Therapieempfehlungen der AkdÄ
Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom
Roland Gugler Karlsruhe Vorstandsmitglied der AkdÄ Es bestehen keine Interessenkonflikte
Funktionelle Magen-Darm Beschwerden
Funktionelle Dyspepsie
Reizdarmsyndrom
Funktionelle Magen-Darm-Beschwerden Definition Abdminelle Beschwerden > 3 Monate / rezidivierend
Keine morphologische Abnormitäten Keine objektiven Diagnosekrtiterien Keine gesicherte eindeutige Pathogenese Keine pathophysiologisch begründete Therapie
Funktionelle Dyspepsie Symptome
Oberbauchschmerzen Frühes Sättigungsgefühl Druck- und Völlegefühl Sodbrennen, saures Aufstoßen Nicht-saures Aufstoßen Übelkeit, Erbrechen
Funktionelle Dyspepsie Pathophysiologie
Säuresekretion Helicobacter pylori Motilitätsstörungen (Dysmotilität) Perzeptionsstörungen (viszerale Hyperalgesie)
Typische Anamnese + Beschwerden • • • • Somatisch Globusgefühl Parästhesien Atemhemmung Herzsensationen
Beschwerdewechsel Fehlende Progredienz Konstantes Gewicht Assoziation mit Stress Psychisch Innere Unruhe Konzentrationsschwäche Erschöpftheit depressive Stimmungslage
Labor BKS, Blutbild GPT, Gamma-GT E`lyte Kreatinin
Untersuchungen Sono ÖGD Sigmoido-/Koloskopie Dünndarmpassage
Negativ
Funktionelles Magen-Darm-Syndrom
Funktionelle Dyspepsie - Typen • Ulkustyp • Refluxtyp • Dysmotilitätstyp
Therapie der Funktionellen Magen-Darm-Syndrome
Allgemeinmaßnahmen: Schulung, Diät
Stressabbau ggf. gezielte psychosomatische Behandlung
Medikamentöse Behandlung
Funktionelle Dyspepsie und Reizdarmsyndrom Führung des Patienten Therapiegespräch – Ziele Leidensdruck ernst nehmen Angst vor ernster Erkrankung (Karzinom) ansprechen Pathomechanismus (Krankheitsmodell) erklären Konfliktlösung im psychosozialen Bereich Änderung der Lebensführung / mehr Eigenverantwortung
Funktionelle Dyspepsie Empirisches Vorgehen Vorwiegend säuretypische Beschwerden
Vorwiegend motilitätsbedingte Beschwerden
Säurehemmende Pharmaka Prokinetika
Weitere Therapieresistenz
Überprüfung der Diagnose
Funktionelle Dyspepsie - Medikamentöse Therapie 1. Säurehemmende Pharmaka Protonenpumpeninhibitoren (1. Wahl) H2-Antagonisten Antazida 2. Prokinetika Metoclopramid Domperidon Erythromycin (Cisaprid)
Therapie Funktionelle Dyspepsie H2-Antagonisten Wirksamkeit belegt (Cochrane Collaboration), aber: • Relativ kleine Studien • Ergebnisse nicht einheitlich • RRR 22% • NNT 8
Therapie Funktionelle Dyspepsie Protonenpumpeninhibitoren Wirksamkeit belegt (Cochrane Collaboration) • Große Studien. • Ergebnisse einheitlich. • Überlegenheit gegenüber H2-Antagonisten. • Erfolgsrate größer bei ulkusähnlichen Beschwerden und Refluxbeschwerden. • RRR 14%. • NNT 9.
Therapie Funktionelle Dyspepsie Antazida Wirksamkeit nicht belegt (Cochrane Collaboration) • Kein Unterschied zu Plazebo • Wirkung allenfalls kurzfristig (Stunden)
Therapie Funktionelle Dyspepsie Prokinetika Cisaprid • Zulassung ruht wegen Interaktionen + lebendbedrohlichen Arrhythmien ! • Wirksamkeit belegt (RRR 48%, NNT 5)
Metoclopramid • Wirksamkeit < Cisaprid • Extrapyramidale UAWs
Domperidon • Wirksamkeit bei schlechter Datenlage
Erythromycin • Potentes Prokinetikum • Schlechte Verträglichkeit in Langzeitstudien
H.p.–Eradikation bei Funktioneller Dyspepsie ? Wirksamkeit belegt • Metaanalyse aus 18 großen Studien • Signifikante relative Risikoreduktion (RRR) von 10% • NNT 14 • Therapeutischer Gewinn nur für eine kleine Gruppe von Patienten • Kosten-Nutzen-Analyse grenzwertig
Definition Reizdarmsyndrom Manning Kriterien (1978) (Brit Med J 2;1978:653) Rom I Konsensus (1989) (Gastroenterol Int 3;1990:159) Rom II Konsensus (1999) (Gut 45;1999: Suppl. II)
Allen Definitionen gemeinsam: Schmerzen im Unterbauch und verändertes Stuhlverhalten (Durchfall, Verstopfung) persistierend über mehr als 3 Monate bei Ausschluß organischer Ursachen
Reizdarmsyndrom A. Typische Beschwerden
Diffuse Leibschmerzen Meteorismus / Blähungen Flatulenz Stuhlunregelmäßigkeiten (Obstipation, Diarrhoe) Erleichterung nach Stuhlgang Gefühl der inkompletten Stuhlentleerung Schleimabsonderung
B. Assoziierte Symptome
Depressive Verstimmung Migräne Reizblase Karzinophobie Myogelosen Palpitationen
Symptome bei Reizdarmsyndrom Empfindlichkeit des Enddarmes bei Dehnung mit Ballon
100 80
Pat. mit RDS
Probanden 60 mit Schmerz, % 40
Gesunde Probanden
20 0 Ritchie, Gut 1973
0
20 40 60
100 200 Ballonvolumen (ml)
300
Postinfektiöses Reizdarmsyndrom Salmonellen-Gastroenteritis
31 % RDS (> 1 Jahr)
(McKenrick et al, J Infect 1994)
Unspezifische Gastroenteritis
31 % RDS (> 6 Mo.)
