw. Diese Begriffe müssen vom Richter - in letzter Instanz vom Bundesarbeitsgericht (BAG) - konkretisiert werden. Andere Bereiche, z.B. das Arbeitskampfrecht oder auch das Recht der Arbeitnehmerhaftung, sind gesetzlich nur lückenhaft oder überhaupt nicht geregelt. Hier hat das BAG - und auch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) - in jahrzehntelanger Rechtsprechung ein differenziertes System entwickelt, das in vielen Bereichen mindestens so konkret ist wie manches Gesetz.

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1.4.2. Rangprinzip: Wenn eine Norm gegen eine höherrangige verstößt, (Arbeitsvertrag: 20 Werktage Urlaub; Bundesurlaubsgesetz: 24 Werktage Urlaub) geht die höherrangige vor. Dies ist ein Grundsatz, der in unserer Rechtsordnung allgemein gilt. Im Arbeitsrecht gilt jedoch hiervon eine wichtige Ausnahme: Das Günstigkeitsprinzip. Enthält die niedere Norm für den Arbeitnehmer günstigere Rechtsfolgen (Bundesurlaubsgesetz 24 Werktage Urlaub, Tarifvertrag 30 Arbeitstage), dann gilt die niedere. 1.4.3. Fürsorgepflicht, vgl. § 75 II BetrVG Der Arbeitsvertrag ist ein privatrechtlicher gegenseitiger Vertrag, durch den sich der AN zur Leistung von Arbeit, der AG zur Zahlung einer Vergütung verpflichtet. Neben diesen Hauptpflichten bestehen Nebenpflichten, Schutz- Sorgfalts- und Auskunftspflichten und eben auch die Pflicht, die Interessen des AN zu wahren, wie dies unter Berücksichtigung der Interessen des Betriebes und der anderen AN nach Treu und Glauben verlangt werden kann (Schutz für Leben, Gesundheit, eingebrachte Sachen). 1.4.4. Direktionsrecht ( = Weisungsrecht ) Während der Inhalt z.B. eines Kaufvertrages (Kaufgegenstand, Kaufpreis) die Pflichten der Parteien exakt beschreibt, ist die Arbeitspflicht des AN nur mehr oder weniger allgemein im Vertrag niedergelegt. Was der einzelne AN an seinem Arbeitstag zu tun hat, wird vom Arbeitgeber nach "billigem Ermessen" (vgl. § 106 GewO) festgelegt. Dies ermöglicht es dem AG, Art, Zeit und Ort der Arbeitsleistung festzulegen. Um das Direktionsrecht nicht unnötig einzuschränken, ist daher eine Festlegung z.B. des Arbeitsortes im Arbeitsvertrag nicht sinnvoll, da sodann ein vertraglicher Anspruch besteht und eine Versetzung nur über eine Änderungskündigung möglich wäre. Bei Ausübung des Weisungsrechtes müssen die Interessen beider Parteien und das in vergleichbaren Fällen Übliche berücksichtigt werden. Grenzen: Rechtsvorschriften aller Art und z.B. vermeidbarer Gewissenskonflikt (Exportsachbearbeiterin mit Verwandten in Israel weigert sich, Aufträge in den Irak auszuführen. Arbeitsgericht Köln: berechtigt). Die Hauptleistungspflichten (Zahlung, Arbeitspflicht) unterliegen nicht dem Weisungsrecht. 1.4.5. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz Bereits vor Erlass des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes war es dem Arbeitgeber verboten, Arbeitnehmer aus sachfremden Erwägungen gegenüber einer vergleichbaren Gruppe schlechter zu stellen. Die "Sachwidrigkeit" richtete sich nach den sozialen Anschauungen der jeweiligen Zeit. So war und ist eine Differenzierung nach Leistung zulässig, eine nach Geschlecht nicht. Zum AGG vgl. unten, Nebenpflichten des Arbeitgebers

2. Beginn, Arten von Arbeitsverhältnissen, Rechte und Pflichten 2.1. Beginn des Arbeitsverhältnisses 2.1.1. Vertragsschluss, Einstellung Stellenbesetzung: ▶ innerbetriebliche Ausschreibung (kann vom Betriebsrat erzwungen werden) ▶ Medien aller Art ▶ Arbeitsagentur

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▶ Personal-Service-Agenturen, § 37 c SGB III (Arbeitnehmerüberlassung durch die Arbeitsagentur) ▶ private Arbeitsvermittler Einstellungsgespräch: Zulässig sind nur arbeitsplatzbezogene Fragen, an deren Beantwortung der Arbeitgeber ein "berechtigtes Interesse" hat. Kein Fragerecht besteht daher bei Fragen, die die Privatsphäre berühren, das Freizeitverhalten betreffen oder die diskriminierungsverdächtig sind. zul äs s i g

unzul äs s i g

bisherige Arbeitstätigkeit Familienstand Kinder Wettbewerbsverbot Berufs-, Erwerbsunfähigkeit

Kr a nk he i te n arbeitsplatzrelevante chronische, sofern von Bedeutung AIDS-Erkrankung, da mit Ausfallzeiten zu rechnen V or s tra fe n Arbeitsplatzrelevante, z. B. Kassierer: Vermögensdelikte Erzieher: Sexualdelikte Re c hts fol ge n be i unw a hr e r

 Anfechtung wg. arglist. Täuschung

Gewerkschaftszugehörigkeit Konfession Parteizugehörigkeit Vermögensverhältnisse, Pfändungen Heiratsabsichten Änderung des Geschlechtes Schwangerschaft (neuerdings sogar bei einem Beschäftigungsverbot für Schw.) bisherige Vergütung (umstr.) Schwerbehinderteneigenschaft (seit § 81 SGB IX nicht mehr umstritten!) überwundene HIV-Infektion, außer bei erhöhter Infektionsgefahr für Dritte arbeitsplatz”ferne”, z. B. Kassierer: Sexualdelikte Erzieher: Vermögensdelikte Be a ntw or tung

 “Recht zur Lüge”, keine Anfechtung

u. U. Anfechtung wg. Irrtum in der Person Schadensersatz

Diese Tabelle ist jedoch nicht schematisch anzuwenden! Ausnahmen werden zugelassen z.B., sofern der Arbeitsaufnahme ein Hindernis im Weg steht, z.B. Alkoholabhängigkeit, wenn mit dem Beruf unvereinbar oder eine demnächst zu verbüßende Freiheitsstrafe oder längere Arbeitsunfähigkeit zum vorgesehenen Dienstbeginn. Weitere Ausnahmen bei sog. Tendenzbetrieben (Kirchen, Parteien, Medienbetriebe usw.). Hier darf nach der jeweiligen ideologischen Ausrichtung gefragt werden. Hier gilt auch keine Mitbestimmung (§§ 118 BetrVG, 1 MitbestG). Erkundigungen beim bisherigen Arbeitgeber sind ebenfalls zulässig. Rechtsfolgen bei wahrheitswidriger Beantwortung: • •

bei zulässigen Fragen: Anfechtung des Arbeitsvertrages wegen arglistiger Täuschung; allerdings lässt erheblicher Zeitablauf den Anfechtungsgrund "verblassen". bei unzulässigen Fragen: "Recht auf Lüge" - keine Anfechtung, kein Schadensersatz.

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Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Einstellung Der AG hat den BR vor jeder Einstellung (auch Ein-, Umgruppierung, Versetzung) zu unterrichten und ihm Auskunft unter Vorlage der Bewerbungsunterlagen zu erteilen. Der BR kann in bestimmten Fällen seine Zustimmung verweigern, z.B. wenn eine innerbetriebliche Ausschreibung unterblieben ist oder wenn die Gefahr besteht, dass durch die Neueinstellung im Betrieb beschäftige AN gekündigt werden. Liegt keiner der Gründe des § 99 II BetrVG vor, kann der BR die Zustimmung nicht verweigern. Notfalls entscheidet das Arbeitsgericht. Muss ein Arbeitsvertrag schriftlich abgeschlossen werden? Eigentlich nicht, für den Arbeitsvertrag gilt sog. Formfreiheit. Selbst wenn der Tarifvertrag Schriftform verlangt, wird dies in den meisten Fällen so ausgelegt, dass auch der mündlich geschlossene Arbeitsvertrag gültig ist und nur ein Anspruch auf schriftliche Niederlegung besteht. Stichworte: Konstitutiver oder deklaratorischer Schriftformzwang. Allerdings schon bisher für Ausbildungsverträge und seit 1995 für alle ArbeitsVe nach dem Nachweisgesetz: Der Inhalt des Arbeitsvertrages muss vom Arbeitgeber schriftlich niedergelegt und den Arbeitnehmer unterschrieben ausgehändigt werden. Wichtiger Unterschied: Nicht der Abschluss des Vertrages unterliegt der Schriftform. Die Pflicht, den Inhalt des Vertrages schriftlich niederzulegen, setzt voraus, dass er schon abgeschlossen ist, also nach wie vor mündlich abgeschlossen werden kann. Verträge sind also auch mündlich geschlossen wirksam (= bindend).

2.1.2. Arten von Arbeitsverhältnissen Zeitliche Gliederung: Unbefristet

befristet

Teilzeit

Lebenszeit

Abruf

Sachliche Gliederung: Ausbildungsvertrag

Probe Aushilfsarbeitsvertrag Leiharbeit Nebenbeschäftigung

2.1.2.1. Der Normalfall des Arbeitsverhältnisses ist das unbefristete. Es endet üblicherweise durch Kündigung, Aufhebungsvertrag oder Tod des Arbeitnehmers.

2.1.2.2. Das befristete Arbeitsverhältnis Es ist grundsätzlich zulässig, vgl. § 620 BGB. Zulässig auch bei Schwangeren und Schwerbehinderten, bei Auszubildenden sogar vorgeschrieben. Befristete Arbeitsverhältnisse werden von Gesetzgeber und Rechtsprechung skeptisch beurteilt, da mit ihnen der Kündigungsschutz umgangen wird. Seit jeher verlangt die Rechtsprechung für den Abschluss eines befristeten Arbeitsverhältnisses einen sachlichen Grund. Durch die gesetzliche Regelung des befristeten Arbeitsverhältnisses im Teilzeit- und Befristungsgesetz ist dies seit 2001 auch gesetzlich vorgesehen. Das befristete Arbeitsverhältnis endet durch Zeitablauf. Soll es auch ordentlich kündbar sein, muss dies ausdrücklich vereinbart werden. Die außerordentliche (fristlose) Kündigung ist stets möglich, sofern der hierfür erforderliche wichtiger Grund vorliegt.

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2.1.2.2.1. zweckbefristete Arbeitsverhältnisse Ein sachlicher Grund liegt insbesondere vor, wenn • der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht, • die Befristung im Anschluss an eine Ausbildung oder ein Studium erfolgt, um den Übergang des Arbeitnehmers in eine Anschlussbeschäftigung zu erleichtern, • der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird, • die Eigenart der Arbeitsleistung die Befristung rechtfertigt, • die Befristung zur Erprobung erfolgt, • in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe die Befristung rechtfertigen, • der Arbeitnehmer aus Haushaltsmitteln vergütet wird, die haushaltsrechtlich für eine befristete Beschäftigung bestimmt sind, und er entsprechend beschäftigt wird oder • die Befristung auf einem gerichtlichen Vergleich beruht.

