der freihandel - Börse Stuttgart

Doch lingenfelder hat ein Problem. Und das heißt Etikettiergenehmigung. Ein Gutteil der Weine geht nach Übersee. In den USA hat sein riesling viele Fa...

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Marktmacher d a s

M a g a z i n

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w e i t b l i c k

starten: Welche Vorteile Börsen im Vergleich zum außerbörslichen Handel bieten. orientieren: Wo die Potenziale einer transatlantischen Freihandelszone liegen. handeln: Weshalb das Interesse an EUWAX Gold trotz sinkender Goldpreise groß ist. ankommen: Warum Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon eine neue Anlagekultur fordert. w w w . b o e r s e - s t u t tga r t . d e



2016

n o v e m b e r

DER FREIHANDEL

2013

zwischen den USA und der EU startet: Damit fallen für die Hälfte der Weltwirtschaft die Schranken. Das setzt in Industrie und Handel neue Kräfte frei und schafft vielfältige Anlagemöglichkeiten.

editorial

trotz Haushaltsstreit und Regierungs-Shutdown – die USA haben als größte Volkswirtschaft der Welt immense ökonomische Bedeutung. Das zeigt sich beispielsweise auf den Finanzmärkten: Als die US-Notenbank Fed ein Ende ihrer lockeren Geldpolitik in Aussicht stellte, dann jedoch entsprechende Maßnahmen aufschob, schlugen die Wellen hoch. In vielen Schwellenländern gerieten Aktienmärkte und Währungen wegen der FedAnkündigungen massiv unter Druck, erholten sich dann aber wieder. Auch in Deutschland gab der DAX zunächst nach, bevor er einen neuen Höchststand erreichte. Die Verbindungen zwischen den USA und Europa sind eng und wichtig, auch in der Realwirtschaft. Hier rückt ein Vorhaben in den Fokus, das wir im Schwerpunkt dieser „Marktmacher“-Ausgabe vorstellen. Derzeit starten Verhandlungen, an deren Ende eine transatlantische Freihandelszone stehen soll. Wenn USA und EU die Handelsbarrieren abbauen, schafft das interessante Perspektiven für Unternehmen, Verbraucher und Investoren. Allerdings stellt sich auch die Frage, wie sich die bilaterale Partnerschaft auf Dritte auswirkt, etwa auf Länder in Afrika und Lateinamerika. Denn diese Regionen haben das Potenzial, langfristig die neuen Wachstumstreiber der Weltwirtschaft zu werden – aber nur dann, wenn sie ihre Möglichkeiten ausschöpfen können und von den Industriestaaten gleichberechtigt in den globalen Handel eingebunden werden.

Ich wünsche Ihnen eine interessante und anregende Lektüre.

Christoph Lammersdorf Vorsitzender der Geschäftsführung der Börse Stuttgart

starten 4–5 ZAHLEN & FAKTEN Flexibilität bei offenen Immobilienfonds – Das Geld der Schattenbanken – Börsenwissen in Wort und Bild – Indikator für Innovation – Runde Zahlen beeinflussen Orderverhalten – Alles Gold der Welt – Börsenrepräsentantin Judith Hardt zu Europas Handelsplätzen.

orientieren 6–13 ZUKUNFTstrend 2016 – Eine Freihandelszone verändert die Weltwirtschaft Welche Impulse die Handelspartnerschaft zwischen EU und USA gibt – und wer zu den Nutznießern zählt. 14–15 INTERVIEW Professor Jagdish Bhagwati Der Ökonom äußert sich skeptisch zum transatlantischen Pakt – er favorisiert ungehinderten Handel auf der ganzen Welt. 16–17 INVESTMENTHINTERGRUND Mögliche Ansätze für Privatanleger Von der Freihandelszone profitieren ausgesuchte Unternehmen und Branchen.

handeln 18–20 Industriemetalle Am Puls der Industrie Wertpapiere mit Bezug zu Kupfer, Nickel oder Aluminium erweitern das Investmentspektrum. Anleger sollten beachten, dass der Markt besonderen Einflüssen unterliegt. 21 Aktienauswahl Punktgenau filtern An der Börse Stuttgart werden knapp 7.000 Aktien gehandelt. Ein schrittweises Vorgehen mit den passenden Werkzeugen hilft, Anlagealternativen einzugrenzen. 22–23 SCHUTZ FÜR DAS Depot Risiken aktiv begrenzen Wie sich ein Portfolio mit ETFs gegen Kurseinbrüche absichern lässt.

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Fotos Cover: Image Source, Jens Kuhfs, Tuan Tran/gettyimages Foto links: Börse Stuttgart Illustration: Jörg Block

Liebe Leserin, Lieber Leser,

inhalt

6–13 ZUKUNFTstrend

Ein neuer Gigant für Wachstum und Wohlstand Die Freihandelszone zwischen der Europäischen Union und den USA könnte schon 2016 Realität sein – der transatlantische Binnenmarkt macht dann die Hälfte der Weltwirtschaft aus. Im neuen Wirtschaftsraum gelten einheitliche Industriestandards, Handelsströme fließen ohne Zollschranken. Die Auswirkungen auf Unternehmen und Verbraucher sind enorm.

24–25 EUWAX Gold Schwer gefragt Privatanleger nutzen den Preisrückgang bei Gold und ordern – auch EUWAX Gold. 26–28 Japan Hausse mit Nebenwirkungen Das Inselreich kurbelt mit billigem Geld die Wirtschaft an. Japanische Aktien haben dadurch stark zugelegt, doch die Politik der „Abenomics“ birgt auch Risiken.

ankommen 30–31 Stiftung Rechnen Mathe fürs Leben Mehr Freude an Mathematik wecken und ihren Nutzen im Alltag deutlich machen – dafür setzt sich die Stiftung Rechnen ein. 32 pro & contra „Höhere Zinssätze in der Euro-Zone sind dringend notwendig“ Andreas Freytag, Professor für Wirtschaftspolitik an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, und Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank, diskutieren. 33 ESSAY Einen Augenblick, Herr Fahrenschon Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon über eine neue Anlagekultur in Deutschland. 34 INTERVIEW „Über Geld spricht man nicht. Oder doch, Herr Flohr?“ Wie Handballnationalspieler Matthias Flohr bei seinen Finanzen mit Risiken umgeht. 35 NACHGEFRAGT Leserfrage & Impressum Bei der Leserfrage nehmen alle eingesandten Antworten an der Verlosung teil. Zu gewinnen gibt es ein iPad 4.

