Fälle zum GmbH-, Aktien- und Konzernrecht - Verlag Franz Vahlen

Verletzung von Normen, die im öffentlichen Interesse liegen (§ 241 Nr. 3 3. Fall. AktG). Fraglich ist, ob die §§ 192 II Nr. 3, III 1, 193 II Nr. 4 Akt...

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Klausurenkurs - Juristische Übungsbücher

Fälle zum GmbH-, Aktien- und Konzernrecht von Dr. Markus Käpplinger 3., neu bearbeitete Auflage

Fälle zum GmbH-, Aktien- und Konzernrecht – Käpplinger schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG Thematische Gliederung: Gesamtdarstellungen – Handels- und Wirtschaftsrecht

Verlag Franz Vahlen München 2012 Verlag Franz Vahlen im Internet: www.vahlen.de ISBN 978 3 8006 3833 8

Inhaltsverzeichnis: Fälle zum GmbH-, Aktien- und Konzernrecht – Käpplinger

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2. Verletzung von Normen, die im öffentlichen Interesse liegen (§ 241 Nr. 3 3. Fall AktG) Fraglich ist, ob die §§ 192 II Nr. 3, III 1, 193 II Nr. 4 AktG im öffentlichen Interesse liegen. Dann wäre ein Verstoß gegen diese Normen als Nichtigkeitsgrund iSd § 241 Nr. 3, 3. Fall AktG anzusehen. Dem öffentlichen Interesse dienen solche Normen, die ausschließlich oder überwiegend im öffentlichen Interesse bestehen. Der Begriff des öffentlichen Interesses ist weit auszulegen. Er umfasst neben dem »ordre public« alle Normen, die das Strukturbild einer AG prägen, also Vorschriften der Mitgliedschaft sowie der Verbandsund Kapitalstruktur, soweit diese, wie etwa die Vorschriften der Kapitalerhaltung, nicht bereits unter die Gruppe der gläubigerschützenden Regelungen (vgl. § 241 Nr. 3 2. Fall AktG) fallen.401 Teilweise wird eine öffentliche Zweckbestimmung der §§ 192 II Nr. 3, III 1, 193 II Nr. 4 AktG bejaht, da diese Normen einen Missbrauch des bedingten Kapitals verhindern sollen402 Dabei wird übersehen, dass die §§ 192 II Nr. 3, III, 1, 193 II Nr. 4 AktG hauptsächlich dazu dienen, die Kompetenzen zwischen Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung abzugrenzen (siehe oben). Daher sind die §§ 192 II Nr. 3, III, 1, 193 II Nr. 4 AktG lediglich als interne Kompetenznormen anzusehen, die sich nur an die jeweiligen Gesellschaftsorgane richten. Sie dienen dem Aktionärsschutz, aber nicht dem öffentlichen Interesse.403 3. »Wesen der Aktiengesellschaft« (§ 241 Nr. 3 1. Fall AktG) Gem. § 241 Nr. 3 1. Fall AktG ist ein Beschluss des Weiteren nichtig, wenn er mit dem »Wesen der Aktiengesellschaft« nicht zu vereinbaren ist. Das wäre der Fall, wenn der Beschluss offensichtlich keinen Bestand haben kann, und zwar ohne dass sich dies auf eine konkrete Norm stützen lässt.404 § 241 Nr. 3 1. Fall AktG ist damit ein Auffangtatbestand. Hier lässt sich die Rechtswidrigkeit des Beschlusses anhand konkreter Vorschriften (§§ 192 II Nr. 3, III, 1, 193 II Nr. 4 AktG) überprüfen. Auch kommt diesen Vorschriften keine derart grundlegende und wesensgebende Bedeutung zu, dass eine Verletzung derselben als mit dem »Wesen der Aktiengesellschaft« nicht zu vereinbaren anzusehen wäre. Vielmehr sind diese Normen lediglich als interne Kompetenzverteiltungsnormen einzuordnen (siehe oben). Nichtigkeitsgründe liegen demnach hier nicht vor.

II. Vorliegen von Anfechtungsgründen 1. Anfechtungsbefugnis und -frist Anfechtungsgründe können nur dann berücksichtigt werden, wenn A anfechtungsbefugt ist und er die Klage rechtzeitig erhoben hat.