2.1.2.2.2. Befristung ohne sachlichen Grund ist die Befristung eines Arbeitsvertrages nur noch bei einer Neueinstellung zulässig, also nicht mehr, wenn mit dem selben Arbeitgeber schon einmal ein unbefristetes oder ein befristetes Arbeitsverhältnis bestanden hat. So genannte Kettenarbeitsverträge sind daher nicht mehr so leicht wie früher möglich. Allerdings kann ein befristeter Arbeitsvertrag nach wie vor drei Mal verlängert werden, bis insgesamt eine Dauer von zwei Jahren erreicht ist. Abweichungen im Tarifvertrag sind möglich. Sofern ein Tarifvertrag nicht gilt, kann auch im Arbeitsvertrag die Geltung der tariflichen Regeln vereinbart werden. Existenzgründer können in den ersten vier Jahren nach Unternehmensgründung sachgrundlos befristete Arbeitsverhältnisse bis zu vier Jahren abschließen. Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses: ➔ Zeitablauf ➔ Zweckerreichung (muss mindestens zwei Wochen vorher angekündigt worden sein) ➔ Ordentliche Kündigung, allerdings nur, sofern ausdrücklich vereinbart ➔ außerordentliche Kündigung bei wichtigem Grund ➔ Lebenszeitvertrag oder bei Verträgen mit Befristungen fünf Jahren:

über

Kündigung durch AN frühestens nach fünf Jahren mit sechs Monaten Frist Für alle befristeten Arbeitsverträge gilt: Die Befristung muss schriftlich vereinbart werden. Sofern der Arbeitnehmer die Befristung für unwirksam hält, muss er spätestens drei Wochen nach dem vereinbarten Ende Klage beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht haben. Diese Regeln gelten entsprechend beim Eintritt einer auflösenden Bedingung. Hier tritt die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Eintritt eines zukünftigen Ereignisses ein. Auflösende Bedingungen werden wegen der hiermit verbundenen Unsicherheit von der Rechtsprechung nur ausnahmsweise als zulässig anerkannt, zum Beispiel zur Beilegung

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eines Kündigungsrechtsstreites oder vorbehaltlich der Verweigerung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung. Auch die Beendigung bei Eintritt in das gesetzliche Rentenalter kann wirksam vereinbart werden. Als unwirksam sind sie angesehen worden insbesondere bei bestimmten Arbeitspflichtverletzungen (Alkoholmissbrauch, unpünktliche Rückkehr aus dem Urlaub usw.). Hier gilt, dass - ähnlich wie bei der Befristung - auch für die Vereinbarung einer auflösenden Bedingung ein sachlicher Grund vorhanden sein muss.

2.1.2.3.Teilzeitarbeit ►

Formen der Teilzeitarbeit: einfache Teilzeit

Jobsharing

Abrufarbeit

Turnusarbeit

Altersteilzeit

Definition: ein Arbeitnehmer, dessen regelmäßige Wochenarbeitszeit kürzer ist als die eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers. Betroffen sind ca. 10% der Arbeitsverhältnisse, davon 96 % Frauen. Der vergleichbare vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer ist auf Grund des anwendbaren Tarifvertrages zu bestimmen; in allen anderen Fällen ist darauf abzustellen, wer im jeweiligen Wirtschaftszweig üblicherweise als vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer anzusehen ist. Ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer darf wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, dass sachliche Gründe eine unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht. Der Arbeitgeber hat einen Arbeitsplatz, den er öffentlich oder innerhalb des Betriebes ausschreibt, auch als Teilzeitarbeitsplatz auszuschreiben, wenn sich der Arbeitsplatz hierfür eignet. Der Arbeitnehmer hat einen



Anspruch auf die Verkürzung seiner Arbeitszeit.

Voraussetzungen:

• • • • • • • •

Das Arbeitsverhältnis muss länger als sechs Monate bestehen. Der Arbeitnehmer muss die gewünschte Verringerung drei Monate zuvor geltend machen. Der Arbeitgeber muss mit dem Arbeitnehmer die gewünschte Veränderung erörtern und einen Monat vor dem geplanten Beginn zustimmen, soweit nicht betriebliche Gründe entgegenstehen. Dies sind insbesondere: organisatorische Probleme Arbeitsablaufstörungen unverhältnismäßig hohe Kosten Die betrieblichen Gründe können auch tariflich anderweitig definiert werden.

Lehnt der Arbeitgeber die Verkürzung der Arbeitszeit nicht aus den vorgenannten Gründen ab, gilt die Verteilung der Arbeitszeit entsprechend den Wünschen des Arbeitnehmers als

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vereinbart. Eine erneute Verringerung der Arbeitszeit kann frühestens nach zwei Jahren verlangt werden. Dieser Anspruch besteht nicht in Betrieben mit bis zu 15 Arbeitnehmern (Kleinbetriebsklausel). Die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses auf Grund der Weigerung, des AN, einer Veränderung der Arbeitszeit zuzustimmen, ist unzulässig.

Sonderformen der Teilzeitarbeit: ►

Abrufarbeit

Nach der gesetzlichen Definition (§ 12 TzBfG) ist dies die Erbringung der Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall (also bedarfsorientiert). Die Vereinbarung muss die Wochenarbeitszeit festlegen, sonst gilt eine Arbeitszeit von 10 Stunden wöchentlich vereinbart. Die Arbeitseinheiten müssen mindestens drei Stunden lang sein. Der Arbeitgeber muss den gewünschten Einsatz 4 Tage im voraus ankündigen. Tarifvertrag kann abweichen.



Arbeitsplatzteilung

Wenn sich mehrere Arbeitnehmer einen Arbeitsplatz teilen, ist der eine zur Vertretung des anderen bei Verhinderung verpflichtet, soweit eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit eingeschränkt.



Turnusarbeit

wie zuvor, jedoch wechseln sich Gruppen von Arbeitnehmern in festgelegten Zeitabschnitten ab.



Altersteilzeit

Die Regelaltersrente liegt derzeit bei Vollendung des 65. Lebensjahres, sofern eine Wartezeit von 35 Jahren erfüllt ist, bei Vollendung des 62. Lebensjahres. Ein Arbeitsverhältnis darf nicht mit der Begründung gekündigt werden, der Arbeitnehmer habe Anspruch auf Altersrente, § 41I 1 SGB VI. Zweck des Altersteilzeitgesetzes ist der gleitende Übergang von der Berufstätigkeit in die Altersrente. Möglich ab 55 Jahren; Reduzierung der Arbeitszeit auf die Hälfte; der Arbeitgeber stockt das Gehalt um 20% auf und erhält diesen Betrag von der Bundesanstalt für Arbeit erstattet. Aber: Die Förderung läuft Ende 2009 aus!

2.1.2.4. Probearbeitsverhältnis Anerkannt als sachlicher Grund für ein befristetes Arbeitsverhältnis. Gesetzlich vorgeschrieben nur im Berufsbildungsgesetz. Eine Probezeit kann entweder im unbefristeten Vertrag vorgesehen werden oder aber es wird ein befristetes Arbeitsverhältnis zur Probe abgeschlossen. Ein solches Probearbeitsverhältnis darf im Normalfall nicht für einen längeren Zeitraum als sechs Monate abgeschlossen werden; Ausnahmen, wenn die Beurteilung nach sechs Monaten nicht möglich ist. Möglich ist auch, die Probezeit als Mindestvertragszeit zu vereinbaren.

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2.1.2.5. Aushilfsarbeitsverhältnis Bei einer Laufzeit von bis zu der 3 Monaten sind kürzeste Kündigungsfristen möglich. Bei einem Arbeitsverhältnis mit einer Laufzeit von weniger als einem Monat entsteht kein Urlaubsanspruch und kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung.

2.1.2.6. Nebenbeschäftigung Die Nebenbeschäftigung ist eine zusätzliche Tätigkeit außerhalb des Hauptarbeitsverhältnisses. Ein generelles Verbot wäre als Verstoß gegen das Grundrecht der Berufsfreiheit nichtig. Eine Genehmigung ist nur erforderlich, wenn er das Hauptarbeitsverhältnisses beeinträchtigt werden kann. Bei Geringverdienern immer zulässig. Die Grenzen der Zulässigkeit: • Beeinträchtigung der Haupttätigkeit • Gesetzesverstoß, insbesondere Vorschriften über die Höchstarbeitszeit • Wettbewerbstätigkeit gegenüber dem Arbeitgeber des Hauptarbeitsverhältnisses

2.1.2.7. Leiharbeit Zwei Arten werden unterschieden: ► Zum einen das so genannte echte Leiharbeitsverhältnis, das vorübergehende, gelegentliche Ausleihen zum Beispiel innerhalb einer Branche zur Vermeidung von Entlassungen. Hier haftet der Verleiher nicht für die ordnungsgemäße Dienstleistung, sondern nur für die Auswahl des Arbeitnehmers. ► Zum anderen gibt es das gewerbsmäßige Ausleihen nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Der Verleiher benötigt eine staatliche Erlaubnis, die zunächst für ein Jahr befristet erteilt wird. Der Inhalt des Arbeitsverhältnisses mit dem Leiharbeiter muss schriftlich festgehalten werden. Für den Verleihvertrag besteht ein echtes Schriftform-Erfordernis. Unzulässig sind z. B. Arbeits- und Verleihverträge ohne Erlaubnis, eine Vereinbarung, nach der der Entleiher den Arbeitnehmer zu einem späteren Zeitpunkt nicht einstellen darf sowie die Kündigung des Arbeitsverhältnisses, sofern der Arbeitnehmer innerhalb von drei Monaten neu eingestellt wird. Bei dieser Art der Leiharbeit besteht ein Arbeitsvertrag zwischen den Arbeitnehmer und dem Verleiher, ein Arbeitnehmer-Überlassungsvertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher. Zwischen Arbeitnehmer und Entleiher bestehen keine vertraglichen Beziehungen. Lediglich das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist an den Entleiher "abgetreten". Der Arbeitnehmer erbringt die tatsächliche Arbeitsleistung bei dem Entleiher.

2.2. Rechte und Pflichten der Vertragsparteien 2.2.1. Pflichten des Arbeitnehmers 2.2.1.1. Hauptpflicht: Arbeitspflicht Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Arbeitsvertrag und dem Weisungsrecht des Arbeitgebers. Im Rahmen des "billigen Ermessens" (§ 106 GewO) ist auch eine Versetzung zulässig.

Kontrollen der Arbeitsleistung / Arbeitnehmer

Individualarbeitsrecht, Seite 11 P er s önl ic he Kontrollen der Arbeitsergebnisse - z.B. durch den Vorgesetzten - gelten stets als zulässig, weil sozialadäquat. Torkontrollen oder Leibesvisitationen können durch Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder Arbeitsvertrag eingeführt werden, nicht einseitig auf Grund des Weisungsrechts. Ausnahme: im Notfall, z. B. wegen häufiger Diebstähle. Kontrollen durch m as c hi ne l l e Einrichtungen stellen als ständige und lückenlose Überwachung (etwa durch Videokameras, Spiegelsysteme, Mikrofone) einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers dar, weil er auf diese Weise einem permanenten Überwachungsdruck ausgesetzt wird.

Elektronische Überwachungssysteme sind unzulässig, allenfalls aus Sicherheitsgründen zur Beobachtung der Geschäftsräume, nicht jedoch der Arbeitnehmer. Ausnahme: Schwere Straftaten lassen sich nicht anders aufklären.

Telefonnutzung Die private Nutzung der Telefonanlage kann untersagt werden. Grundsätzlich muss der Arbeitnehmer Privatgespräche bezahlen. Ausnahme in Notfällen und bei dienstlich veranlassten Privatgesprächen („komme heute eine Stunde später nach Hause“). I nha l ts übe rw ac hung: Jegliches Abhören von – dienstlichen oder privaten – Telefongesprächen des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber ist als Verstoß gegen das “Recht am eigenen Wort” schlechthin unzulässig; Gleiches gilt für das heimliche Mithörenlassen von Telefongesprächen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber sowie für das – sogar strafrechtlich sanktionierte (§ 201 Abs. 1 StGB) – ungenehmigte Aufzeichnen von Gesprächen. Lediglich das Mithören (über Lautsprecher, Telefonanlage oder Zweithörer) von Gesprächen ist erlaubt, wenn der Arbeitnehmer dies im Einzelfall gestattet. Dieser ist nicht gehalten, sich seinerseits vorsorglich zu vergewissern, dass niemand mithört Auch die bloße Kenntnis von einer Mithörmöglichkeit reicht dabei nicht aus. G e bühre nübe rw ac hung: Anerkannt ist das betriebliche Interesse des Arbeitgebers, aus Kostengründen einer missbräuchlichen Verwendung von Diensttelefonen vorzubeugen. Daher ist die Erfassung der Telefondaten der vom Arbeitnehmer geführten Gespräche (also insbesondere Zeitpunkt, Dauer, Gebühren und Zielnummer) datenschutzrechtlich zulässig. Also:

Benutzung von Abhöranlagen oder gar Aufzeichnung ist rechtswidrig, es sei denn, der Arbeitnehmer hat zugestimmt. Derart gewonnene Erkenntnisse können auch nicht gerichtlich als Beweismittel verwertet werden. Datenerfassung eingeschränkt: bei dienstlichen Telefonaten Datum, Uhrzeit, Dauer, Zielnummer. Bei Privatgesprächen: Datum, Uhrzeit, Dauer. Bei bestimmten Arbeitnehmergruppen (Betriebsarzt, Psychologe, Betriebsrat) darf die Zielnummer nicht erfasst werden.