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starten

Börse sichert Flexibilität Wer offene Immobilienfonds (OIFs) an die Kapitalanlagegesellschaft zurückgeben möchte, muss künftig eine Mindesthaltedauer von zwei Jahren sowie eine Kündigungsfrist von einem Jahr beachten. Allerdings gelten diese Fristen beim Börsenhandel nicht – Anleger können OIFs also weiterhin flexibel handeln. Freilich müssen Verkäufer an der Börse beachten, dass die Preise aufgrund von Abschlägen wegen geringer Liquidität auch unterhalb des Nettoinventarwerts liegen können. Umgekehrt lassen sich OIFs eventuell günstig erwerben. Der Hintergrund der Einschränkung zur Rück­ gabe an die Fondsgesellschaft: Investoren hatten in der Vergangenheit in krisenhaften Situationen viel Geld innerhalb kürzester Zeit aus OIFs abgezogen, was zu Liquiditätsproblemen bei einzelnen Anbietern führte.

67.000.000.000.000 Dollar Schattenbanken verwalten geschätzt 67 Billionen US-Dollar an Kapital. Dies geht aus einer Studie des Finanzstabilitätsrates der G-20-Staaten hervor. Die Zahl entspricht dem Weltsozialprodukt, also dem Wert aller Güter und Dienstleistungen, die alle Menschen der Erde in einem Jahr erzeugen. Zu den Schattenbanken zählen Hedge- und Private-EquityFonds, aber auch einzelne Zweckgesellschaften von Banken. Die EU hat jetzt angekündigt, den Sektor strenger zu beaufsichtigen.

@ Das Börsen-ABC: www.boerse-stuttgart.de/ boersen-abc

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ALLES PSYCHOLOGIE, ODER WAS? Ob im Supermarkt oder an der Börse – runde Zahlen beeinflussen das menschliche Verhalten. „Der Wert­ papier­handel konzentriert sich bei runden Werten. Unterhalb, etwa bei 19,99 Euro, überwiegen die Käufe per Market-Order. Leicht über der runden Zahl gibt es deutlich mehr Verkäufe“, erklärt Felix Fritz, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Karlsruher Institut für Technologie. Er hat in diesem Jahr eine entsprechende Untersuchung über das Orderverhalten von Privatanlegern am deutschen Aktienmarkt durchgeführt. Sein Fazit: „Anleger sollten beim Einstellen ihrer Order nicht nur runde Zahlen, sondern auch das aktuelle Marktgeschehen im Blick haben.“

Fotos: Börse Stuttgart

Von A wie „Anleihe“ bis Z wie „Zeichnung“ Kompaktes Wissen in Wort und Bild: In der Online-Video-Reihe „Börsen-ABC“ erläutern Mitarbeiter der Kundenbetreuung der Börse Stuttgart ausgesuchte Begriffe des Börsenalltags auf einfache und verständliche Weise. Die Beiträge werden in regelmäßigen Abständen produziert und veröffentlicht. Das Angebot richtet sich nicht an Börsenprofis, sondern an interessierte Privatanleger, die sich besser informieren möchten. Darüber hinaus steht die Kundenbetreuung während der gesamten Handelszeit von 8 bis 22 Uhr kostenfrei zur Verfügung: für ServiceAnfragen telefonisch unter 0800/2268853 und für Fragen zu Orderausführungen unter 0800/2268855.

starten

In der Geschichte der Menschheit wurden bisher rund 160.000 Tonnen Gold gefördert. Das entspricht einem Würfel von nur 20 Meter Kantenlänge. Für das Exchange Traded Commodity EUWAX Gold sind ein Jahr nach Handelsstart rund 1,6 Tonnen Gold hinterlegt – ein Gramm pro ausstehendes Wertpapier. Im sechs mal acht Meter großen Tresor von EUWAX Gold in Neu-Isenburg bei Frankfurt ist folglich noch viel Platz: Ein Würfel aus der aktuell eingelagerten Goldmenge hätte wegen der hohen Dichte des Edelmetalls Kanten von rund 44 Zentimeter Länge.

Fotos: thinkstock; FESE

SCHWEDEN UND DEUTSCHLAND AN DER SPITZE Die EU-Kommission hat einen neuen Indikator für die Innovationsleistung eines Landes entwickelt. Gemessen wird, inwieweit Ideen aus innovativen Wirtschaftszweigen für die Vermarktung geeignet sind, anspruchsvollere Arbeitsplätze schaffen und damit Europa wettbewerbsfähiger machen. Die auf Wunsch der EU-Staats- und Regierungschefs entwickelte Orientierungshilfe belegt jetzt recht deutlich: Es bestehen nach wie vor große Unterschiede zwischen den Mitgliedsstaaten. Während das Spitzentrio Schweden, Deutschland und Luxemburg auf einen Wert von rund 125 Punkten kommt, schaffen am Ende der Skala Belgien, Litauen und Lettland nur etwa die Hälfte. Der Durchschnitt in der Europäischen Union liegt bei 115 Punkten. Im internationalen Vergleich liegt die EU damit gleichauf mit den USA. Weltweit sind laut dem Indikator nur Japan und die Schweiz noch innovativer.

Drei Fragen an …

Judith Hardt, Generalsekretärin der Federation of European Securities Exchanges (FESE)

1. Wie viele Börsen repräsentiert die FESE? Wir vertreten 46 Wertpapierbörsen für Aktien, Anleihen und Derivate aus allen EU-Staaten sowie Island, Norwegen und der Schweiz. Insgesamt ist der Börsenhandel in Europa zersplittert, Kursund Volumendaten liegen nicht gebündelt vor. Wir helfen Anlegern und Emittenten von Wertpapieren, die Börsenlandschaft zu überblicken. 2. Welche Bedeutung haben Börsen? Sie sind entscheidend für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung. Über Börsen können sich Unternehmen mit Eigen- und Fremdkapital versorgen. Der transparente Handel von Derivaten ermöglicht Risikostreuung und Risiko­ management. Börsen bieten allen Marktakteuren nachvollziehbare Preise für Wertpapiere. Sie sind neutral, zuverlässig und bemühen sich um Gleichbehandlung der Handelsteilnehmer. 3. Was sind weitere Vorteile des Börsenhandels? Während der außerbörsliche Handel kaum oder gar nicht reguliert ist, unterliegen Börsen strengen Regularien und werden von der Aufsicht überwacht. Insofern schützen Börsen die Anleger und fördern die Stabilität der Märkte. Sie haben eine Leuchtturmfunktion – die transparente und faire Preisbildung. Daher sollten nicht zu viele Trades außerbörslich stattfinden. Anderenfalls wäre das bedenklich, für börsennotierte Unternehmen wie für Investoren.