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Hüffer § 241 Rn. 18. KK-AktG/Lutter § 193 Rn. 18; Raiser/Veil KapGesR § 20 Rn. 34. Vgl. Hirte, RWS-Forum Gesellschaftsrecht 1999, 211 (226 f.); Vogel BB 2000, 937 (939). Hüffer § 241 Rn. 21.

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Die Anfechtungsbefugnis des A ergibt sich aus § 245 Nr. 1 AktG. Er hat auf der Hauptversammlung ordnungsgemäß Widerspruch zur Niederschrift erklärt. Laut Sachverhalt hat er zudem innerhalb einer Woche seine Klage eingereicht, sodass die Monatsfrist des § 246 I AktG gewahrt ist. Hinweis: 1. Die Monatsfrist des § 246 I AktG ist eine materiell-rechtliche Frist, weil sie das Anfechtungsrecht beschränkt. Anders als bei den Klagefristen des öffentlichen Rechts ist die Anfechtungsfrist bei der Begründetheit und nicht bereits bei der Zulässigkeit einer Klage zu prüfen.405 Dasselbe gilt für die Anfechtungsbefugnis.406 2. Im Prozess müssen alle Anfechtungsgründe innerhalb der Anfechtungsfrist vorgetragen werden, andernfalls sind sie unbeachtlich.407

2. Anfechtungsgründe Gem. § 243 I AktG kann eine Anfechtungsklage auf Gesetzes- oder Satzungsverstöße gestützt werden. Satzungsverstöße sind hier nicht ersichtlich. Der Kapitalerhöhungsbeschluss der Z-AG ist deshalb lediglich auf formelle und materielle Gesetzeswidrigkeit hin zu überprüfen. Von der formellen Rechtmäßigkeit des Beschlusses ist laut Sachverhalt auszugehen. Der Beschluss könnte jedoch gegen §§ 192 II Nr. 3, III 1, 193 II Nr. 4 AktG sowie gegen § 255 II AktG verstoßen und somit materiell rechtswidrig sein. a) Verstoß gegen § 192 II Nr. 3 AktG Hier sollen die Optionen auch Aufsichtsratsmitgliedern gewährt werden. Fraglich ist, ob Aufsichtsratsmitglieder überhaupt zu dem Berechtigtenkreises eines über das bedingte Kapital abgedeckten Optionsplanes gehören können. Der Kreis der potenziellen Bezugsberechtigten ergibt sich aus § 192 II Nr. 3 AktG. Aufsichtsratsmitglieder sind dort nicht erwähnt. Zwar könnte daran gedacht werden, den Aufsichtsrat als Teil der Geschäftsführung anzusehen, weil dem Aufsichtsrat über den Zustimmungsvorbehalt des § 111 IV 2 AktG zumindest in Teilbereichen Geschäftsführungsaufgaben zukommen können. Jedoch handelt es sich bei § 111 IV 2 AktG um eine Ausnahmeregelung. Grundsätzlich führt der Aufsichtsrat keine Maßnahmen der Geschäftsführung durch (§ 111 IV 1 AktG). Deshalb zählt er auch nicht zur Geschäftsführung. Diese restriktive Auslegung des § 192 II Nr. 3 AktG wird durch die Entstehungsgeschichte der Norm gestützt. So enthielt der Referentenentwurf des § 192 II Nr. 3 AktG statt der Begriffe »Mitglieder der Geschäftsführung« noch den Begriff »Organmitglieder« und umfasste damit auch Aufsichtsratsmitglieder.408 Der BGH sieht Aufsichtsratsmitglieder ebenfalls nicht von § 192 II Nr. 3 AktG als erfasst an.409 Auch eine analoge Anwendung des § 192 II Nr. 3 AktG verbietet sich. Denn aufgrund befürchteter Interessenkonflikte bei der Teilnahme von Aufsichtsratsmitglieder an einem Aktienoptionsplan wurden Aufsichtsratsmitglieder aus dem

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Hüffer § 246 Rn. 20 (mwN). Hüffer § 245 Rn. 2 (mwN). BGHZ 120, 141 (157). Referenten-Entwurf ZIP 1996, 2129 (2137). BGH NJW 2004, 1109 (1109).