Private Nutzung des Internet und eMail Grundsatz: Arbeitgeber bestimmt über den Einsatz von Betriebsmitteln. Dies gilt auch für Internet und E-Mail. Damit kann der Arbeitgeber einseitig festlegen, ob neben der beruflich bedingten auch die private Nutzung zulässig ist.

Ohne Gestattung kein Recht zur privaten Nutzung. Bei Erlaubnis von Privattelefonaten wird im Zweifel auch private Nutzung von E-Mails als gestattet angesehen.

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Aus dr üc k l i c he Gestattung. Auch diese berechtigt nicht zur extensiven Nutzung. Im Normalfall nur im Einzelfall und vorrangig in den Arbeitspausen. Außerdem kann die Gestattung eingeschränkt werden, z. B. Obergrenzen für Datenmengen oder Verbot von Anhängen.



S ti l ls c hw ei ge nde („k onk l ude nte “) Gestattung, zum Beispiel durch wissentliche Duldung oder weil privates Telefonieren am Arbeitsplatz erlaubt ist. Betriebliche Übung setzt mindestens ein halbes Jahr Duldung voraus.

Da die Gestattung eine freiwillige Leistung ist, kann sie jederzeit ohne Mitbestimmung zurückgenommen werden. Anders nur bei vertraglicher Vereinbarung oder betrieblicher Übung. Auch bei ausdrücklicher Gestattung besteht ein Übe r m a ßve r bot . Also: keine Beeinträchtigung arbeitsvertraglicher Pflichten, keine unverhältnismäßigen Kosten (z. B. über 0190-Nummern), keine rechtswidrigen Handlungen (z. B. Kinderpornos). Bei Verstoß Abmahnung und Kündigung, im Extremfall auch außerordentliche Kündigung ohne Abmahnung. Rechtsfolgen bei Gestattung: Gestattet der Arbeitgeber die private Nutzung betrieblicher Telekommunikationseinrichtungen, so ist er zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses verpflichtet. Eine Verletzung macht strafbar und verpflichtet zu Schadensersatz. Dies gilt auch für E-Mails. Nicht erfasst werden dürfen: Beteiligte an einer Verbindung, fehlgeschlagene Verbindungsversuche, Telefonlisten, Inhalt und Umstände der Telekommunikation. Eingriffe sind hier nur auf Grund eines richterlichen Beschlusses zulässig.

Der Arbeitgeber unterliegt einem Kontrollverbot. Er darf weder über die Inhalte noch über die äußeren Daten Protokolle anfertigen. Lediglich Abrechnungsdaten dürfen erfasst werden. Rechtsfolgen bei Verbot: Schwierig ist hier zunächst die Abgrenzung zwischen dienstlicher und privater Nutzung, z. B. bei fehlgeschlagener dienstlicher Nutzung oder bei dienstlich motivierter privater Nutzung („komme heute eine Stunde später nach Hause“). Die Kontrolle des Arbeitnehmers im Hinblick auf die Erfüllung seiner Arbeitspflicht ist zwar zulässig, unterliegt aber dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Überwachung durch technische Hilfsmittel, z. B. Videokameras oder Abhören von Telefonen, gilt als schwerer Eingriff in das Persönlichkeitsrecht und ist unzulässig. Im übrigen wird gegen datenschutzrechtliche Vorschriften verstoßen. Darf der Arbeitgeber E-Mails einsehen? Sofern nur eine zentrale Firmenadresse ([email protected]) existiert, ist alle eingehende und ausgehende Post als Geschäftspost anzusehen. Einzige Ausnahme: Post wird als „persönlich“ gekennzeichnet. Dies ist bei E-Mails nicht anders als bei Briefpost. Gilt gleichermaßen für eine Abteilungsadresse ([email protected]). Bei persönlichen Adressen ([email protected]): E-Mail steht dem Telefonat näher als dem schriftlichen Brief. Information ist nur für den Adressaten bestimmt. Zumindest der Eingang privater Mails kann ohnehin nicht verhindert werden. Folge: Persönlichkeitsrecht des Betroffenen ist wie bei der Telefonüberwachung zu beachten. Eingriff nur, wenn Missbrauch nicht auf andere Art zu beheben, die Gefahr von Geheimnisverrat oder Straftaten besteht.

Zugriff auf die E-Mail-Korrespondenz nur, wenn der Arbeitgeber auf persönliche Adressen für seine Arbeitnehmer verzichtet.

Individualarbeitsrecht, Seite 13 Nach wie vor umstritten ist die Zulässigkeit der Erfassung von E-Maildaten des Korrespondenzpartners (Adresse, verkürzte Adresse, wenn ja, vorn oder hinten usw.??) wie auch die Protokollierung und Kontrolle der Internet-Nutzung (Surfkontrolle). Letzteres auch nur bei Verdachtsmomenten. Bei Verstoß gegen das Verbot privater Nutzung: Abmahnung und Kündigung. Bei schwerem Verstoß fristlose Kündigung (für den Download von Kinderpornografie bereits mehrfach entschieden). Aber: für rechtswidrig erlangtes Beweismaterial besteht ein Verwertungsverbot. Als unzulässig angesehen wird auch die Verwendung von Überwachungs- und – durch die betroffenen AN - AntiÜberwachungsprogrammen (z. B. Desktop surveillance o.ä). Mi tbe s ti m m ung: Die Einführung von technischen Kontrolleinrichtungen ist mitbestimmungspflichtig. Bereits bei der Einführung von E-Mailprogramm und Internet im Betrieb müssen Arbeitnehmer und Betriebsrat informiert werden (Änderung der Arbeitsbedingungen). Da mit diesen Programmen Überwachung möglich ist, Mitbestimmung gem. § 87 I Nr. 6 BetrVG. Das Verbot privater Nutzung ist nicht mitbestimmungspflichtig war ebenso wenig die Erstattung privater Nutzung gegen Kostenbeteiligung. Sofern hiermit jedoch Überwachung verbunden ist, besteht wiederum das Mitbestimmungsrecht. Auch durch eine entsprechende Betriebsvereinbarung darf jedoch das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers nicht ausgehebelt werden. Dies gilt im Übrigen auch für individualrechtliche Vereinbarungen. Auch diese müssen sich im Rahmen der Telekommunikationsgesetze bewegen und das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers wahren.

2.2.1.2. Nebenpflichten: Früher sagte man, den AN trifft eine „Treuepflicht“. Heute sind diese Pflichten konkretisiert. ► Verschwiegenheitspflicht - Stillschweigen über Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse. Diese Pflicht hat sogar Nachwirkungen, wenn auch geringerer Intensität, nach Ablauf des Arbeitsverh. Hier kann aber das Interesse der Öffentlichkeit an Information überwiegen (Fall Wallraff/Bild-Zeitung). ► Verbot der Annahme von Schmiergeldern. Zwar ist strafbare Bestechung nur bei Amtsträgern möglich, aber die Annahme von Schmiergeldern stellt eine Vertragsverletzung dar und strafrechtlich häufig “Untreue”. Sanktionen: Kündigung, Schadensersatz, Herausgabe des Erlangten. ► Wettbewerbsverbot - während des Arbeitsverhältnisses sowieso, vgl. Nebenbeschäftigung. Nach Ablauf des Arbeitsverh. nur, wenn es schriftlich verabredet wurde, höchstens zwei Jahre gilt und dem AN mindestens die Hälfte der letzten Bezüge gezahlt werden. Anderweitig Verdientes wird aber zum großen Teil angerechnet. ► Gehorsamspflicht, soweit das Weisungsrecht geht (Arbeitszuweisung, Pausen, Überstunden, Versetzungen).

2.2.2. Pflichten des Arbeitgebers 2.2.2.1. Hauptpflicht: Zahlung Höhe des Arbeitsentgelts: Im Zweifel ist die übliche Vergütung zu zahlen, sonst gemäß TV oder Arbeitsvertrag. Einen gesetzlichen Mindestlohn gibt es in Deutschland nicht, derzeit wird auf politischer Ebene heftig darüber gestritten. Ausnahmen z. B. Baugewerbe: Nach dem ANEntsendegesetz (1996) müssen auch ausländische Arbeitgeber den in einem für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrag vereinbarten Mindestlohn zahlen. Einen

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derartigen Mindestlohn gab es erstmals in der Baubranche nach dem Tarifvertrag zur Regelung eines Mindestlohnes v. 2.9.96, der auch für allgemeinverbindlich erklärt worden ist. Bei Verstößen drohen Geldbußen. Bei Zahlungsrückstand hat der AN ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung. Allerdings darf es ► kein "verhältnismäßig geringfügiger" Rückstand sein (>1,5 Monatsverdienste reichen), das Zurückbehaltungsrecht darf ► nicht "zur Unzeit" ausgeübt werden, z.B. wenn dem AG ein hoher Schaden droht oder wenn der ► Anspruch des AN schon anderweitig gesichert ist (das wird selten der Fall sein). Allerdings ist der AN vorleistungspflichtig. Die Vergütung ist nach dem Ablauf der einzelnen Zeitabschnitte (Monate) fällig. Anders z.B. im öffentlichen Dienst. Hier wird in der Mitte des Monats gezahlt. Verjährung des Zahlungsanspruchs: 3 Jahre ab Jahresende. Aber Vorsicht: Tarifliche Ausschlussfristen sehen oft wesentlich kürzere Fristen (manchmal nur zwei Monate bis zur Geltendmachung) vor. Dann ist der Anspruch nicht nur verjährt, sondern sozusagen vernichtet. Betriebsübung: Wiederholte vorbehaltslose Gewährung von Gratifikationen, Jubiläumsgeldern, Ruhegeldern führt zu einem Anspruch der AN, der nur durch Änderungskündigung oder Änderungsvertrag beseitigt werden kann.

Schutz des Arbeitseinkommens: ► Pfändungsschutz: bestimmte Teile des Lohnes sind unpfändbar, z.B. 50 % der Überstundenvergütung, Gratifikationen, bestimmte Zulagen (Gefahren-, Schmutz-, Erschwernis-). Außerdem gibt es Mindestbeträge, die dem Schuldner gelassen werden müssen. Die pfändungsfreien Beträge ändern sich alle zwei Jahre entsprechend dem Grundfreibetrag des Einkommensteuergesetzes. Diese Grenzen gelten aber nicht, wenn für Unterhaltsgläubiger (getrennt lebende Ehegatten, Kinder) vollstreckt wird. Dann kann alles bis zum Existenzminimum (SGB-II-Satz) gepfändet werden. ► Insolvenzgeld. Wenn der AG in Konkurs geht, sind die Einkommen der letzten drei Monate vor Insolvenzeröffnung (oder nach der vollständigen Einstellung der Betriebstätigkeit) durch Insolvenzgeld gesichert. ► Abtretungsverbot (Verbot übermäßiger Selbstbindung): Was nicht pfändbar ist, kann auch nicht abgetreten werden.