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handeln orientieren

Analyse: Was die Freihandelszone Staaten und Bürgern bringt S. 8–13 Interview: Wie ein Star-Ökonom über den Freihandel denkt S. 14–15 Strategie: Welche Möglichkeiten sich für Privatanleger eröffnen S. 16–17

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handeln

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ein neuer wirtschaftsblock dominiert die welt

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orientieren Die transatlantische Freihandelszone ist ein gigantischer Wirtschaftsraum, der die Hälfte der Weltwirtschaft ausmacht und neue Wachstumsimpulse gibt. Schon 2016 könnte diese Partnerschaft von EU und USA Wirklichkeit werden. von Nando sommerfeldt und Holger Zschäpitz*

Doch Winzer Lingenfelder kann auf Besserung hoffen – dank TTIP. Diese vier Buchstaben könnten ihm und Millionen anderer Unternehmer das Geschäft mit Übersee wesentlich erleichtern. TTIP haben die Europäische Union und die USA ihr historisches Freihandelsprojekt genannt. Das steht für „Transatlantic Trade and Investment Partnership“ – also eine transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft. Und bei diesem Vorhaben geht es nicht nur darum, Zölle und andere Handelsbarrieren niederzureißen. Es sollen auch unnötige bürokratische Regelungen und Investitionsbeschrän-

»Wenn künftig Zölle und bürokratische Hürden zwischen USA und EU wegfallen, wäre das ein groSSer Vorteil für den Automobilsektor.« 8

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Details zum transatlantischen Freihandelsabkommen: http://bit.ly/GEDproject

Ferdinand Dudenhöffer, Professor für Automobilwirtschaft an der Universität Duisburg-Essen

kungen beseitigt werden – weshalb nicht nur Lingenfelder gespannt auf die Verhandlungen zwischen Brüssel und Washington blickt. 2016 soll das Abkommen stehen, von dem sich die beiden größten Volkswirtschaften der Welt mehr Wachstum und Wohlstand versprechen. Ganz in diesem Sinne sagt der Automobilexperte Professor Ferdinand Dudenhöffer: „Zum einen würde die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen und US-Konzerne im weltweiten Vergleich steigen. Zum anderen würden sich die niedrigeren Herstellungskosten mit großer Sicherheit auch in sinkenden Preisen für den Verbraucher bemerkbar machen.“ Und in der Tat: Jeder Bürger wird die neue Lebenswirklichkeit im Jahr 2016 spüren – und zwar unmittelbar. Die deutschen Verbraucher können sich etwa auf Bücher oder E-Books zu einem Bruchteil des jetzigen Preises freuen, denn die Buchpreisbindung, wie wir sie heute kennen, dürfte dann Geschichte sein. Auch Elektronikartikel aus den USA wie Tablets werden nicht mehr mit EU-Preisen ausgezeichnet und sind in der TTIP-Welt günstiger zu haben. NutznieSSer sind allerdings nicht nur Verbraucher, sondern auch Unternehmen und deren Eigentümer. An die Aktionäre in „Eumerika“ – wie HarvardProfessor Richard Rosecrance die transatlantische Partnerschaft

Foto: picture alliance/dpa

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ainer Karl Lingenfelder blickt zufrieden über seine 15 Hektar große Existenz. So weit das Auge reicht, sieht er auf Weinreben. Der Winzer aus dem pfälzischen Großkarlbach könnte zufrieden sein. Die Weinlese ist gut angelaufen. Doch Lingenfelder hat ein Problem. Und das heißt Etikettiergenehmigung. Ein Gutteil der Weine geht nach Übersee. In den USA hat sein Riesling viele Fans, etwa 25 Prozent seines Umsatzes macht er dort. Bevor ein Amerikaner Lingenfelders edlen Tropfen probieren kann, muss der Winzer erst beim „Alcohol and Tobacco Tax Bureau“, einer Behörde des amerikanischen Finanzministeriums, die Genehmigung für die korrekte Etikettierung bekommen – mit zahllosen Warnhinweisen. „Der Zoll pro Flasche ist verschwindend gering. Den kann ich noch verschmerzen. Doch der stetige Kampf mit der Bürokratie bereitet mir jedes Jahr neues Kopfzerbrechen“, sagt Lingenfelder. Hiesige Winzer laufen regelmäßig Gefahr, dass der Wein nicht rechtzeitig in den Regalen landet, zumal ein Direktvertrieb übers Internet ausländischen Weinbauern verboten ist.

orientieren

nennt – könnte bis zu eine Billion Euro an zusätzlichen Dividenden ausgeschüttet werden. Der mögliche Wohlfahrtsgewinn ist gigantisch. Nach Berechnungen des Münchner Ifo-Instituts brächte ein vollständig integrierter Wirtschaftsraum den US-Amerikanern langfristig eine Steigerung des Pro-Kopf-Einkommens von 13,4 Prozent. In Großbritannien läge das Plus bei zehn und in Deutschland bei immerhin fast fünf Prozent (s. Infografik auf Seite 12). Anders ausgedrückt: Jeder Einwohner „Eumerikas“ hätte im Durchschnitt etwa 4.000 US-Dollar pro Jahr mehr in der Tasche – über höhere Löhne und Gewinnausschüttungen der Unternehmen.

Illustration: Jörg Block

Die transatlantische Freihandelszone wird einen ökonomischen Giganten schaffen, der es auf eine Wirtschaftsleistung von 33 Billionen Dollar pro Jahr bringt. EU und USA schultern dann mit zusammen 46 Prozent fast die Hälfte des weltweit geschaffenen Warenwerts, des „Welt-BIP“. Zudem entfällt ein erheblicher Teil der globalen Handelsströme auf den Wirtschaftsraum – ein Austausch von Gütern im Volumen von fast 500 Milliarden Euro jährlich. Und nicht zuletzt sind laut aktueller Forbes-Liste 259 der weltweit 500 umsatzstärksten Konzerne in der EU oder den USA beheimatet. Im besten Fall können die TTIP-Verhandlungen dazu führen, die bürokratischen Hemmnisse auf beiden Seiten zu stutzen und eingefahrene Verhaltensweisen auf den Prüfstand zu stellen. Denn der unnötige bürokratische

hindernisse Die EU will im Rahmen der TTIP-Verhandlungen an Restriktionen für genetisch veränderte Pflanzen und dem Verbot des Einsatzes von Wachstumshormonen in der Tierzucht festhalten. Auf beiden Seiten gibt es Widerstände, die Agrarmärkte zu liberalisieren, weil sie mit Subventionen unterstützt werden. Hinderlich ist auch die NSA-Affäre, in deren Rahmen die Bespitzelung der Europäer durch USGeheimdienste publik wurde.