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Wortlaut des § 192 II Nr. 3 AktG bewusst herausgenommen.410 Es liegt somit keine Gesetzeslücke vor. Daher widerspricht die von der Z-AG vorgenommene Einbeziehung der Aufsichtsratsmitglieder der Vorschrift des § 192 II Nr. 3 AktG. b) Verstoß gegen § 192 III 1 AktG Zur Bedienung der Aktienoptionen hat die Z-AG eine bedingte Kapitalerhöhung im Umfang von 12 % des bei Beschlussfassung vorhandenen Grundkapitals beschlossen. Gem. § 192 III 1 AktG darf jedoch der Umfang des bedingten Kapitals zur Bedienung von Optionsplänen 10 % des Grundkapitals nicht überschreiten. Folglich ist der Kapitalerhöhungsbeschluss der Z-AG mit § 192 III 1 AktG nicht zu vereinbaren. c) Verstoß gegen § 193 II Nr. 4 AktG aa) Aufteilung der Bezugsrechte Gem. § 193 II Nr. 4 AktG muss im Kapitalerhöhungsbeschluss die Aufteilung der Bezugsrechte auf die Mitglieder der Geschäftsführung und Arbeitnehmer vorgenommen werden. Eine gruppenhafte Aufteilung reicht dabei aus.411 Laut Sachverhalt ist das erfolgt. Ein Verstoß gegen die von § 193 II Nr. 4 AktG geforderte Aufteilung der Bezugsrechte ist hier somit nicht gegeben. bb) Mindestwartezeit bzw. Sperrfrist Die Mindestwartezeit bzw. die Sperrfrist, nach deren Ablauf die Optionen das erste Mal ausgeübt werden dürfen, beträgt gem. § 193 II Nr. 4 AktG vier Jahre. Die Z-AG sieht in ihrem Kapitalerhöhungsbeschluss lediglich eine Sperrfrist von einem Jahr vor. Das widerspricht der Regelung des § 193 II Nr. 4 AktG. cc) Angabe der Erwerbs- und Ausübungszeiträume Nach der Vorschrift des § 193 II Nr. 4 AktG sind im Kapitalerhöhungsbeschluss u. a. die Erwerbs- und Ausübungszeiträume anzugeben. Das sind die Zeiträume, zu denen die Optionen ausgegeben bzw. ausgeübt werden dürfen. Hier können die Optionen jederzeit an die Optionsberechtigten ausgegeben und nach Ablauf der einjährigen Sperrfrist auch jederzeit eingelöst werden. Fraglich ist, ob solche jederzeitigen Ausgabe- und Ausübungsmöglichkeiten mit § 193 II Nr. 4 AktG zu vereinbaren sind. Immerhin steht der Wortlaut des § 193 II Nr. 4 AktG dem nicht entgegen. Jedoch ist zu bedenken, dass der Gesetzgeber, wenn er jederzeitige Ausgabe- und Erwerbsmöglichkeiten hätte zulassen wollen, in § 193 II Nr. 4 AktG nicht angeordnet hätte, die Ausgabe- und Erwerbszeiträume im Kapitalerhöhungsbeschluss festzuschreiben. Dafür lassen sich auch der Sinn und Zweck des § 193 II Nr. 4 AktG anführen. Die Festlegung von Erwerbs- und Ausübungszeiträumen dient nämlich dazu, bei Optionsausgabe sowie bei Optionsausübung Insiderdelikte (§§ 12 ff. WpHG) zu vermeiden.412 Das aber ist nur möglich, wenn die entsprechenden Erwerbs- und Ausübungszeiträume von vornherein auf eng begrenzte Zeiträume beschränkt werden und damit Insiderinformationen entweder überhaupt nicht ausgenutzt werden können oder nur derart, dass keine Kausalität zwischen Insiderinformationen und dem Erwerb der Aktien besteht. Daher sind die Erwerbs- und Ausübungszeiträume des

410 RegBegr. KonTraG, BT-Drs. 13/9712, 23 = ZIP 1997, 2059 ff. 411 Hüffer § 193 Rn. 9. 412 Friedrichsen Aktienoptionsprogramme 181; Götze Aktienoptionen 114.