Entgelt ohne Leistung:   

an Feiertagen im Falle des Annahmeverzuges sofern sich das Betriebs- oder Wirtschaftsrisiko realisiert



im Falle der persönlichen Arbeitsverhinderung, d.h. wenn der Arbeitnehmer aus Gründen, die in seiner Person liegen unverschuldet für verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit fehlt im Krankheitsfalle

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2.2.2.2. Nebenpflichten des Arbeitgebers ► Beschäftigungspflicht aa) im laufenden Arbeitsverhältnis: Nichtbeschäftigung wäre Diskriminierung, erweckt den Eindruck der Wertlosigkeit. Ausnahme nur bei besonders schutzwürdigem Interesse des Arbeitgebers (Verdacht der Schadenszufügung, ständig Schäden durch fehlerhafte Arbeit) bb) nach einer Kündigung:

• • •

Wenn der Betriebsrat der Kündigung widersprochen hat, besteht für die Dauer des gerichtlichen Kündigungsschutzverfahrens ein Weiterbeschäftigungsanspruch. Wenn der Arbeitnehmer die erste Instanz gewonnen hat, besteht für das weitere Verfahren ein Beschäftigungsanspruch Außerdem bei einer offensichtlich unwirksamen Kündigung. Sonst nicht.

► Fürsorgepflicht: Der AG soll alles unterlassen, was den Interessen des AN schaden könnte. Die allg. Fürsorgepflicht wird jedoch nicht benötigt, wenn es spezielle Regelungen gibt, z.B. das Arbeitsschutzgesetz, JArbSchG, MuSchG, Unfallverhütungsvorschriften etc. ► Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes (AGG) Die Grundrechte gelten zwar eigentlich nur im Verhältnis zwischen Bürger und Staat, im Arbeitsrecht ist der Gleichbehandlungsgrundsatz aber zumindest gewohnheitsrechtlich seit langem anerkannt. Nunmehr normiert ihn das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (erforderlich geworden durch mehrere Richtlinien der EU) ausdrücklich. Dieses verbietet jegliche Benachteiligung wegen der

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Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters sowie der sexuellen Identität.

Eine Verletzung des Benachteiligungsverbots ist nicht gegeben, wenn für eine unterschiedliche Behandlung wegen der Religion, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität oder des Geschlechts ein sachlicher Grund vorliegt. Der Benachteiligte kann bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot unbeschadet weiterer Ansprüche die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann er auf Unterlassung klagen. Bei einer Verletzung des Benachteiligungsverbots ist der Benachteiligende verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen.Ein solcher Anspruch muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten geltend gemacht werden. Wenn im Streitfall die eine Partei Indizien beweist, die eine Benachteiligung vermuten lassen, trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligung vorgelegen hat.

Individualarbeitsrecht, Seite 16

3. Arbeitnehmerschutzgesetze Der AN ist der tendenziell schwächere Vertragspartner. Daher war und ist es wichtig, Gesetze zum Schutz des Arbeitnehmers vor bestimmten Gefahren zu erlassen. Einige wichtige sind: 3.1.Arbeitsschutzgesetz Dient der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz und gilt für alle Tätigkeitsbereiche, sogar für Beamte, Richter usw.. Der Arbeitsplatz ist so zu gestalten, dass Gefahren für Leben und Gesundheit möglichst vermieden werden. Der AG hat die für die Durchführung von Schutzmaßnahmen erforderlichen Mittel und die Organisation zu stellen. Der AG muss Gefährdungen beurteilen und dokumentieren. Die Beschäftigten sind für die Arbeitssicherheit mitverantwortlich, haben Geräte ordnungs- und weisungsgemäß zu bedienen und auf Gefahren unverzüglich hinzuweisen. 3.2. Arbeitszeitgesetz Arbeitszeit: Beginn bis Ende ohne Ruhepausen. Anders Schichtzeit. Wegezeit ist keine Arbeitszeit. Anders bei Wegeunfällen gegenüber der Unfallversicherung. Dienstreisezeit: Arbeitszeit, wenn der AN tatsächlich arbeitet, z.B. Auto fährt. Arbeitsbereitschaft: Wechsel zwischen geringer und voller Beanspruchung, z.B. Warten auf Kunden. Arbeitszeit! Bereitschaftsdienst: Bereitsch., die Arbeit jederzeit aufzunehmen. Neuerdings Arbeitszeit! Nach wie vor keine Arbeitszeit ist lediglich die so genannte Rufbereitschaft. Nachtzeit: 23.00-6.00 Uhr. Keine Unterscheidung mehr zwischen Männern und Frauen Höchstarbeitszeit: 8 Stunden (im Grundsatz, seit 1918 unverändert) pro Tag, 48 in der Woche - Verlängerungsmöglichkeit auf 10 Stunden - Ausgleich auf einen Durchschnitt von 8 Std. binnen 6 Monaten (ein anderer Ausgleichszeitraum kann durch Tarifvertrag festgelegt werden) Daher möglich: Bei 48-Std-Woche 19,2 Wochen * 60 Std. arbeiten, anschließend 4,8 Wochen arbeitsfrei! Zweck der seit 1994 geltenden Regelung: "Flexibilisierung". Daher sind zahlreiche abweichende Regelungen durch Tarifverträge bzw. bei nicht Tarifgebundenen auch durch Betriebsvereinbarung oder Einzelvertrag möglich . Ebenfalls im AZG geregelt ist die Sonntagsruhe. Aber auch hier sind zahlreiche Ausnahmen für bestimmte Branchen (z.B. Energie- und Wasserversorgungsbetriebe sowie Abwasser- und Abfallentsorgungsbetriebe, Verkehrsbetriebe usw.) und weiter gehend auch zur Sicherung der Beschäftigung sowie zur Erhaltung der internationalen Konkurrenzfähigkeit (Stichwort: Erhöhung der Maschinenlaufzeiten) möglich. 3.3.

Jugendarbeitsschutzgesetz

Enthält das Verbot der Kinderarbeit und die Ausnahmen davon (Therapie, Praktikum, richterliche Weisung). Ab 13: leichte Tätigkeit bis 2 Std., in der Landwirtschaft 3 Std. tgl. Jugendliche, die der Vollzeitschulpflicht unterliegen, gelten als Kinder. Behördliche Ausnahmen bei Kulturveranstaltungen. Höchstarbeitszeit 40 Stunden wöchentlich an 5 Tagen. Verlängerungsmöglichkeit auf 8 1/2 Std., wenn an einzelnen Tagen der Woche weniger gearbeitet wird oder, wenn im Zusammenhang mit Feiertagen ein Tag frei ist und dieser vor- oder nachgearbeitet wird. Freistellung für die Berufsschule, kein Entgeltausfall hierdurch

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Keine Samstagsarbeit für Jugendliche. Zahlreiche Ausnahmen für best. Branchen. Keine Sonntagsarbeit. Ausnahmen für best. Branchen. Keine Sonntagsarbeit. Auch hier existieren etliche Ausnahmen (z. B. Krankenhäuser, Landwirtschaft, Gaststätten). längerer Mindesturlaub (30 Werktage unter 16, 20 Werktage unter 16, 25 Werktage unter 18 Jahre). Beschäftigungsverbote für gefährliche Arbeiten. - Leistungsfähigkeit wird überstiegen, sittliche Gefahren, - erhöhte Unfallgefahren - Hitze, Kälte, Nässe (außergewöhnliche ...) schädliche Einwirkungen (Lärm, Strahlen, Gift etc.). Außerdem Kein Akkord, keine Fließbandarbeit, außer es ist für die Berufsausbildung erforderlich oder diese ist bereits abgeschlossen Verbot der Beschäftigung durch bestimmte Personen (Verbrecher, Dealer, Sittenstrolche etc. sowie diejenigen, die chronisch gegen das JArbSchG und Ausbilderpflichten verstoßen) Gesundheitliche Betreuung: Erstuntersuchung innerhalb der letzten 14 Monate, schriftlich nachzuweisen, Nachuntersuchung nach einem Jahr vorgeschrieben, weitere Nachuntersuchungen freiwillig, außerordentliche Nachuntersuchungen nach Anordnung des Arztes. Züchtigungsverbot! Bei Verstoß gegen das JArbSchG drohen Geldbußen bis 20.000,00 DM, bei vorsätzlicher Schädigung sogar Strafe (bis ein Jahr). 3.4.

Mutterschutzgesetz

Mitteilungspflicht der Schwangeren, sobald ihr der Zustand bekannt ist. Mitteilungspflicht des Arbeitgebers bei der Aufsichtsbehörde. Kündigungsschutz bis 4 Monate nach der Entbindung. Ausnahme nur "in besonderen Fällen" mit Genehmigung der obersten Landesbehörde (sehr selten). Schutzfristen: 6 Wochen vor bis 8 (nach Früh- und Mehrlingsgeb. 12) Wochen nach der Entbindung. Beschäftigungsverbote während der Schwangerschaft: Ärztl. belegte Gesundheitsgefährdung von Mutter o. Kind, schwere körperliche Arbeiten, schädliche Einwirkungen (Strahlen, Gase, Staub etc.), Heben von schweren Lasten usw. (vgl. § 4 MuSchG); Akkord- und Fließarbeit (Ausnahmen mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde). Keine Mehrarbeit, keine Nacht- und Sonntagsarbeit (Ausnahmen für best. Branchen). Für die Zeit der Beschäftigungsverbote ist der Durchschnitt der letzten 13 Wochen weiterzuzahlen, während der Schutzfristen erhält die Frau Mutterschaftsgeld, das der Arbeitgeber bis zum Nettogehalt aufstocken muss. 3.5.

Bundeselterngeldgesetz

Das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) ist zum 1. Januar 2007 in Kraft getreten. Für Geburten ab 2007 wird das bisherige Bundeserziehungsgeld durch das neue Elterngeld abgelöst. Elterngeld gibt es für Erwerbstätige, Beamte, Selbstständige und erwerbslose Elternteile, Studierende und Auszubildende, Adoptiv-Eltern und in Ausnahmefällen auch für Verwandte dritten Grades. Das Elterngeld ist also allen Eltern garantiert, auch wenn sie vor der Geburt nicht berufstätig waren. Bei Teilzeittätigkeit von nicht mehr als 30 Wochenstunden erhält die Betreuungsperson 67% des entfallenden Teileinkommens. Als Einkommen vor der Geburt werden dabei höchstens 2700 Euro berücksichtigt. Wer mehr als 30 Stunden pro Woche arbeitet, hat keinen Anspruch auf Elterngeld. Das Elterngeld ersetzt 67 Prozent des bisherigen Nettoerwerbseinkommens des erziehenden Elternteiles bis zu einem Höchstsatz von 1.800 Euro netto. Der Mindestbetrag des Elterngeldes ist 300 Euro. Es werden keine Beiträge für Sozialversicherungen auf das Elterngeld erhoben. Privat Versicherte zahlen wie bisher beim Bundeserziehungsgeld ihre Beiträge selbst weiter.