Aufwand wirkt bei den entsprechenden Waren wie ein Aufschlag von zehn bis 20 Prozent, den letztlich der Kunde zahlen muss. Laut einer Analyse des Centre for Economic Policy Research (CEPR) in London ergeben sich 80 Prozent des wirtschaftlichen Nutzens eines transatlantischen Abkommens aus dem Abbau von Bürokratie und Regulierung. „Die größten Herausforderungen sehen wir nicht in der Abschaffung von Zollschranken, sondern bei der gegenseitigen Anerkennung von Normen, etwa bei Blinkern von Autos oder den zulässigen Größen oder Gewichten bei Produkten“, sagt auch Frank Sportolari, Generalbevollmächtigter des Logistikkonzerns UPS in Deutschland. Ein simples Beispiel für den aktuellen Regulierungswust macht mögliche Effizienzgewinne deutlich: Wenn heute bei einem Flug von Paris nach Los Angeles die Hälfte der Fluggäste beim Zwischenstopp in New York aussteigt, muss die Maschine halb leer weiterfliegen, weil es nicht gestattet ist, dort neue Passagiere an Bord zu nehmen. Tritt das TTIP in Kraft, könnten europäische Fluglinien auch Inlandsflüge in den USA anbieten und auslasten. Neben wegfallender Bürokratie sind aber auch die reinen Skaleneffekte nicht zu vernachlässigen. „Im globalen Wettbewerb zählt die Größe“, sagt Professor Rosecrance. Er meint, Staaten mit großer Bevölkerung, hohem Wohlstand und ausgeprägter Wirtschaftskraft könnten umso effektiver produzieren und handeln, je größer ihr Wirtschaftsraum ist. Rosecrance sieht in den aufgenommenen Verhandlungen deshalb eine logische Entwicklung.

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der renommierte Ökonom Jagdish Bhagwati, der eigentlich für einen weltweiten Freihandel zwischen allen Ländern eintritt (s. Interview auf Seite 14). Vor allem US-Präsident Barack Obama dürfte an einer Forcierung des TTIP gelegen sein. Er will seiner Präsidentschaft damit einen historischen Erfolg verleihen – und hat dafür nur noch bis Ende 2016 Zeit.

Wenn tatsächlich GröSSe über den Erfolg entscheidet, stehen die Chancen für TTIP gut. „Zu dem neuen westlichen Block demokratischer Nationen wird es in nächs­ ter Zeit weltweit kein adäquates Gegengewicht geben“, prophezeit Rosecrance. Es ist nicht das erste Mal, dass es Pläne für einen Freihandelspakt gibt. Aber mit Schaffung der WTO Mitte der 1990erJahre und dem Wunsch nach einem weltweiten Abkommen – der sogenannten Doha-Runde – wurde das europäisch-amerikanische Projekt erst mal auf Eis gelegt. Nach dem Scheitern der DohaVerhandlungen wird der alte Ansatz jetzt folgerichtig wieder vorangetrieben. „Wenn wir annehmen, dass die Welthandelsgespräche der WTO endgültig tot sind, dann könnte man sagen: besser eine transatlantische Freihandelszone, um den globalen Handel zu stimulieren, als gar kein Abkommen“, meint sogar

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Globalisierung Das Ziel eines freien Welthandels ist unmittelbar ans Ge­lin­gen der sogenannten Doha-Runde geknüpft. 2001 hatten sich die Handels­minis­ter der WTO-Mitgliedstaaten in Doha auf das Ziel geeinigt, die Märkte weiter zu öffnen und die Entwicklungsländer besser in das System des Welthandels einzubinden. Bis heute ist keine Einigung erzielt worden. Der neue WTO-Chef Roberto Azevedo hat sich jetzt auf die Fahnen geschrieben, das Abkommen doch noch zum Erfolg zu führen. Im Dezember 2013 treffen sich deshalb die Handelsminister der 159 WTOMitgliedsstaaten in Bali.

„Es steht zu befürchten, dass die Verhandlungspartner Wirtschafts- und Wachstumsinteressen den Vorrang vor Nachhaltigkeits- und Verbraucheranliegen geben“, erklärt Katharina Knoll vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Sie glaubt, dass bewährte Standards einfach als Handelshemmnis deklariert und dann abgesenkt werden. So sind beispielsweise die Hygiene- und Sicherheitsstandards für Lebensmittel und Agrarprodukte auf beiden Seiten des Atlantiks höchst unterschiedlich. Während in den USA etwa gentechnisch veränderte Produkte ohne Deklaration zum Verkauf stehen, lehnen Verbraucher in Europa diese mehrheitlich ab. „Diese Unterschiede gilt es zu respektieren“, findet Verbraucherschützerin Knoll. Sie fordert: „Harmonisierung nach oben – ja. Deregulierung nach unten zulasten von Verbrauchern und Umwelt – nein.“ Die Analysten des Ifo-Instituts sehen diese Differenzen zwar auch. Dennoch glauben sie, dass die Chancen auf weitreichende Kompromisse gut stehen. Studienautor Professor Mario Larch erklärt: „Sehr ähnliche ökonomische Entwicklungsniveaus, starke gegenseitige Investitionspositionen, eine tiefe politische Verflechtung und hohe kulturelle Nähe legen nahe, dass es den Partnern leichter gelingen sollte, die nicht-tarifären Handelshemmnisse zu senken.“ Dies erfordere nämlich in vielen Bereichen, etwa bei der Zulassung von Produkten, ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen.