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§ 193 II Nr. 4 AktG möglichst kurz zu halten.413 Dem aber widerspricht die hier beschlossene jederzeitige Erwerbs- und Ausübungsmöglichkeit. Der Beschluss ist insoweit nicht mit § 193 II Nr. 4 AktG vereinbar (aA vertetbar). dd) Erfolgsziele Gem. § 193 II Nr. 4 AktG müssen im Kapitalerhöhungsbeschluss Erfolgsziele angegeben werden. Nach den Regelungen des Optionsplanes der Z-AG dürfen die Optionen erst ausgeübt werden, wenn der Kurs der Unternehmensaktie seit dem Ausgabetag der Optionen um mindestens 10% gestiegen ist. Fraglich ist, ob eine solche Ausübungshürde als Erfolgsziel iSd § 193 II Nr. 4 AktG anzusehen ist. Problematisch könnten dabei insbesondere die relativ geringe Hürdenhöhe von 10% sowie die fehlende Anbindung der Hürde an einen Vergleichsindex sein. Eine konkrete Hürdenhöhe lässt sich aus § 193 II Nr. 4 AktG nicht entnehmen. Die Vorschrift schreibt lediglich vor, dass im Kapitalerhöhungsbeschluss die Erfolgsziele der Optionen enthalten sein müssen. Der Gesetzgeber wollte bewusst keine Mindestanforderung an die Höhe von Erfolgszielen stellen. Daher verstößt zumindest die hier veranschlagte Hürdenhöhe von 10 % nicht gegen den Erfolgszielbegriff des § 193 II Nr. 4 AktG. Damit ist aber noch nichts darüber gesagt, ob der vom Gesetzgeber eingeräumte Freiraum auch die freie Wahl der Hürdenart umfasst, ob also die Unternehmen verpflichtet sind, Kurshürden an das Übertreffen eines Vergleichsindex zu binden (sog. relative Kurshürden) oder ob es genügt, wenn der Kurs – wie hier – absolut um einen bestimmten Prozentsatz gestiegen ist (sog. absolute Kurshürden). Die herrschende Meinung hält beide Hürdenarten im Rahmen des § 193 II Nr. 4 AktG für zulässig.414 Dabei wird verkannt, dass § 193 II Nr. 4 AktG ausdrücklich die Angabe von Erfolgszielen und damit den Eintritt eines Erfolges verlangt. Von einem Erfolg kann jedoch schon vom Wortsinn her nicht bereits gesprochen werden, wenn der Aktienkurs im Wege einer Hausse steigt (sog. »Windfall Profits«), sondern erst dann, wenn dies – zumindest abstrakt gesehen – auch auf der Leistung der Optionsinhaber beruht. Ein derartiges Kausalitätsverhältnis zwischen Leistung und Kurserfolg lässt sich aber nur bei relativen Kurshürden herstellen, dh wenn Aktienkurs des Unternehmens die Entwicklung eines Vergleichsindex, der sich sinnvollerweise aus Wettbewerbsunternehmen zusammensetzt, geschlagen hat. Absolute Kurshürden sind daher mit § 193 II Nr. 4 AktG nicht vereinbar. Bei ihnen fehlt wegen der Möglichkeit von »Windfall Profits« das vorgenannte Kausalitätsverhältnis. Da es sich bei der von der Z-AG verwendeten Kurshürde ebenfalls um eine solche absolute Kurshürde handelt, widerspricht diese nach der hier vertretenen Auffassung dem Erfolgszielbegriff des § 193 AktG. Sie ist folglich unzulässig (aA gut vertretbar). d) Anfechtung gem. § 243 II AktG? Die praktische Bedeutung des § 243 II AktG in einem Anfechtungsprozess ist gering. Die meisten Fallkonstellationen lassen sich bereits über die Treuepflichtverletzung bzw. über die materielle Beschlusskontrolle lösen.415 Der Vorschrift kommt daher gegenüber § 243 I AktG nur Auffangfunktion zu. 413 RegBegr. KonTraG, BT-Drs. 13/9712, 24 = ZIP 1997, 2059 ff. 414 AG 2001, 26, 31 Fn. 47; RegBegr. KonTraG, BT-Drs. 13/9712, 23 = ZIP 1997, 2059 ff.; und wohl auch LG Stuttgart BB 2000, 2220 (2221) = AG 2001, 152 = DB 2000, 2110 = EWiR 2000, 1087 mAnm Luttermann = ZIP 2000, 2110 – DaimlerChrysler sowie Hüffer § 193 Rn. 9. 415 Raiser/Veil KapGesR § 16 Rn. 154.