(Gwee et al, Lancet 1996)
Bakterielle Gastroenteritis
7 % RDS (> 6 Mo.)
(Gwee et al, Gut 1999)
Risikofaktoren
- Hypochondrische Persönlichkeit - Belastende Lebenssituation.
Ausschluß anderer Ursachen dringlich bei Alarmsymptomen: Kurze Vorgeschichte Gewichtsverlust Blut im Stuhl Störung der Nachtruhe durch die Beschwerden Stetige Zunahme der Beschwerden
Diagnose Reizdarmsyndrom Anamnese
Symptome
Bauchschmerzen Diarrhoe/Obstipation Keine Alarmsymptome etc.
Labor Entzündungsparameter Blutbild Elektrolyte Leberwerte H2-Atemteste
Apperative D.
Sonografie Koloskopie Gastroskopie Dünndarmpassage
Reizdarmsyndrom - Untergruppen Gruppe I
Diarrhoe-Typ
Gruppe II
Obstipations-Typ
Gruppe III
Meteorismus-Schmerz-Typ
Medikamentöse Therapie des Reizdarmsyndroms
stuhlregulierend entblähend spasmolytisch motilitätsregulierend
Ballaststoffe bei Reizdarmsyndrom Wirksamkeit versus Nebenwirkungen? Nahrungsmittel Weizenkleie Vollkornbrot Mischbrot
Ballaststoffe (%) 44,0 8,5 5,1
Erbsen Kohl Kartoffeln
5,0 2,8 3,5
Beeren Äpfel Bananen
7,4 2,3 1,8
Antidiarrhoika bei Reizdarmsyndrom Typ I • Flohsamen (Quellmittel)
1 – 2 x 5 g/d
• Loperamid 3 – 4 x 2 mg/d nur in schweren Fällen. UAW: Übelkeit, Benommenheit, Mundtrockenheit
Laxanzien bei Reizdarmsyndrom Typ II • Quellmittel
Flohsamen
1 – 2 x 5 g/d
• Osmotika Lactulose
1 – 2 x 5 – 10 g/d
• Lubrikanzien Glycerol
1 – 2 g/d
Reizdarmsyndrom Typ III • Anticholinergika Beispiel Mebeverin 3 x 125 mg Wirksamkeit umstritten (individuell) Keine Langzeitwirkung • Antidepressiva in niedriger Dosierung Beispiel Imipramin 10 – 25 mg/d • Karminativa Beispiel Pfefferminzöl
Zukünftige Therapieansätze bei Reizdarmsyndrom 5-HT3-Antagonist Partieller 5-HT4-Agonist 5-HT4-Agonist Cholecystokinin-1-Antagonist Dopamin-2-Antagonist
Alosetron , Cilansetron Tegaserod Prucaloprid Levosulprid
Alosetron beim Reizdarmsyndrom Metaanalyse 6 Studien – 3118 Patienten (Cremonini et al, Neurogastroenterol.Motil. 15:79-86,2003)
• Überwiegend Diarrhoe • Therapieerfolg OR 1,81 (1,57 – 2,10) NNT 7,0 (5,74 – 9,43) • Kein anhaltender Therapieerfolg nach Therapieende • UAW - Obstipation 25 % - Therapieabbruch 10 % - Ischämische Kolitis 3 ‰ •06/2002 Eingeschränkte Zulassung (USA): - nur Frauen mit Diarrhoe - Arzt mit spezieller Qualifikation - Patientin unterschreibt Vereinbarung nach Aufklärung
Tegaserod bei Reizdarmsyndrom - Metaanalyse • • • • • • • •
4 plazebokontrollierte Studien > 4000 Frauen Einschlusskriterium Obstipation Therapieerfolg Plazebo ~ 35 % Therapeutischer Gewinn Tegaserod 6 – 12 % UAW - Diarrhoe 8 – 12 % - Therapieabbruch 6 % Dosis 2 x 6 mg Zulassung zurückgezogen (03/2007): USA, Schweiz
Schlussfolgerungen Therapie der Funktionellen Magen-Darm-Syndrome symptomatisch. Erfolgskriterien subjektiv. Medikamentöse Therapie selten mit Langzeiterfolg. Evaluation des Therapieerfolges schwierig wegen hoher Plazeborate. Überprüfung Therapieentscheidung nach 2 – 3 Monaten.