Illustration: Jörg Block

„US-Präsident Barack Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel sind zu dem schlüssigen Vorhaben gelangt, den derzeit größtmöglichen Freihandelsraum zu schaffen. So wollen sie verhindern, dass sich die wirtschaftliche Macht weiter nach Osten, insbesondere nach China, verlagert.“

Trotz aller wirtschaftlichen Vorteile darf allerdings nicht vergessen werden, dass sich die Gespräche in einem frühen Stadium befinden. Da argumentieren die Verhandlungspartner noch ganz grundsätzlich mit der Gesundheit der eigenen Bevölkerung, wenn die USA die Einfuhr von Schimmelkäse verbieten und die EU mit Masthormonen behandeltes Fleisch aus den Vereinigten Staaten nicht in ihren Supermärkten sehen will. Dass alle bürokratischen Hemmnisse abgebaut, aber gleichzeitig Einschränkungen zum Verbraucherschutz beibehalten werden, ist unwahrscheinlich. Bald wird sich zeigen, wie groß die Kompromissbereitschaft auf beiden Seiten wirklich ist.

orientieren „Vom freien Handel profitieren tendenziell alle, sogar die Arbeitnehmer in der westlichen Welt“, meint Bhagwati. Aber natürlich könne nicht jeder Arbeitsplatz gesichert werden, es werde Branchen geben, die eher schrumpfen.

Foto: Carol Bailey

Aus genau diesem Grund sind die Konjunkturexperten der Deutschen Bank nicht ganz so euphorisch gestimmt. Sie rechnen damit, dass bestimmte Wirtschaftszweige von den Verhandlungen ausgenommen werden. Denn in ihren Augen befürchten einige europäische Nationen, dass Deutschland seinen wirtschaftlichen Vorsprung innerhalb der EU im Zuge eines voll­ umfassenden Abkommens noch einmal deutlich ausbaut. Deshalb hätten einige französische Politiker schon angedeutet, dass es Einschränkungen geben müsse. „Traditionell am meisten geschützt sind die Landwirtschaft und die Rüstungsbranche“, erklärt Deutsche-Bank-Analyst Jochen Möbert. „Deshalb erwarten wir, dass es nur ein abgespecktes Abkommen geben wird, im Wesentlichen begrenzt auf einige Bereiche von Industrie und Technologie.“ Ähnlich äuSSert sich auch Autoexperte Dudenhöffer. „Im Automobilsektor liegen die beiden Parteien in einigen Punkten so weit auseinander, dass eine komplette Anpassung der Märkte sehr unwahrscheinlich ist.“ Allein beim Thema CO2-Ausstoß gebe es völlig unterschiedliche Ansichten. „Schon innerhalb der EU wird immer noch nach einem Konsens gesucht. Und die Amerikaner wollen ihre wenig umweltfreundlichen Pick-ups erst recht vor zu strengen Auflagen schützen.“ Dennoch befürwortet er die TTIP-Pläne. „Wenn künftig Zölle

@ Links zum Thema:

Studie des Ifo-Instituts zum TTIP: http://bit.ly/TTIPifo

Handelsstudie des Centre for Economic Policy Research: http://bit.ly/CEPRstudy

und bürokratische Hürden zwischen USA und EU wegfallen, wäre das ein großer Vorteil für den Automobilsektor.“ Künftig könne der internationale Werksverbund der Autobauer besser genutzt werden. Dudenhöffer: „Fahrzeuge, die in Deutschland produziert werden, lassen sich deutlich einfacher und kostengünstiger in den USA verkaufen. Zudem könnte der Fahrzeug- und Teilehandel künftig viel unbürokratischer erfolgen.“

400.000

Arbeitsplätze würden in der EU durch eine transatlantische Freihandelszone entstehen. Der Beschäftigungszuwachs in den USA wäre geringer. Der Rest der Welt dürfte etwa 240.000 Jobs verlieren.

Gewaltige Auswirkungen hätte ein erfolgreiches TTIP-Abkommen sicherlich auch auf globale LogistikKonzerne, deren Transportvolumen deutlich steigen dürfte. UPS-Manager Sportolari rechnet vor, dass über einen Zeitraum von zehn Jahren 131 Millionen Pakete hinzukämen. Entsprechend wird in Drehscheiben für internationale Luftfracht investiert – sie sollen helfen, den wachsenden Warenverkehr zwischen den USA und Europa zu handhaben. Dann könnte auch Winzer Lingenfelder seine von US-Kunden im Internet georderten Weinflaschen mit optisch ansprechenden Etiketten ohne Warnhinweise versehen und per Paket über den großen Teich schicken. * Die Autoren sind Redakteure der „WELT“ und der „WELT am SONNTAG“

»Zu dem neuen westlichen Block demokratischer Nationen wird es in nächster Zeit weltweit kein adäquates Gegengewicht geben.« Richard Rosecrance, Professor an der Harvard University

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orientieren

WIE DIE FREIHANDELSZONE DIE WELT VERÄNDERT Im transatlantischen Wirtschaftsraum entfallen Zölle, aber auch viele andere Handelshemmnisse. Dies kommt nicht nur zahlreichen Branchen zugute, sondern auch den Bürgern zu beiden Seiten des Atlantiks. AKTUELLE WIRTSCHAFTSDATEN

USA

Wirtschaftswachstum

Arbeitslosenquote

BIP (Veränderung in Prozent, real)

2,2

1,8

1,9

2,6

Exporte in die EU

2010

9,6 %

2011

EU

2011

2012

2013

2014*

Wirtschaftswachstum 1,4

1,2

2011

-0,6

-0,4

2012

2013

2014*

205,2

8,9%

2012

8,1 %

2005

Arbeitslosenquote

BIP (Veränderung in Prozent, real)

Volumen in Mrd. Euro

2012

300 250 200 150

Exporte in die USA

2010

9,6%

2011

9,5%

2012

Volumen in Mrd. Euro

291,9

10,1 %

2005

2012

300 250 200 150

* Prognose. Quelle: Germany Trade & Invest 2013, Handelsblatt, Eurostat

ENTWICKLUNGSLÄNDER HOLEN BEIM HANDEL AUF Entwicklung 1950 bis 2012 in Prozent des Welthandels 70 60 50 40 30 20 10 0

EU und USA Entwicklungsländer Andere 1950

1960

1970

1980

1990

2000

2010

Quelle: UNCTADstat, DB Global Market Research

IMPULSE FÜR EUROPAS PRODUKTE UND DIENSTLEISTUNGEN

»Die Wirtschaft beiderseits des Atlantiks kann wachsen und Arbeitsplätze schaffen.« US-Präsident Barack Obama

Relativer Vorteil

Eine transatlantische Partnerschaft bietet Autoherstellern den größten Vorteil. Beim Export in die USA profitiert insbesondere der Maschinenbau.