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Voraussetzung für eine erfolgreiche Anfechtung eines Beschlusses gem. § 243 II AktG ist, dass ein Aktionär für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft zu erlangen suchte. Hier könnte die Einräumung der Optionen als Sondervorteil angesehen werden, da der Begriff des Sondervorteils weit zu fassen ist. Er bezieht sich nämlich auf jeden Vorteil, der eine sachwidrige Bevorzugung darstellt.416 Gleichwohl ist § 243 II AktG hier nicht einschlägig. Denn hinsichtlich der Erlangung des Sondervorteils ist mindestens bedingter Vorsatz erforderlich, wie sich aus dem Wortlaut der Norm (»zu erlangen suchte«) ergibt.417 Hier aber sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, aus denen sich ein vorsätzliches Handeln ableiten lässt (andere Auffassung vertretbar). e) § 255 II AktG als Anfechtungsgrund? Gem. § 255 II AktG kann ein Kapitalerhöhungsbeschluss, bei dem das Bezugsrecht ganz oder zum Teil ausgeschlossen worden ist, auch angefochten werden, wenn der Ausgabebetrag der Aktien unangemessen niedrig ist. aa) Ausschluss des Bezugsrechts Anders als bei einer regulären Kapitalerhöhung (§§ 182 ff. AktG), bei der das Bezugsrecht der Aktionäre auf Aktien nur dann ausgeschlossen ist, wenn die Hauptversammlung dies ausdrücklich beschließt (§ 186 III AktG), ist bei einer bedingten Kapitalerhöhung in jedem Kapitalerhöhungsbeschluss ein Bezugsrechtsausschluss immanent enthalten.418 Die bedingte Kapitalerhöhung dient nämlich ganz bestimmten Zwecken (§ 192 AktG). Um diese erreichen zu können, muss von vornherein das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen sein. Der Anwendungsbereich des § 255 II AktG ist damit eröffnet. bb) Unangemessen niedriger Ausgabebetrag Bei der Frage, ob der Ausgabebetrag der Aktien als unangemessen niedrig iSd § 255 II AktG anzusehen ist, sind alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen. Hier könnte für das Vorliegen eines unangemessen niedrigen Ausgabepreises angeführt werden, dass die Optionsinhaber die Aktien im Zeitpunkt der späteren Optionsausübung zu einem um mindestens 10 % geringeren Betrag erwerben können als der dann gültige Marktpreis. Jedoch ist für die Beurteilung der Unangemessenheit des Ausgabebetrages der Aktien nicht auf den Zeitpunkt der Optionseinlösung abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses. Zu diesem Zeitpunkt aber dürfte, eine zeitliche Nähe zwischen Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses und Ausgabe der Optionen vorausgesetzt, der Börsenkurs der Gesellschaft vom Ausgabebetrag der veroptionierten Aktien nur unwesentlich abweichen bzw., je nach Kursentwicklung der Aktie im Zeitraum zwischen der Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses und der Ausgabe der Optionen, sich mit diesem sogar decken. Es kann hier deshalb nicht von einem unangemessen niedrigen Ausgabebetrag der Aktien gesprochen werden (andere Auffassung vertretbar). f) Erfordernis sachlicher Rechtfertigung? Sowohl Rechtsprechung als auch Lehre stellen für einige Beschlüsse neben den ausdrücklichen gesetzlichen Beschlussanforderungen das ungeschriebene Erfordernis der 416 Hüffer § 243 Rn. 35. 417 Hüffer § 243 Rn. 34. 418 Hüffer § 192 Rn. 3.