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Erwerbstätige Eltern können frei entscheiden, wer von ihnen Elternzeit nimmt. Sie können auch gleichzeitig Elternzeit nehmen. Wer Elternzeit nimmt, kann in Teilzeit bis zu 30 Wochenstunden arbeiten. In Betrieben mit mehr als 15 Beschäftigten besteht ein Anspruch auf Teilzeitarbeit in der Elternzeit, wenn keine dringenden betrieblichen Gründe entgegenstehen und die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer mehr als 6 Monate im Unternehmen tätig ist. Während der Elternzeit besteht Kündigungsschutz. Er beginnt mit der Anmeldung der Elternzeit, frühestens jedoch 8 Wochen vor deren Beginn. In besonderen Fällen kann ausnahmsweise durch die Aufsichtsbehörde eine Kündigung für zulässig erklärt werden. Die Anmeldefrist für die Elternzeit beträgt 6 Wochen, wenn sich die Elternzeit unmittelbar an die Geburt oder an die Mutterschutzfrist anschließen soll, ansonsten 8 Wochen. Da Männer bekanntlich keine Kinder gebären und für sie der Mutterschutz nicht gilt, können Männer frühestens 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit bei ihrem Arbeitgeber vorsprechen, wenn Sie negative Auswirkungen (insbesondere die Kündigung) auf das Arbeitsverhätnis erwarten. Da die Elternzeit aber spätestens 8 Wochen vor dem Beginn beim Arbeitgeber angemeldet werden muss, haben die Männer genau einen Tag Zeit, um Elternzeit geschützt vor einer Kündigung zu beantragen. 3.6. Bundesurlaubsgesetz Jeder AN hat Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub, und zwar 24 Werktage/Jahr. Der volle Anspruch besteht erstmals nach 6-monatigem Arbeitsverh. Anspruch auf Teilurlaub (1/12 für jeden vollen Monat), wenn die Wartezeit im laufenden Jahr nicht erfüllt wird; der AN vor Erfüllung der Wartezeit wieder ausscheidet; wenn er nach erfüllter Wartezeit in der ersten Jahreshälfte ausscheidet. Hat der AN zuviel U. erhalten, muss er das entspr. Gehalt nicht zurückzahlen. Allerdings erhält er dann beim neuen AG keinen Urlaub mehr. Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr genommen werden. Übertragung auf das neue Jahr (erste drei Monate) nur, wenn dringende betriebliche oder in der Person des AN liegende Gründe dies rechtfertigen. Die Urlaubswünsche des AN sollen berücksichtigt werden, betriebliche Erfordernisse gehen aber vor. Urlaub ist zusammenhängend zu gewähren. Ist dies aus betriebl. Gründen nicht möglich, so muss ein Teil mindestens 12 Werktage lang sein. Urlaubsentgelt: Durchschnitt der letzten 13 Wochen. Zusätzliches Urlaubsgeld gibt es nur, sofern es tarif- oder einzelvertraglich vorgesehen ist. Urlaubsabgeltung (=Auszahlung) ist nur möglich, wenn der Urlaub wegen Beendigung des ArbV nicht mehr genommen werden kann. Urlaub dient der Erholung. Daher: Keine dem Urlaubszweck widersprechende Erwerbstätigkeit! Erkrankung während des Urlaubs: Durch ärztliches Zeugnis nachgewiesene Tage werden nicht auf den U. angerechnet. Abweichende Regelungen in Tarifverträgen sind möglich. 3.7.

Entgeltfortzahlungsgesetz

3.7.1. Entgeltfortzahlung an Feiertagen. es gilt das Lohnausfallprinzip. Hätte der AN sowieso freigehabt, erhält er kein Entgelt. Ausnahme: Kurzarbeit. Hier wird Feiertagsbedingtheit fingiert. Lohnzahlung entfällt, wenn der AN vor oder nach dem Feiertag unentschuldigt fehlt. 3.7.2. im Krankheitsfall Gilt für alle AN einschließlich Azubi, geringfügig und kurzfristig Beschäftigte, keine Ausnahme bei Kleinbetrieben. Grundsatz: Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von 6 Wochen bei unverschuldeter Krankheit. Verschuldet ist eine Krankheit z.B. bei einem Unfall, der allein auf

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Alkoholmissbrauch zurückzuführen ist (BAG-Fall: AN hört gegen ausdrücklichen Rat nicht mit dem Trinken auf und stürzt über einen Stuhl). Anders ist es aber bei krankhafter Alkoholabhängigkeit. Hier geht die Rechtsprechnung davon aus, dass der Betr. nicht mehr schuldhaft handeln kann. Sportunfälle sind nur selbstverschuldet bei ersichtlicher Selbstüberschätzung, ganz groben Regelverstößen und bei besonders gefährlichen Sportarten (bisher wurde lediglich Kickboxen derart eingestuft). 3.8.

Schwerbehindertenschutz

Diese Materie ist seit 2001 im SGB IX geregelt. Behindert ist, wessen körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit länger als sechs Monate von dem alterstypischen Zustand abweicht. Schwer behindert ist, wer einen Grad der Behinderung von mindestens 50 vorzuweisen hat. Gleichgestellt werden kann, wenn ein GdB von wenigstens 30 vorliegt und der Betroffene ohne Gleichstellung einen geeigneten Arbeitsplatz nicht erlangen oder erhalten kann. Das Gesetz sieht unter anderem Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (z. B. Trainingsmaßnahmen, Berufsvorbereitung, Weiterbildung) und Leistungen an Arbeitgeber, z. B. Eingliederungszuschüsse, vor. AG, die über mindestens 20 Arbeitsplätze verfügen, müssen auf mind. 5 % dieser Arb.pl. Schwerbehinderte (und Gleichgestellte) beschäftigen. Tun sie dies nicht, so müssen sie eine Ausgleichsabgabe von 105 - 260 €, je nach Beschäftigungsquote, pro unbesetzen Pflichtplatz und Monat bezahlen. Soll einem Schwerbehinderten gekündigt werden, so muss das Integrationsamt vorher zustimmen, auch bei fristloser Kündigung. Sofern mind. 5 Schwerbehinderte beschäftigt werden, kann eine Schwerbehindertenvertretung gebildet werden. Aufgaben: Überwachung der Gesetzesvollziehung, Beantragung "dienlicher" Maßnahmen, Vermittlung zwischen Schwerbeh. und AG. 3.9.

Arbeitnehmerschutz in allgemeinen Gesetzen (BGB, HGB; GewO)

AN-Schutzrechte gibt es in weiteren Gesetzten, z.B. im BGB (Gleichbehandlung von Mann und Frau, Maßregelungsverbot, Rechte bei Betriebsübergang, Lohnfortzahlung bei vorübergehender schuldloser Arbeitsverhinderung, Schadensersatzanspruch bei Rechtsgutsverletzung) oder im HGB (Entschädigungspflicht bei Wettbewerbsverboten) oder auch in der Zivilprozeßordnung (Schutz des Mindesteinkommens vor Pfändung) usw.

4. Probleme im laufenden Arbeitsverhältnis Haftung für Pflichtverletzungen Sofern es im Arbeitsverhältnis zu so genannten Leistungsstörungen kommt, die durch Verletzung einer Pflicht aus dem Arbeitsverhältnis entstehen, ist zunächst zu unterscheiden, ob es sich hierbei um eine verletzte Primärpflicht (Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis) oder um eine Sekundärpflicht (Nebenpflicht) handelt. Die Verletzung einer Hauptpflicht ist selbstständig einklagbar, die Verletzung einer Nebenpflicht (z. B. Pflicht zum sorgfältigen Arbeiten) löst meist lediglich weitere Ansprüche, z. B. auf Schadensersatz, aus. Hiernach unterscheiden sich die verschiedenen Rechtsfolgen.

Individualarbeitsrecht, Seite 20

4.1. Primäransprüche 4.1.1. Arbeitnehmer (Hauptpflicht: Arbeitsleistung) Sofern der Arbeitnehmer seine Hauptpflicht (Leistung von Diensten in einem bestimmten Zeitraum) nicht erbringt, tritt so genannte Unmöglichkeit der Leistungserbringung ein. Das Gesetz regelt diesem Fall in § 275 BGB folgendermaßen: Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist der Anspruch auf die Leistung ausgeschlossen, soweit diese für den Schuldner oder für jedermann unmöglich ist. Die ausgefallene Arbeitsleistung kann, anderes als im Werkvertrag, bei dem ein bestimmter Erfolg geschuldet ist, daher nicht nachgeholt werden, da eine nachgeholte Dienstleistung eine andere als die ursprünglich geschuldete wäre. Nach Abs. 2 kann der Schuldner die Leistung verweigern, sofern diese einen Aufwand erfordert, der in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers steht (so genannte faktische Unmöglichkeit; spielt im Arbeitsrecht keine herausragende Rolle). Nach Abs. 3 kann die Leistung verweigert werden, wenn der Schuldner die Leistung persönlich zu erbringen hat und diese ihm unter Abwägung des seiner Leistung entgegenstehenden Hindernisses nicht zugemutet werden kann (so genannte persönliche Unmöglichkeit, zum Beispiel, sofern die Arbeitsleistung aus Gewissensgründen verweigert werden kann). § 275 BGB betrifft aber nur die Frage, ob die Leistung durch den Arbeitgeber verlangt werden kann, nicht die Frage, ob die Gegenleistung (Lohnzahlung) erbracht werden muss. Der Arbeitnehmer ist also in diesen Fällen von seiner Pflicht zur Leistung frei. Ob er dennoch Entgelt erhält, steht auf einem anderen Blatt.

4.1.2. Arbeitgeber (Hauptpflicht: Entgeltzahlung) Üblicherweise besteht diese Pflicht bei erbrachter Arbeitsleistung. Sofern die Zahlung nicht pünktlich erfolgt, also Verzug eintritt, hat der Arbeitgeber den geschuldeten Bruttobetrag mit fünf Prozent über dem Basiszinssatz gem. § 288 I BGB zu verzinsen. Der Arbeitnehmer ist in diesem Zusammenhang zwar nicht als Verbraucher (vgl. § 13 BGB) anzusehen. Dennoch ist nicht der erhöhte Zinssatz von acht Prozent über dem Basiszins geschuldet, da dieser nur im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen gilt. Ob der Arbeitgeber trotz nicht erbrachter Dienstleistung die Vergütung zahlen muss, ergibt sich aus §§ 326 II BGB oder/u. § 280 I 2 BGB. Entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer die Nichterbringung der Arbeitsleistung verschuldet hat. Grundsatz: sofern der Schuldner nach § 275 Abs. 1 bis 3 BGB nicht leisten muss, so entfällt auf der Anspruch auf die Gegenleistung. Ausnahme: ist der Gläubiger (der Arbeitsleistung, hier also der Arbeitgeber) für den Grund der Nichtleistung allein oder überwiegend verantwortlich, so muss er trotzdem zahlen. Dies ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Schuldrecht. Jedoch existieren für das Arbeitsrecht einige wichtige Sonderregeln:

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Nach § 615 BGB muss der Arbeitgeber im Falle des Annahmeverzuges (Nichtannahme der Arbeitsleistung trotz Angebotes durch den Arbeitnehmer) die Vergütung zahlen. Nach dem neuen eingefügten dritten Satz dieser Vorschrift gilt dies auch, sofern der Arbeitgeber das Risiko des Arbeitsausfalls trägt (Lehre vom Betriebsrisiko!). § 616 BGB schließlich regelt die bereits erwähnten Fälle der persönlichen Unzumutbarkeit (Arbeitsausfall aus subjektiven Gründen) In diesen vorgenannten Fällen ist die Vergütung auch ohne Arbeitsleistung zu zahlen. Hinzu kommen Ansprüche auf Lohnfortzahlung an Feiertagen, bei Krankheit usw.

4.2. Sekundäransprüche 4.2.1. Arbeitgeber Sofern die Primärpflicht nicht erfüllt wird, können (neben oder statt der Erfüllung dieser Pflicht) Sekundäransprüche entstehen. Die Grundnorm hierfür ist § 280 I BGB. Grundsatz: Verletzt der Schuldner eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis, so kann der Gläubiger Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Dies bedeutet für Pflichtverletzungen durch den Arbeitnehmer:

4.2.1.1 Haftung als Ersatz für die Leistungspflicht Der Arbeitnehmer erbringt seine Leistungspflicht nicht oder unzureichend.

  

Verurteilung zur Leistung? Möglich, aber nicht vollstreckbar. Daher nur sinnvoll i.V.m. Schadensersatzantrag, wenn der Schuldner die Leistung nicht erbringt. Reduzierung des Gehalts? Nicht möglich; das Arbeitsrecht kennt keine Minderung (im Gegensatz zum Beispiel zum Mietrecht). Kündigung nach Abmahnung. Bei Leistungspflichtverletzungen möglich.