18 16 14 12 10 8 6 4

Autos

Metalle Versicherungen

2 0

Chemikalien

verarbeitete Lebensmittel

2

4

6

8

geschäftl. Dienstleistungen 10

12

Relativer Zuwachs des Exports in die USA

14

Maschinen

16

18

Indexwerte. Quelle: Centre for Economic Policy Research, London, 2013

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marktmacher 02/2013 01/2013

orientieren VERÄNDERUNG DES REALEN PRO-KOPF-EINKOMMENS

7,3

Die potenziellen Wohlfahrtseffekte des Freihandels sind beachtlich: In Europa steigt das Pro-Kopf-Einkommen langfristig an, in Großbritannien um bis zu 9,7 Prozent. In den USA liegt das Plus bei 13,4 Prozent. Dafür dürften die Einkommen in Australien, Brasilien oder Kanada sinken.

6,2

-3,9

-2,1 9,7

4,7 2,6

3,7 4,6

4,9

6,6

-2,5

-2,1 -9,5 -0,5 13,4

-0,4

-1,1 -3,5

-1,7

-2,6

-3,0

-2,6

Positiv: 6,1 bis 13,4 3,1 bis 6,0 0,1 bis 3

-2,8

0,7

-0,8 -1,5

-2,1

-7,4 -3,2

-1,8

Negativ: -3,0 bis 0 -6,0 bis -3,1 -9,5 bis -6,1

Quelle: Bertelsmann Stiftung

UMFASSENDE LIBERALISIERUNG HAT MEHR POTENZIAL ALS EINFACHE ZOLLUNION In einer völlig liberalisierten Handelszone steigt das Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland um 4,7 Prozent. Eine einfache Zollunion bringt nur 0,2 Prozent.

0,2

Ch

4,7

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Völlige Liberalisierung Einfache Zollunion

Gr USA oß br it. S De pan ut ien sc hl an d Po Fr l e an n kr ei ch Ko re a

14 12 10 8 6 4 2 0 -2 -4 -6 -8 -10

»Wir wollen ein tiefes und umfassendes Abkommen erreichen.« EU-Handelskommissar Karel De Gucht

Veränderung des realen Pro-Kopf-Einkommens in Prozent. Quelle: Bertelsmann Stiftung

Infografik: Niko Wilkesmann

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»MANCHE NENNEN MICH DEN VOR­DERS­ TEN KÄMPFER FÜR FREIe märkte« Der Ökonom Jagdish Bhagwati äußert sich skeptisch zu einem transatlantischen Pakt – er favorisiert einen ungehinderten Welthandel.

Die Verhandlungen zur transatlantischen Handelspartnerschaft TTIP wurden sehr begrüßt. Was halten Sie von dieser Initiative? Ich kann die Euphorie nicht ganz teilen. Denn es geht hier nicht um eine Vereinbarung mit globalem Fokus wie bei den Verhandlungen der Welthandelsorganisation WTO in Doha, der Hauptstadt Katars. Ziel ist lediglich ein bilaterales Abkommen, das Dritte ausschließt. Jedoch kann ich die Politiker gut verstehen: Die Europäer haben Angst vor einem weiteren Auftrumpfen Chinas und hoffen, durch ein Bündnis mit den Vereinigten Staaten die eigene Position zu stärken. Aber das ist eine Illusion. Warum das? Die USA spielen ihr eigenes China-Spiel im Rahmen der Transpazifischen Handelszone mit Asien. Die Amerikaner waren einer der größten Bremser bei den Doha-Gesprächen, wollten immer mehr Zugeständnisse von anderen Staaten und haben so die Verhandlungen zum Scheitern gebracht. US-Präsident Barack Obama versucht, sich nun mit

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regionalen Handelsinitiativen als Anhänger des Freihandels zu positionieren.

zur person Professor Jagdish Bhagwati ist ein Vordenker des Freihandels in Weltpolitik und Wissenschaft. Der 79-jährige Inder führt ein Expertengremium, das die festgefahrenen Doha-Gespräche der WTO wieder in Schwung bringen soll. Als Ökonom lehrt er an der Columbia University in New York und hat zahlreiche Bestseller zu freien Märkten verfasst.

Was stimmt Sie so skeptisch? Ich setze mich seit jeher für den reibungslosen globalen Handel ein, manche nennen mich den vordersten Kämpfer für freie Märkte. Aber ich bin für eine freie Welthandelsordnung unter Einbeziehung möglichst vieler Staaten. Bilaterale und regionale Präferenzabkommen unterminieren dieses Ziel. Gemäß der WTO sind inzwischen 354 bilaterale Verträge in Kraft. Ist das die neue Norm im Freihandel? Ja, ich habe schon lange vor dieser Entwicklung gewarnt. Denn solche Handelsabkommen haben immer zwei Gesichter: Sie erhöhen den freien Austausch von Gütern und Dienstleistungen für die be­tei­ lig­ten Länder, erschweren aber den Handel für Drittstaaten. Daher dienen sie unter dem Strich nicht dem freien Handel, sondern errichten neue Barrieren.

orientieren

»BESSER EINE TRANSATLANTISCHE FREIHANDELSZONE, UM DEN GLOBALEN HANDEL ZU STIMULIEREN, ALS GAR KEIN ABKOMMEN.«

Foto: Carsten Koall/Visum

Aber vielleicht muss man mit bilateralen Abkommen im Kleinen anfangen, wenn der große Wurf nicht sofort gelingt. Das war sicher ein Weg, um am Anfang überhaupt Schwung in die Welthandelsgespräche zu bringen. Wenn die Autobahn gesperrt ist, muss man eben die holprige Landstraße als Umweg nehmen. Aber um es deutlich zu sagen: Solche bilateralen Vereinbarungen haben nichts mit Freihandel zu tun. Sehen Sie dennoch positive Effekte durch die transatlantische Handelspartnerschaft TTIP? Wenn wir einmal annehmen, dass die Welthandelsgespräche endgültig tot sind, dann könnte man geneigt sein zu sagen: besser eine transatlantische Freihandelszone, um den globalen Handel zu stimulieren, als gar kein Abkommen.

Halten Sie ein Welthandelsabkommen für möglich? Die WTO wurde geschwächt, weil Obama keine aktive Führungsrolle bei den Gesprächen eingenommen hat. Bundeskanzlerin Angela Merkel und der britische Premierminister David Cameron haben immerhin eine Expertengruppe ernannt, die ausloten soll, wie die Hindernisse der Doha-Runde aus dem Weg geräumt werden können. Als ein Vorsitzender dieses Gremiums wundere ich mich allerdings schon darüber, dass Europa nun eine transatlantische Partnerschaft forciert, anstatt Amerika bei den globalen Handelsgesprächen zum Einlenken zu bewegen.