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sachlichen Rechtfertigung auf. Danach ist ein Beschluss materiell nur rechtmäßig, wenn er sachlich gerechtfertigt ist, dh wenn er zur Erreichung des Gesellschaftsinteresses geeignet, erforderlich und angemessen ist (sog. materielle Beschlusskontrolle).419 Fraglich ist, ob eine materielle Beschlusskontrolle auch bei Beschlüssen gem. § 192 II Nr. 3 AktG stattfindet. Das ist umstritten. Die hM grenzt den Anwendungsbereich der materiellen Beschlusskontrolle mit Hilfe einer Zwei-Schritt-Formel ab.420 Im ersten Schritt wird gefragt, ob mit dem Beschluss ein schwerer Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre verbunden ist. Ein solcher Eingriff ist regelmäßig bei einem Bezugsrechtsausschluss wegen der dadurch eintretenden Verwässerung des Mitgliedschaftsrechtes zu bejahen. Da, wie bereits festgestellt, bei der bedingten Kapitalerhöhung stets das Bezugsrecht der Aktionäre ausgeschlossen ist, liegt hier ein schwerer Eingriff in die Mitgliedschaftsrechte der Aktionäre vor. Mit Bejahung des ersten Prüfschrittes ist aber noch nicht endgültig über den Anwendungsbereich der Beschlusskontrolle entschieden. In einem zweiten Schritt ist zu fragen, ob der Gesetzgeber die notwendige Abwägung zwischen Eingriffstiefe und Verletzungsausgleich nicht bereits selbst vorgenommen hat. Ist das zu bejahen, findet keine materielle Beschlusskontrolle statt. Für Optionspläne hat der Gesetzgeber in § 193 II Nr. 4 AktG eine detaillierte Regelung geschaffen, die den Schutz der Aktionäre bezweckt und den Rechtseingriff im Wege einer gesetzlichen Abwägungsentscheidung entschärft. Daher ist hier eine gesetzgeberische Abwägungsentscheidung bereits vorhanden. Eine materielle Beschlusskontrolle findet deshalb bei Optionsplänen im Rahmen des bedingten Kapitals nicht statt.421 Der Beschluss der Z-AG bedarf folglich keiner sachlichen Rechtfertigung.

C. Ergebnis

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Der Kapitalerhöhungsbeschluss der Z-AG verstößt gegen § 192 II Nr. 3, III 1 AktG sowie gegen § 193 II Nr. 4 AktG. Er ist gem. § 243 I AktG anfechtbar. Die Klage des A ist somit zulässig und begründet. Sie hat Aussicht auf Erfolg. Aufbauhinweis: Statt zuerst Nichtigkeitsgründe und dann Anfechtungsgründe zu prüfen, hätte der Beschluss auch zunächst allgemein auf Gesetzesverstöße hin überprüft werden können, um dann im zweiten Schritt zu fragen, ob die konkreten Gesetzesverstöße zur Nichtigkeit oder nur zur Anfechtbarkeit führen. Ein solcher Aufbau ist dann nachteilig, wenn die Anfechtungsfrist des § 246 I AktG bereits abgelaufen ist. Dann dürfen wegen des Fristablaufes nur noch Nichtigkeitsgründe, aber keine Anfechtungsgründe mehr geprüft werden.

419 Hüffer § 186 Rn. 26 ff. sowie § 243 Rn. 22 ff. (mwN); Raiser/Veil KapGesR § 16 Rn. 152 sowie § 20 Rn. 20; grundlegend: BGHZ 71, 40 (44 ff.) = BB 1978, 776 ff. = DB 1978, 974 ff. = NJW 1978, 1316 ff. – Kali+Salz. 420 BGHZ 71, 40 (45) – Kali+Salz; jüngst: BGHZ 138, 71 (76) – Sachsenmilch. 421 Vgl. OLG Stuttgart ZIP 2001, 1367 (1370) – DaimlerChrysler; Aha BB 1997, 2225 (2225); Hüffer § 192 Rn. 18; aA: Friedrichsen Aktienoptionsprogramme 110 ff.; Lutter ZIP 1997, 1 (8 f.).

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Sachverhalt C ist Inhaber eines Computergeschäftes, das er in der Rechtsform des Einzelkaufmannes betreibt. Weil die Gewinnmargen im Computermarkt sehr gering sind, möchte er zusammen mit A und B, beide Softwareentwickler, eine Aktiengesellschaft gründen und Software für das Internet entwickeln. Die drei entschließen sich, die Z-AG zu gründen. Zum Vorstand soll A berufen werden. Das Grundkapital der Gesellschaft wird 300.000 EUR betragen. A und B wollen sich mit je 100.000 EUR in bar beteiligen. Der C würde gerne sein Computergeschäft als Sacheinlage einbringen, um so auf einen Anteil iHv 100.000 EUR zu kommen. Er hat jedoch Zweifel, ob das Geschäft überhaupt so viel wert ist. Zudem möchte er die Gesellschaft nicht mit Kosten für einen Sachgründungsprüfer (vgl. § 33 II Nr. 4 AktG) belasten. A, B und C beschließen daher, dass der C zunächst 100.000 EUR in bar einlegt. Unmittelbar nach Eintragung der AG soll die Gesellschaft das Computergeschäft des C für 100.000 EUR erwerben, wobei das Geschäft auch tatsächlich 100.000 EUR wert ist. Einen Monat nach Eintragung der Gesellschaft wird der Kauf wie geplant vollzogen. Kurz nach der Veräußerung des Computergeschäftes an die Z-AG brennt dieses infolge eines unverschuldeten Brandes nieder und wird völlig zerstört. In der Folgezeit verläuft die Umsatz- und Gewinnentwicklung der Z-AG zudem schlechter als erwartet. Bereits nach einem Jahr muss das Insolvenzverfahren eröffnet werden. 1. Insolvenzverwalter I fragt an, welche Ansprüche der Z-AG gegen C im Zusammenhang mit der Gründung und dem Ankauf des Computergeschäftes zustehen. 2. C möchte wissen, ob er irgendwelche Gegenansprüche geltend machen kann.