4.2.1.2. Haftung für Integritätsverletzung Der Arbeitnehmer erbringt zwar seine Leistung, fügt hierbei jedoch dem Arbeitgeber einen Schaden zu. Folge: S c h a d e n s e r s a t z Voraussetzungen Beweislast Verletzung der Arbeitspflicht AG Verschulden des Arbeitnehmers AG gem. § 619 a BGB (NEU!) Schaden (Höhe) AG Bei Mitverschulden des Arbeitgebers (z. B.: Arbeitgeber stellt defektes Gerät zur Verfügung) mindert sich der Anspruch. Der Anspruch kann sich außerdem (richterrechtlich entwickelte Haftungserleichterung gegenüber dem allgemeinen Schuldrecht!) mindern oder ganz entfallen nach dem Grad des Verschuldens. Voraussetzungen:

• •

Tätigkeit aufgrund eines Arbeitsverhältnisses Betrieblich veranlasst

Individualarbeitsrecht, Seite 22

Bei Schadensteilung sind maßgeblich die Gesamtumstände nach Anlass und Folgen, Zumutbarkeit, Billigkeit, also Einzelfallentscheidung. Berücksichtigt werden auch die Gefahrgeneigtheit der Arbeit, die Versicherbarkeit des Risikos, die wirtschaftlichen Verhältnisse des AN etc.

Verschuldensgrad

Haftungsumfang

Vorsatz (Wissen und Wollen der Tat)

volle Haftung

grobe Fahrlässigkeit (Außerachtlassen einfachster Sorgfaltsregeln)

volle Haftung (in der Regel)

mittlere Fahrlässigkeit

Schadensteilung

leichte Fahrlässigkeit

keine Haftung (in der Regel)

Verteilungsmaßstab: Abwägung der Gesamtumstände von Anlass und Folgen nach Billigkeitsgrundsätzen und Zumutbarkeitsgesichtspunkten. 4.2.1.3. Besonderheiten bei Mankohaftung Manko: Anvertrauter Warenbestand / Kasse weist Fehlmenge auf.

Zu klären

Beweislast

Welche Waren/Beträge sind zugeflossen?

AG

Verursachung des Mankos durch AN

AG (hier Beweiserleichterung)

Verschulden des AN

wohl auch AG gem § 619 a BGB

Umgehung von Beweisschwierigkeiten durch Mankoabrede: Der AN übernimmt die Haftung für jedes in seinem Aufgabenbereich auftretende Manko. Nur wirksam, wenn:

• •

es angemessen vergütet wird ("Mankogeld"); der AN Mitspracherechte hat, z.B. bei der Einstellung von Mitarbeitern oder Sicherungsmaßnahmen.

4.2.1.4. Vertragsstrafe Zwecke: ➔ Anhalten zum vertragstreuen Verhalten ➔Umgehung von Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Schadenshöhe Da seit der Schuldrechtsreform 2002 die Regeln über allgemeine Geschäftsbedingungen auch im Arbeitsrecht gelten, war umstritten, ob Vertragsstrafen in

Individualarbeitsrecht, Seite 23

Formulararbeitsverträgen nach dieser Reform überhaupt noch zulässig sind. Das Bundesarbeitsgericht hat jedoch im Jahr 2004 entschieden, dass derartige Vereinbarungen nicht schlechthin unwirksam sind. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit muss jedoch in Bezug auf Schwere der Pflichtverletzung und Höhe der Strafe gewahrt sein. Ein Monatsgehalt Strafe wegen Nichtantritt zum vereinbarten Termin ist bei einer 14tägigen Kündigungsfrist unangemessen hoch. Die Vereinbarung war daher unwirksam. Eine Herabsetzung auf einen angemessenen Betrag ist bei einer formularmäßig vereinbarten Vertragsstrafe nicht möglich. Dies geht nur bei einer Individualabrede (vgl. § 343 BGB). Die Vertragsstrafe wird fällig nur bei Vorsatz. Die Tatbestände, bei deren Eintreten sie fällig wird, müssen genau beschrieben werden.

4.2.1.5. Betriebsbuße (selten, aber möglich, vergleichbar einer Vereinsstrafe): Wirksam nur, sofern eine entsprechende "Betriebs-Bußenordnung" besteht (mitbestimmungspflichtig!). Die "Straftatbestände" und die Bußen müssen genau beschrieben sein. Ein rechtsstaatliches Verfahren mit Anhörung muss gesichert sein.

4.2.1.6. Abmahnung Abmahnung Geltendmachung des Arbeitgeberrechts auf vertragsgemäßes Verhalten verbunden mit dem Hinweis, dass bei Wiederholung Inhalt und Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdet sind. ➔ Rüge- bzw. Dokumentationsfunktion Als Gläubiger der Arbeitsleistung weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer als seinen Schuldner auf vertragliche Pflichten hin und macht ihn auf deren Verletzung aufmerksam. ➔ Warnfunktion Zugleich fordert der Arbeitgeber den Arbeitnehmer für die Zukunft auf, sich vertragsgetreu zu verhalten, und kündigt individualrechtliche Konsequenzen für den Fall einer erneuten Pflichtverletzung an. Vergebliche Abmahnung ist vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung erforderlich, sofern sie auf Leistungsmängel gestützt ist. Hat die Pflichtverletzung zu einem Vertrauensbruch geführt, so wurde die Abmahnung in der Vergangenheit als entbehrlich angesehen. Aktuelle Rechtsprechung: Abmahnung erforderlich, wenn das Verhalten des AN "willensgesteuert" war und mit einer Änderung des Verhaltens nach einer Abmahnung zu rechnen ist.

4.2.1.7. Ausübung des Direktionsrechts Wenn eine Maßnahme durch Ausübung des Direktionsrechtes ausgeübt werden kann (z.B. Zuweisung eines neuen Aufgabenbereiches im Rahmen des bestehenden Vertrages), ist eine Änderungskündigung nicht nötig.

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4.2.1.8. Änderungskündigung Die Ä. ist eine Kündigung, verbunden mit dem Angebot, einen neuen Vertrag zu geänderten Bedingungen zu schließen. Eine Teilkündigung des Arbeitsvertrages gibt es nicht. Bei einer Änderungskündigung kann man ➔das Angebot annehmen. Dann wird der Vertrag zu den neuen Bedingungen weitergeführt; ➔ das Angebot ablehnen (mit und ohne Klage, dann ist - bei Wirksamkeit der Ä.- der Arbeitsvertrag beendet); ➔ das Angebot unter dem Vorbehalt annehmen, dass die Kündigung nicht sozialwidrig ist und Kündigungsschutzklage erheben. Dann wird vom Arbeitsgericht geprüft, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen zumutbar ist. Die Änderungskündigung hat immer Vorrang vor der Beendigungskündigung.

4.2.2. Ansprüche der Arbeitnehmer 4.2.2.1. Allgemeine Ersatzansprüche Hier gelten keine Besonderheiten, sondern die allgemeinen Regeln des Zivilrechts, ergänzt durch die sog. Fürsorgepflicht.

4.2.2.2. Ersatzansprüche des Arbeitnehmers bei Mobbing Was ist Mobbing? In einer häufig benutzten Beschreibung heißt es: Mobbing ist • eine konfliktbelastete Kommunikation am Arbeitsplatz, unter Kollegen oder zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. • Dabei ist die angegriffene Person unterlegen. • Sie wird von einer oder mehreren anderen Personen systematisch und während längerer Zeit direkt oder indirekt angegriffen. • Ziel oder Effekt der Angriffe ist die Ausgrenzung der betroffenen Person. Im Jahr 2007 hat sich das BAG in zwei Entscheidungen mit den haftungsrechtlichen Folgen sog. Mobbing befasst. In seiner Entscheidung vom 16. Mai 2007 (- 8 AZR 709/06 -) hat es hervorgehoben, dass Mobbing kein Rechtsbegriff und keine Anspruchsgrundlage ist. Die rechtliche Besonderheit der als Mobbing bezeichneten tatsächlichen Erscheinung liegt vielmehr darin, dass die Zusammenfassung mehrerer Einzelakte und nicht einzelne, abgrenzbare Handlungen zu einer Verletzung des Persönlichkeitsrechts oder der Gesundheit des Arbeitnehmers führen. Einzelne Teilakte der als Mobbing anzusehenden Gesamthandlung können dabei jeweils für sich betrachtet rechtlich „neutral“ sein. An der für das Mobbing typischen, verschiedene Einzelhandlungen zusammenfassenden Systematik kann es fehlen, wenn ein Arbeitnehmer von verschiedenen Vorgesetzten, die zwar zeitlich aufeinanderfolgen, aber nicht zusammenwirken, kritisiert oder schlecht beurteilt wird. Die erforderliche Systematik kann auch dann fehlen, wenn zwischen den einzelnen Teilakten lange zeitliche Zwischenräume liegen. Die Frage, ob ein Gesamtverhalten als eine einheitliche Verletzung des Persönlichkeitsrechts zu qualifizieren ist und ob einzelne Handlungen in der Gesamtschau einen persönlichkeitsrechtsverletzenden Charakter haben, unterliegt der revisionsrechtlich nur eingeschränkt überprüfbaren tatrichterlichen Würdigung.

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Die Beweislast für die Pflichtverletzung und die Kausalität trägt der Arbeitnehmer. Neben der Haftung des Arbeitgebers für eigenes Tun kommt auch eine Haftung für das Verhalten von Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB in Betracht. In dem Urteil hat das BAG weiter ausgeführt, dass eine vertraglich vereinbarte Ausschlussfrist grundsätzlich auch für Schadensersatz- und Entschädigungsansprüche wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und damit auch für Ansprüche gilt, die auf das Mobbing beruhen. In Mobbingfällen beginnt die Ausschlussfrist jedoch wegen der systematischen, sich aus mehreren Teilakten zusammensetzenden Verletzungshandlung regelmäßig erst mit der zeitlich letzten Mobbinghandlung. In Fortführung dieser Rechtsprechung hat das BAG mit Urteil vom 25. Oktober 2007 entschieden, dass der Arbeitgeber nach § 278 BGB für Schäden haftet, die einer seiner Arbeitnehmer dadurch erleidet, dass ihn sein Vorgesetzter schuldhaft in seinen Rechten verletzt. Der Arbeitnehmer kann dann von dem Arbeitgeber gem. § 253 Abs. 2 BGB eine billige Entschädigung in Geld verlangen. Dagegen hat der Senat einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Entlassung des Vorgesetzten abgelehnt.

5. Beendigung des Arbeitsverhältnisses Die wichtigsten Beendigungsgründe: 5.1. Befristung: Beendigung durch Zeitablauf 5.2. Aufhebungsvertrag Vorteile: ➔ jederzeit möglich ohne besondere Frist (jedoch zwingend schriftlich!) ➔ keine Betriebsratsbeteiligung ➔ Vermeidung von Kündigungsschutzverfahren (dadurch besser kalkulierbares Risiko) Nachteile (für AN): ➔ Kein Arbeitslosengeld, soweit auf Kündigungsfrist verzichtet wurde. ➔ Sperrzeit von 12 Wochen durch Arbeitsagentur droht (§ 144 SGB III)

Keine Sperrzeit: ➔ Aufhebungsvertrag zur Vermeidung einer berechtigten betriebsbedingten

oder personenbedingten Kündigung. ➔ Abfindungsvergleich vor Gericht, auch wenn keine ausreichenden Gründe

für die Kündigung vorliegen.

Problem: Die nachträgliche Anfechtung der Erklärung wegen Überrumpelung. Eine Anfechtung des Aufhebungsvertrages ist nur wegen widerrechtlicher Drohung (die Drohung mit einer zulässigen Maßnahme, zum Beispiel einer berechtigten Kündigung, reicht nicht), arglistiger Täuschung sowie wegen Irrtums möglich. “Zeitdruck", “psychologischer Druck” etc. reichen hierfür nicht.