Aber vielleicht spiegelt sich darin die Furcht vieler Bürger, im globalen Wettbewerb mit China und anderen Schwellenländern nicht mehr mithalten zu können …? Natürlich kann Deutschland mit China, Brasilien oder Indien konkurrieren. Das zeigt die Exportentwicklung. Auch Amerikas Ausfuhren haben sich gut entwickelt. Zudem steht sich Indien mit mangelnden Reformen selbst im Weg, und China gehen die billigen Arbeitskräfte aus. Pessimismus im Westen ist fehl am Platz. Was sind die Segnungen einer Welt ohne Handelsschranken? Vom freien Handel profitieren tendenziell alle, sogar die Arbeitnehmer in der westlichen Welt. Aber natürlich kann nicht jeder Arbeitsplatz gesichert werden, es wird Branchen geben, die eher schrumpfen. Um die Akzeptanz nicht zu verlieren, müssen unerwünschte Härten abgepuffert werden. Interview: Holger Zschäpitz, nando sommerfeldt Redakteure der „WELT“ und „WELT am SONNTAG“

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orientieren

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neue chancen für den westen

DEM ABENDLAND WURDE schon häufiger der Untergang prophezeit. Doch bislang ist es nicht so gekommen. Mehr noch: Aus der Transatlantic Trade and Investment Partnership, kurz TTIP, ergeben sich für den „Westen“ neue Wachstums-

MÖGLICHE ANSÄTZE FÜR PRIVATANLEGER In Europa wie den USA profitieren Unternehmen von der transatlantischen Freihandelszone. Ausgesuchte Branchen versprechen sich einen Wachstumsschub. Schon jetzt können sich Anleger entsprechend positionieren.

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dividenden im fokus

WENN DANK DER TRANSATLANTISCHEN Frei­han­ dels­zone die Gewinne börsengehandelter Unternehmen wachsen, kommt dies den Anteilseignern zugute. Ein möglicher Fokus von Anlegern ist dabei, wie verlässlich und in welcher Höhe Dividenden gezahlt werden.

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Containerfracht findet via Truck ihren Weg zum Ziel.

perspektiven. Ein Gradmesser werden globale Aktien­ indizes sein – der Dow Jones Global Titans 50 beispielsweise setzt sich zu mehr als 90 Prozent aus europäischen und US-Werten zusammen. Auch den rund 1.600 Titel starken MSCI World dominieren westliche Aktien – rund 50 Prozent stammen aus den USA, knapp 30 Prozent aus Europa. Um die Aktienmärkte beider Regionen getrennt zu betrachten, bieten sich der

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branchen im aufwind

EIN REIBUNGSLOSERER Handel dürfte sich besonders positiv auf die klassischen Globalisierungsbranchen auswirken. Dazu zählt natürlich die Logistik, die das höhere Handelsvolumen über den Atlantik abwickelt. Aber auch exportorientierte Branchen wie der Maschinenbau oder die Automobilbranche profitieren direkt von einheitlichen Standards, geringeren Handelsbarrieren und weniger Wettbewerb mit Firmen, die außerhalb der TTIP-Zone beheimatet sind. Hier bieten Exchange Traded Funds (ETFs) die Möglichkeit, breit gestreut zu investieren: Zur europäischen Automobil-

Dow Jones Industrial Average und der Euro STOXX 50 an. Die beiden Indizes sind auch die Basiswerte für eine Vielzahl verbriefter Derivate. Besonders der europäische Leitindex ist eines der beliebtesten Underlyings überhaupt: An der Börse Stuttgart wurden allein im August 2013 bei derivativen Anlageprodukten auf den Euro STOXX 50 Kundenorders im Volumen von mehr als 200 Millionen Euro ausgeführt.

industrie und ihren Zulieferern sind vier dieser börsengehandelten Indexfonds an der Börse Stuttgart handelbar. Wer ein Investment noch weiter fassen möchte, hat zwölf ETFs mit Bezug zu Europas Industrieunternehmen Die Produktfinder der Börse McKinStuttgart: zur Auswahl. Laut der Unternehmensberatung ­www.boerse-stuttgart.de/ sey bietet die Freihandelszone zudem auchprodukt-finder Chancen für Finanzdienstleister. Zwar dürfte die einheitliche Regulierung der Finanzmärkte bei den TTIP-Verhandlungen ein Zankapfel werden. Andererseits entstehen mit dem größeren Handelsraum wohl auch neue Unternehmensstrukturen, die das Geschäft mit Fusionen, Übernahmen oder Finanzierungen ankurbeln könnten. Neben Einzelaktien sind an der Börse Stuttgart neun ETFs gelistet, die den Bankensektor in Europa abdecken.

Die Produkt-Finder der Börse Stuttgart: ­www.boerse-stuttgart.de/ produkt-finder

Unternehmen, die schon heute regelmäßig ausschütten, könnten künftig auch ihre freihandelsbedingten Gewinne an die Aktionäre weiterreichen. Bei der Betrachtung von Einzelaktien können hier Kennzahlen wie Dividendenrendite, Ausschüttungsquote oder jährlicher Dividendenzuwachs herangezogen werden. Für ein Investment in eine Auswahl an Dividendentiteln aus den USA und Europa steht an der Börse Stuttgart mehr als ein Dutzend aktiv

Foto: Paul Giamou /gettyimages

gemanagter Investmentfonds zur Verfügung. Daneben gibt es auch 15 ETFs, die sich auf Dividendenindizes aus der künftigen Freihandelszone beziehen – etwa auf die Index-Familie der „Standard & Poor’s Dividend Aristocrats“. Diese Indizes werden für die USA, Großbritannien und die Euro-Zone berechnet – enthalten sind jeweils nur Unternehmen, die über Jahrzehnte gleichbleibende oder steigende Dividenden ausgeschüttet haben.

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handeln handeln

Kupfer zählt als hervorragender elektrischer Leiter zu den besonders gefragten Industriemetallen.

am Puls der Industrie Wertpapiere mit Bezug zu Industriemetallen sind eine mögliche Erweiterung des Investmentspektrums. Allerdings folgt der Markt für Kupfer, Aluminium oder Zink ganz eigenen Gesetzen.