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Lösungsvorschlag Frage 1: Ansprüche der Z-AG gegen C Die Berechtigung des Insolvenzverwalters I zur Geltendmachung etwaiger Forderungen folgt aus § 80 I InsO.

A. Anspruch aus §§ 54 II iVm 27 III 1 AktG auf (nochmalige) Einzahlung der Bareinlage iHv 100.000 EUR wegen verdeckter Sacheinlage Der Z-AG könnte gegen C ein Anspruch aus § 54 II AktG auf nochmalige Einzahlung der Bareinlage zustehen, wenn die Erfüllungswirkung der von C eingezahlten Bareinlage gem. § 27 III 1 AktG zu versagen ist. Dann müsste die Bareinlage des C bei wirtschaftlicher Betrachtung und auf Grund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten sein (sog. verdeckte Sacheinlage). Die Rechtsfigur der verdeckten Sacheinlage wurde von Teilen der Literatur als eine Überreaktion des Rechts scharf kritisiert.422 Der Gesetzgeber hat auf diese Kritik reagiert und durch Schaffung des neuen § 27 III AktG die Rechtsfolgen einer verdeckten Sacheinlage erheblich entschärft. So sind die einer verdeckten Sacheinlage zugrunde liegenden Verträge und entsprechenden Rechtshandlungen nicht (mehr) unwirksam (vgl. § 27 III 2 AktG). Wie im alten Recht ist auch unter der Geltung des neuen § 27 III 1 AktG der Gesellschafter jedoch nicht von seiner Geldeinlageverpflichtung (§ 54 II AktG) befreit. Jedoch kann nunmehr der Wert des im Wege der verdeckten Sacheinlage eingebrachten Gegenstandes auf die (fortbestehende) Geldeinlageverpflichtung angerechnet werden (§ 27 III 3 und 4 AktG) (sog. »Anrechnungslösung«). Dahinter steht der Gedanke, dass es für die Frage der Kapitalaufbringung nicht darauf ankommt, ob die der Gesellschaft versprochene Liquidität vorhanden ist, sondern ob das der Gesellschaft versprochene Kapital von den Gesellschaftern zumindest wertmäßig geleistet worden ist. Entscheidend ist also Wert- und nicht Liquiditätsschutz. Wesentlicher Vorteil der Anrechnungslösung gegenüber dem alten Recht ist damit, dass der Gesellschafter seine ursprünglich gezahlte Einlagenleistung nicht noch einmal zahlen muss, sondern ggf. nur auf die Wertdifferenz haftet. Sofern daher hier der Wert des Computergeschäftes dem Wert der versprochenen Bareinlage (100.000 EUR) entspricht, wird dieser Wert auf die fortbestehende Bareinlageverpflichtung des C angerechnet. Voraussetzung für das Eingreifen dieser Anrechnungslösung ist gem. § 27 III AktG jedoch, dass es sich vorliegend um einen Fall der verdeckten Sacheinlage handelt (andernfalls wäre ggf. der Auffangtatbestand des § 27 IV AktG anwendbar). Fraglich ist, ob das hier bejaht werden kann. Der Begriff der verdeckten Sacheinlage ist in § 27 III 1 AktG legal definiert. Danach liegt eine verdeckte Sacheinlage vor, wenn eine Geldeinlage eines Aktionärs bei wirtschaftlicher Betrachtung (nachfolgend unter I.) und aufgrund einer im Zusammenhang mit der Übernahme der Geldeinlage getroffenen Abrede (nachfolgend unter II.) vollständig oder teilweise als Sacheinlage zu bewerten ist.

422 Vgl. etwa Einsele NJW 1996, 2681 (2683 ff.); Roth NJW 1991, 1913 (1916 f.).

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