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In sperrzeitrechtlicher Hinsicht ist dem Aufhebungsvertrag inzwischen der Abw icklungsvertrag gleichgestellt. Nach einem Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahre 2003 hat auch der Arbeitnehmer, der nach Erhalt einer Kündigung zumindest innerhalb der Klagefrist von drei Wochen mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung über Bedingungen der Beendigung des Arbeitsvertrages schließt, an dessen Beendigung aktiv mitgewirkt und damit eine Sperrzeit verdient. Lediglich der gerichtliche Abfindungsvergleich nach dem Ausspruch einer Kündigung zieht keine Sperrzeit nach sich. Daher ist die Erhebung einer Kündigungsschutzklage dem Abschluss eines Abwicklungsvertrages eindeutig vorzuziehen. Möglich bleibt allenfalls ein Vorgehen nach § 1 a KSchG: Der Arbeitgeber bietet dem Arbeitnehmer im Kündigungsschreiben eine Abfindung in Höhe von einem halben Monatsgehalt pro Jahr der Betriebszugehörigkeit an, wenn dieser auf eine Klage verzichtet. 5.3. Tod des AN 5.4. Nichtigkeit, z.B. bei Gesetzes- oder Sittenverstoß. Hier liegt aber ein sog. faktisches Arbeitsverhältnis vor, d.h. das Arbeitsverhältnis ist nicht zustande gekommen und kann jederzeit beendet werden, für die geleistete Arbeit erhält der AN jedoch Entgelt. 5.5. Anfechtung Anfechtungsgründe: Drohung, Täuschung, Irrtum. Bei Arbeitsverträgen insbesondere wichtig: Anfechtung wegen arglistiger Täuschung, zum Beispiel bei unwahren Angaben auf zulässige Fragen im Vorstellungsgespräch. Die Anfechtung des Vertrages (z.B. wegen arglistiger Täuschung) wirkt beim Arbeitsvertrag erst ab Anfechtungserklärung. Auch hier bestehen also für die geleisteten Dienste Ansprüche.

5.6. K ü n d i g u n g Einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung. Sog. Gestaltungsrecht Muss zugegangen sein. Vertretung zulässig. Zugang, sobald sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt und dieser die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Beweislast hat der Kündigende. Empfehlenswert: Empfangsbestätigung oder Übergabe unter Zeugen oder durch Boten. Häufig wird auch eine sog. Ausgleichsquittung erstellt. Der AN erklärt, dass er mit der Kündigung einverstanden ist, keine K.schutzklage erheben wird und keine Ansprüche mehr stellt. Für den AG sehr empfehlenswert, für den AN in der Regel weniger, es sei denn, es ist wirklich “alles erledigt”.

5.6.1. Fristgemäße Kündigung 5.6.1.1. Allgemeiner Kündigungsschutz Außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes, also z. B. im Kleinbetrieb mit 4 Arbeitnehmern, ist der Kündigungsschutz schwach ausgeprägt. Hier sind lediglich willkürliche Kündigungen, solche die gegen Treu und Glauben verstoßen, Kündigungen als Maßregel (§ 612 a BGB) oder diskriminierende Kündigungen unzulässig.

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5.6.1.2 Besonderer Kündigungsschutz Bestimmte Arbeitnehmer haben besonderen Kündigungsschutz: ➔ ➔ ➔ ➔

Betriebliche Funktionsträger, § 15 KSchG Kündigungsverbote nach dem Mutterschutzrecht Auszubildende nach Ablauf der Probezeit Wehr- und Ersatzdienstleistende

Außerdem kann der Ausschluss der ordentlichen Kündigung auch individualrechtlich oder kollektivrechtlich vereinbart werden. Zustimmungs- bzw. anzeigebedürftig sind Kündigungen gegenüber ➔ Schwerbehinderten sowie ➔ Massenentlassungen. Diese Anzeigepflicht verbessert Kündigungsschutz sondern soll der Arbeitsagentur helfen.

jedoch

nicht

den

5.6.1.3. Erweiterter Kündigungsschutz nach KSchG Das KSchG gilt • für AN, deren Arbeitsverhältnis bei Zugang der Kündigung länger als 6 Monate besteht • wenn der Betrieb mehr als 5, für nach dem 31.12.2003 Eingestellte 10 Arbeitnehmer (ohne Azubi) beschäftigt. Teilzeitbeschäftigte werden anteilig berücksichtigt: Kündigungsschutz: Kündigungsschutzklage bei dem Arbeitsgericht Frist: Drei Wochen ab Zugang der Kündigung muss die Klage bei Gericht eingegangen sein. Bei unwirksamer Kündigung kann der Arbeitnehmer nach gewonnenem Prozess entweder die Arbeit wieder aufnehmen, binnen einer Woche die Fortsetzung verweigernden, wenn er inzwischen ein neues Arbeitsverhältnis eingegangen ist oder (bei entsprechendem Antrag), wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für den Arbeitnehmer unzumutbar ist, die Zahlung einer Abfindung beantragen, deren Höhe in der Regel bei ca. einem halben Monatsverdienst pro Jahr Betriebszugehörigkeit liegt. Den Auflösungsantrag kann auch der AG stellen, wenn die weitere Zusammenarbeit unmöglich ist. Häufig werden Kündigungsschutzprozesse auch im Vergleichsweg (Einigung auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus "betrieblichen Gründen" sowie Zahlung einer Abfindung) beendet. Hier kann das Arbeitsamt aber nachfragen, welche „betrieblichen" Gründe tatsächlich maßgebend waren. In einem evtl. Sperrzeitprozess vor dem Sozialgericht wäre der AG Zeuge und müsste aussagen.

Kündigungsgründe (1) Person des Ar beitnehmers (2) Verhalten des Arbeitnehmers (zuvor Abmahnung!) (3) Betriebsbedingte Gründe

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5.6.1.3.1. personenbedingte Kündigung Hierzu zählen u.a. ➔ mangelnde Eignung (Vorbildung, Fähigkeiten einschl. deren altersbedingtes Nachlassen) ➔Verlust der Fahrerlaubnis, sofern benötigt ➔ bei Ausländern: fehlende Arbeitserlaubnis ➔ Verbüßung von U- und Strafhaft ➔ Ausländischer Wehrdienst über 2 Monate ➔ Krankheit. Hierbei ist in einem Drei-Stufen-Programm zu prüfen: ➔ Negative Gesundheitsprognose. entweder eine langanhaltende Krankheit , deren Ende nicht abzusehen ist oder häufige Kurzerkrankungen. Der AN kann dieses Indiz (die neg. Prognose) widerlegen, indem er darlegt, dass mit seiner baldigen Genesung zu rechnen ist; krankheitsbedingte Minderleistung; dauerndes Unvermögen (hier in Ausnahmefällen sogar außerordentl. Künd. Mögl) ➔ Erhebliche Beeinträchtigung der betrieblichen oder wirtschaftlichen Belange, ersteres insbes. durch schwerwiegende Störungen im Produktionsprozess, letzteres durch unzumutbar hohe Lohnfortzahlungskosten. ➔ Interessenabwägung, ob diese Beeinträchtigungen vom AG hinzunehmen sind, z.B. weil die Erkrankungen auf betriebliche Ursachen zurückzuführen sind oder weil weitere Überbrückungsmaßnahmen zuzumuten sind. - Trunksucht, Drogenabhängigkeit: Auch hier ist eine neg. Gesundheitsprognose erforderlich, wenn gekündigt werden soll. Diese liegt vor, wenn der AN nicht therapiebereit ist oder die Therapie nicht erfolgreich war.

5.6.1.3.2. verhaltensbedingte Kündigung Voraussetzungen: Pflichtverletzungen, Abmahnung (insbesondere bei Leistungsmängeln, bei Vertrauensbruch u.U. entbehrlich) Maßstab: Objektiver, verständig urteilender AG Beispiele: Häufige Verspätungen, Arbeitsverweigerung, ständige Schlechtleistung, wdh. Manko, unerlaubte Privattelefonate, Schwarzfahrten mit Firmenwagen, Strafanzeige gegen den AG, selbst wenn berechtigt, Störung des Betriebsfriedens, Annahme von Schmiergeldern, unzulässiger Wettbewerb, Straftaten im Dienst, sogar der Verdacht einer Straftat, wenn schwerwiegend. Keine Kündigungsgründe: Kinobesuch während Krankheit, außerdienstl. Betätigung für verfassungsfeindliche Partei, rechtm. Schwangerschaftsabbruch, Lohnpfändung, Schulden (anders bei leit. Angestellten oder Kassierer) Kündigung wegen unterdurchschnittlicher Leistung Die verhaltensbedingte Kündigung gegenüber einem leistungsschwachen Arbeitnehmer kann nach BAG, Urteil vom 17.1.2008, gem. § 1 Abs. 2 KSchG gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer seine arbeitsvertraglichen Pflichten dadurch vorwerfbar verletzt, dass er fehlerhaft arbeitet. Ein Arbeitnehmer genügt - mangels anderer Vereinbarungen - seiner Vertragspflicht, wenn er unter angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit arbeitet. Er verstößt gegen seine Arbeitspflicht nicht allein dadurch, dass er die durchschnittliche Fehlerhäufigkeit aller Arbeitnehmer überschreitet. Allerdings kann die längerfristige deutliche Überschreitung der durchschnittlichen Fehlerquote je nach tatsächlicher Fehlerzahl, Art, Schwere und Folgen der fehlerhaften Arbeitsleistung ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Arbeitnehmer vorwerfbar seine vertraglichen Pflichten verletzt.

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Legt der Arbeitgeber dies im Prozess dar, so muss der Arbeitnehmer erläutern, warum er trotz erheblich unterdurchschnittlicher Leistungen seine Leistungsfähigkeit ausschöpft.

5.6.1.3.3. betriebsbedingte Kündigung erforderlich: Wegfall des Arbeitsplatzes durch ➔ innerbetriebliche Umstände (Rationalisierungsmaßnahme) ➔ außerbetriebliche Gründe (Auftragsmangel) Voraussetzungen: ➔ Wegfall des konkreten Arbeitsplatzes ➔ Weiterbeschäftigung auf anderem Arbeitsplatz unmöglich ➔ Auswahl unter sozialen Gesichtspunkten. Aber: Vorrang haben die Weiterbeschäftigung (im Unternehmen, nicht im Konzern) auf einem anderen Arbeitsplatz, auch nach zumutbaren Fortbildungsund Umschulungsmaßnahmen sowie auch die Änderungskündigung oder Kurzarbeit. Es besteht aber keine Pflicht zur Beförderung, wenn ein höherwertiger Arbeitsplatz frei ist. Bei der Sozialauswahl sind nunmehr nur noch folgende Sozialdaten zu berücksichtigen: ➔ Betriebszugehörigkeit, ➔ Lebensalter, ➔ Unterhaltsverpflichtungen, ➔ Schwerbehinderung. Der Kreis der betroffenen Arbeitnehmer bestimmt sich wie folgt:

Einzubeziehen in die Sozialausw ahl sind alle AN, deren Funktion auch von denen wahrgenommen werden kann, deren Arbeitsplatz wegfällt, also die Inhaber aller Arbeitsplätze, auf die der AG den zu Kündigenden setzen kann (Austauschbarkeit). Aber: In die soziale Auswahl nach sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. So genannte Leistungsträger können ab 1.1.2004 aus der Sozialauswahl herausgenommen werden. Beweislast für die Kündigungsgründe hat der AG, für die fehlerhafte Sozialauswahl der AN!

5.6.2. Fristlose Kündigung Der Kündigungsgrund muss so schwer wiegen, dass den Parteien nicht einmal mehr das Abwarten der Kündigungsfrist zugemutet werden kann, § 626 BGB. Die fristlose Kündigung muss innerhalb von 14 Tagen ab Kenntnis der maßgeblichen Tatsachen ausgesprochen werden.

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5.6.3. Mitbestimmung des Betriebsrates bei der Kündigung Der BR ist vor jeder Kündigung zu hören. Dabei ist er umfassend zu unterrichten. Eine Kündigung ohne oder nach fehlerhafter Anhörung ist unwirksam. Die Zustimmung des BR zur K. ist allerdings nicht erforderlich (anders z.T. im öffentlichen Dienst nach PersVG). Er kann allerdings der K. widersprechen, z.B. wenn für den AN eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit im Betrieb besteht oder wenn soziale Gesichtspunkte bei der K. nicht ausreichend berücksichtigt worden sind. Hat der BR Bedenken, so muss er diese innerhalb einer Woche, bei fristlosen K. in drei Tagen, dem AG mitteilen. Wichtige Folge des Widerspruchs: Der AN ist für die Zeit eines laufenden K.schutzprozesses weiterbeschäftigt! Ein Weiterbeschäftigungsanspruch besteht neben dem Fall des ➔ ➔ ➔

BR-Widerspruchs sonst nur bei "offensichtlich unbegründeter" Kündigung oder wenn der Prozess bereits in zweiter Instanz läuft und der AN die erste gewonnen hat.

Nur die Gründe sind im Prozess verwertbar, die dem BR mitgeteilt worden sind. Besteht allerdings kein BR, so kann der AG im Prozess Gründe "nachschieben", auf die er die Kündigung bisher nicht gestützt hat.

5.6.4. Anspruch auf Abfindung Entgegen landläufiger Auffassung gibt es keinen allgemeinen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung bei betriebsbedingter Kündigung. Ein derartiger Anspruch ist im KSchG hauptsächlich für den Fall der Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses (§ 9 KSchG) vorgesehen. Als Abfindung ist hier ein Betrag bis zu 12 Monatsverdiensten festzusetzen, bei Arbeitnehmern ab 50 und 15-jährigem Bestehen können bis 15, bei 55 Lebensjahren und 20 Jahren Arbeitsverhältnis bis zu 18 Monatsverdiensten zugesprochen werden. Außerdem hat der Gesetzgeber zum 1.1.2004 § 1a KSchG eingefügt. Kündigt der Arbeitgeber betriebsbedingt und erhebt der Arbeitnehmer keine Kündigungsschutzklage, so hat der Arbeitnehmer mit dem Ablauf der Kündigungsfrist Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber in der Kündigungserklärung eine Abfindung in Höhe von (mindestens) einem halben Monatsverdienst für jedes Jahr des Bestehens des Arbeitsverhältnisses anbietet. Ein Zeitraum von mehr als sechs Monaten ist auf ein volles Jahr aufzurunden. Der Arbeitnehmer kann natürlich auch in diesem Falle Kündigungsschutzklage erheben, wenn er den Arbeitsplatz erhalten oder eine höhere Abfindung will. Dann entfällt jedoch der Anspruch nach § 1a KSchG. Der Arbeitnehmer muss sodann auf ein für ihn günstigeres Ergebnis im Prozess hoffen. Dieses Vorgehen birgt also gewisse Risiken. Erweist sich die Kündigung nämlich als rechtens, erhält er überhaupt keine Abfindung. Arbeitgeber, die gar keine Abfindung oder weniger als das halbe Monatsgehalt pro Beschäftigungsjahr zahlen wollen, müssen weiterhin ohne entsprechendes Angebot kündigen und auf ein für sie günstigeres Ergebnis im Prozess hoffen (oder eben den Kündigungsgrund darlegen und eine fehlerfreie Sozialauswahl treffen). Existiert bei einer Kündigung aufgrund einer Betriebsvereinbarung ein Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und sind die zu kündigenden Arbeitnehmer dort namentlich bezeichnet, so wird die Sozialauswahl nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft, § 1 V KSchG.

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6. Arbeitszeugnis 6.1. Zeugnisarten ➔

Der Regelfall ist das einfache Zeugnis gemäß § 109 Abs. 1 S. 1 GewO.

Beschreibung von Art und Dauer der Tätigkeit ➔

Das qualifizierte Zeugnis ist geregelt in § 109 Abs. 1 S. 2 GewO



Beschreibung von Art und Dauer der Tätigkeit



Beurteilung von Leistung und Verhalten während des Beschäftigungszeitraumes

Verlangt der Arbeitnehmer ausdrücklich ein Zeugnis, so ist ein qualifiziertes Zeugnis auszustellen. Der Arbeitnehmer darf wählen, aber nicht beide Zeugnisformen nebeneinander verlangen. ➔ Ein Anspruch auf ein Zwischenzeugnis vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses besteht grundsätzlich nicht. Ausnahmsweise soll bei wichtigen Gründen – Versetzung des Arbeitnehmers oder Wechsel des langjährigen Vorgesetzen – ein Zwischenzeugnis erteilt werden, weil sonst über einen längeren Zeitraum eine realistische Beurteilung unmöglich wäre. Ansprüche auf Zwischenzeugnis sind zum Teil in Tarifverträgen geregelt. 6.2 Notwendiger Inhalt ➔

Beteiligte des Arbeitsverhältnisses / Tätigkeit

Aussteller: Unternehmen / Branche Arbeitnehmer: Namen / Vornamen / Geburtsnamen / akademischer Grad (bei Verwechslungsgefahr auch Geburtsdatum und -jahr angeben) Tätigkeit: Art der Beschäftigung / detaillierten Aufzählung der ausge-führten Aufgaben. ➔ Personalverantwortung Angegeben werden sollte, ob und für wie viele Mitarbeiter Personalver-antwortung bestand sowie das Verhalten gegenüber Vorgesetzen und Mitarbeitern. ➔

Leistungsbeurteilung

Die Leistungsbeurteilung ist der Kernpunkt des Zeugnisses. Sie bewertet Art und Weise der Aufgabenerfüllung durch den Arbeitnehmer. Inhalt Belastbarkeit / Arbeitsbereitschaft / Eigeninitiative / Selbständigkeit / Verhandlungsgeschick / Qualität der Arbeit / besondere Fachkenntnisse Notenskala für die Leistungsbeschreibung sehr gut / gut / voll befriedigend / befriedigend / ausreichend / mangelhaft / unzureichende Leistung zulässige Formulierungen: •

stets zu unserer vollsten Zufriedenheit

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• • • •

stets zu unserer vollen Zufriedenheit zu unserer vollen Zufriedenheit stets zu unserer Zufriedenheit zu unserer Zufriedenheit

unzulässige Fomulierungen: im Großen und Ganzen zu unserer Zufriedenheit (versteckte Aussage): bemühte sich, den Anforderungen gerecht zu werden Notenskala für das Führungsverhalten sehr gute Führung / gute Führung / voll befriedigende Führung / befriedigen-de Führung / ausreichende Führung / mangelhafte Führung zulässige Formulierung:

• • • •

war stets vorbildlich war vorbildlich war stets einwandfrei war einwandfrei

unzulässige Formulierung: war ohne Tadel (versteckte Aussage): gab zu keine Klage Anlass ➔ Schlussformel: Zu einer Schlussformel ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, ein gutes Zeugnis zeichnet sich jedoch durch einen abschließenden Dank für die geleistete Arbeit und gute Wünsche für die berufliche Zukunft des Mitarbeiters aus. Das so genannte wohlwollende Zeugnis – Wohlwollen, Wahrheit und Vollständigkeit der Beurteilung Das Zeugnis soll vom Grundsatz der wohlwollenden Beurteilung geleitet sein – es soll den Arbeitnehmer in seinem weiteren beruflichen Fortkommen nicht ungerechtfertigt behindern. Es gelten daher die Grundsätze: •

Wohlwollen,



Zeugniswahrheit (umfasst auch die richtige Gewichtung der enthaltenen Aspekte),



Vollständigkeit (Einbeziehen aller wesentlichen Umstände).

Keine unklaren Formulierungen! Die Grundsätze von Wohlwollen und Wahrheit sind mitunter schwer in Einklang zu bringen. Um einer besonderen „Zeugnissprache“ vorzubeugen , hat der Gesetzgeber in § 109 Absatz 2 GewO geregelt, dass Zeugnis „… klar und verständlich formuliert …“ sein muss und keine Formulierungen enthalten darf, die versteckt eine andere Aussage treffen, als die, die der Wortlaut ergibt. BAG-Urteil vom 12. August 2008: Notwendiger Inhalt der Zeugnisse von Tageszeitungsredakteuren Nach § 109 Abs. 2 GewO muss das Zeugnis klar und verständlich formuliert sein (Grundsatz der Zeugnisklarheit). Deshalb darf das Zeugnis keine Formulierungen enthalten, die eine andere als die aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer treffen. Weiterhin muss das erteilte Zeugnis Leistung und Sozialverhalten des Arbeitnehmers bei wohlwollender Beurteilung zutreffend wiedergeben (Grundsatz der Zeugniswahrheit). Der weitere notwendige Zeugnisinhalt bestimmt sich

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nach dem Zeugnisbrauch. Dieser kann nach Branchen und Berufsgruppen unterschiedlich sein. Lässt ein erteiltes Zeugnis hiernach übliche Formulierungen ohne sachliche Rechtfertigung aus, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Ergänzung. Die Auslassung eines bestimmten Inhalts, der von einem einstellenden Arbeitgeber in einem Zeugnis erwartet wird, kann ein unzulässiges Geheimzeichen sein. Der Kläger war von Februar 1993 bis März 2003 als Redakteur bei der von der Beklagten herausgegebenen Tageszeitung tätig. Mit Datum vom 31. März 2003 erteilte die Beklagte dem Kläger ein qualifiziertes Zeugnis. Der Kläger macht u.a. geltend, im erteilten Zeugnis fehle die Hervorhebung seiner Belastbarkeit in Stresssituationen. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Der Neunte Senat hat das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Es wird aufzuklären haben, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, für Tageszeitungsredakteure sei die Hervorhebung dieser Belastbarkeit im Zeugnis üblich. Die Auslassung sei ein Geheimzeichen.

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7. Struktur der Arbeitsgerichtsbarkeit Die Arbeitsgerichtsbarkeit ist gemäß Art. 92, 20 Abs. 3 Grundgesetz Teil der rechtsprechenden Gewalt des Staates. Sie besteht aus drei Instanzen: ➔ den Arbeitsgerichten, ➔ den Landesarbeitsgerichten und, ➔ dem Bundesarbeitsgericht. An der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte wirken in allen Instanzen neben den Berufsrichtern ehrenamtliche Richter mit, die paritätisch aus Kreisen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer berufen werden. Bei den Arbeitsgerichten findet vor der eigentlichen Streitverhandlung zunächst ein Güteverfahren unter Leitung eines Berufsrichters statt. Gelingt keine Einigung, entscheidet die Kammer, zumeist nach einem zweiten Verhandlungstermin unter dem Vorsitz eines Berufsrichters und jeweils einem Arbeitnehmer- und einem Arbeitgeberbeisitzer (Ehrenamtliche Richter). Das Landesarbeitsgericht entscheidet ebenfalls unter dem Vorsitz eines Berufsrichters unter Mitwirkung von zwei Beisitzern. Handelt es sich um eine Rechtssache von grundsätzlicher Bedeutung, kann das Landesarbeitsgericht die Revision zum Bundesarbeitsgericht in Erfurt zulassen. Die Senate des Bundesarbeitsgerichts sind jeweils mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt. Die Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern hat in der Arbeitsgerichtsbarkeit eine lange Tradition: Durch Einbeziehung der unmittelbaren Anschauungen des Arbeitslebens soll die gewünschte lebensnahe Rechtsprechung der Arbeitsgerichte erreicht werden. Die ehrenamtlichen Richter sind ebenso wie die Berufsrichter neutral und unabhängig. Sie werden zwar von Arbeitgeberverbänden und Arbeitnehmervereinigungen (Gewerkschaften) benannt, üben ihr Amt aber unparteilich und frei von Weisungen und Einflüssen aus und sind gemäß Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz nur an Gesetz und Recht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen. Die besonderen Regelungen der Gerichtskosten und der Gebühren gestalten das Verfahren vor den Arbeitsgerichten billiger als in der Zivilgerichtsbarkeit. Im Verfahren der 1. Instanz (Arbeitsgerichte) wird eine sogenannte zweifache Gebühr erhoben, deren Höhe sich nach dem Streitwert richtet, und die derzeit mindestens 25 Euro beträgt. Die Obergrenze von 500 Euro ist seit dem 01.07.2004 allerdings aufgehoben. Bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs entfallen alle Gerichtsgebühren. Außerdem hat die unterlegene Partei der obsiegenden in der 1. Instanz in der Regel keine außergerichtlichen Kosten (hauptsächlich Anwaltskosten) zu erstatten. Weiterhin gibt es im arbeitsgerichtlichen Verfahren keine Zweitschuldnerhaftung, d.h. im Falle eines Obsiegens der klagenden Partei ist diese auch dann nicht zur Zahlung der Kosten verpflichtet, wenn die unterlegene Partei zahlungsunfähig ist.