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London Metal Exchange: www.lme.com

bar: der Maschinenbau, die Automobil- und die Elektroindustrie oder die Baubranche. Kupfer beispielsweise ist ein hervorragender elektrischer Leiter und Wärmetauscher, ohne Nickel gäbe es keinen Edelstahl, ohne Zink keinen Korrosionsschutz. Gehandelt werden die Metalle vor allem an der London Metal Exchange, kurz LME, der weltgrößten Metallbörse. Privatanlegern ist dieser Marktzugang verwehrt: Sie

Foto: ChinaFotoPress/laif

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iese Aussage hat es in sich: „Schutz für Privatanleger gibt es nicht.“ Eindeutiger kann es Jochen Stanzl, Rohstoffexperte der BörseGo AG in München, kaum ausdrücken. Er spricht vom Markt für Industriemetalle. Wenn Stanzl warnt, meint er freilich nicht die Preisfeststellung an der Börse – die läuft den Regelwerken entsprechend so fair wie bei anderen Anlageklassen auch. Wovon er redet, ist die längerfristige Preisentwicklung: Diese einzuschätzen erfordert ein tieferes Verständnis für den Markt und seine Mechanismen. Zu den wichtigsten Industriemetallen zählen neben Eisen vor allem Aluminium, Kupfer, Blei, Nickel und Zink. Ohne diese Rohstoffe wären ganze Branchen nicht denk-

handeln können über börsengehandelte Wertpapiere investieren, die sich auf Industriemetalle beziehen. Gleichzeitig werden auch sogenannte Körbe oder Baskets als Basis herangezogen, die mehrere Industriemetalle umfassen und somit für eine gewisse Streuung sorgen.

Foto: BörseGo AG

An der Börse Stuttgart sind rund 35 Exchange Traded Commodities, kurz ETCs, mit Bezug zu Industriemetallen gelistet. Zudem sind mehr als 2.200 verbriefte Derivate auf diese Metalle handelbar, darunter Anlageprodukte wie Index-, Bonus- und Discountzertifikate, aber auch Hebelprodukte wie Optionsscheine. Basiswerte für all diese Finanzinstrumente sind in der Regel Terminkontrakte, die sogenannten Futures, die den Preis für das jeweilige physische Metall abbilden. Aus dem Verlauf des Futures ergibt sich dann die Kursentwicklung der Wertpapiere – je nach deren Ausgestaltung im Verhältnis 1:1, aber auch gehebelt, entgegengesetzt oder mit einem speziellen Auszahlungsprofil. In Stuttgart ist das Handelsvolumen beim Basiswert Kupfer am größten, mit Abstand folgen Papiere auf Nickel und Aluminium. Was Industriemetalle als Anlageklasse zur Herausforderung macht, ist die Informationslage, denn der Markt ist relativ intransparent. Wer beispielsweise in eine Aktie investiert oder diese als Basiswert eines Zertifikats heranzieht, kann sich laufend über die Ertragslage des Unternehmens, neue Produkte und die Geschäftsstrategie informieren. Bei besonderen Ereignissen sind Ad-hoc-Meldungen gesetzlich vorgeschrieben, es gibt Insiderregularien.

Kupfer Mit dem Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation WTO entstand Anfang der 2000er-Jahre ein Angebotsdefizit – die Preise stiegen, und Kupferminen begannen, ihre Kapazitäten anzupassen. Ende Januar 2011 war die Kletterpartie bei gut 10.000 USDollar je Tonne vorbei – heute kostet das Metall etwa 7.300 US-Dollar. Jetzt zeichnet sich ein Angebotsüberschuss ab, zumal die Konjunktur in den Schwellenländern schwächelt.

Jochen Stanzl, Rohstoffexperte der BörseGo AG

Bei Industriemetallen ist das anders – das Verhalten von Produzenten und Abnehmern des physischen Rohstoffs bestimmt das Geschehen und ist nur schwer zu durchschauen. „Es gibt immer Marktteilnehmer, die mehr wissen als andere und entsprechend handeln“, so Stanzl. Auf der Angebotsseite stehen zunächst Minen und Schmelzereien. Bei großen Gesellschaften, die vielfach auch börsennotiert sind, ist eine gewisse Transparenz gegeben. Wer sich eingehend informiert, erfährt, wo in Australien die Produktion ausgebaut wird, wo es nach dem Konkurs einer Mine Engpässe in Indonesien gibt oder wo in Brasilien eine neue Lagerstätte erschlossen wird. Wirklich schwierig aber wird es bei den Lagerbeständen, denn diese bilden einen ganz wesentlichen Teil des Angebots. Wie viel Tonnen Metall weltweit in Hallen liegen, weiß niemand genau – mehr als Schätzungen von Marktforschungsinstituten gibt es hierzu nicht. Hinzu kommt, dass sich seit zehn Jahren auch USGroßbanken in diesem Rohstoffmarkt engagieren und große physische Bestände lagern. Allerdings hat die US-Wertpapieraufsicht Securities and Exchange Commission (SEC) erwogen, den Banken hierfür höhere Transparenzstandards aufzuerlegen oder ihnen den physischen Handel sogar wieder zu verbieten. Mehrere Finanzinstitute haben daraufhin angekündigt, sich aus diesem Geschäftsfeld zurückzuziehen oder seinen Umfang zu reduzieren – eine Art von Information, die für andere Anleger in diesem Segment bedeutend ist. Denn werden diese Pläne umgesetzt, müssen sich die Banken von ihren Beständen trennen und sie auf dem Markt veräußern. Ein zwischenzeitliches Überangebot könnte die Folge sein – mit entsprechendem Druck auf die Preise. Ebenso schwierig einzuschätzen wie die Angebotsseite ist das kurzfristige Nachfrageverhalten der Marktteilnehmer. „Wenn ein Einkäufer eine außergewöhnlich große Order aufgibt, ist das schwierig nachzuvollziehen, denn es gibt keine Ad-hoc-Pflicht“, erklärt Stanzl. Überhaupt rät der Münchner Experte interessierten Privatanlegern

»DIE PREISE FÜR INDUSTRIEMETALLE PENDELN UM IHREN LANGJÄHRIGEN DURCHSCHNITT. IHR VERLAUF SOLLTE IN DER LANGFRISTIGEN PERSPEKTIVE BETRACHTET WERDEN.« marktmacher 02/2013

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handeln

Berg-und-Tal-Fahrt Kursverlauf wichtiger Industriemetalle von August 2007 bis August 2013 USD/Tonne (Alum./Zink)

USD/Tonne (Kupfer)

3.500

12.000

3.000

10.000

2.500

8.000

2.000

6.000 Kupfer Aluminium Zink

1.500

4.000

1.000

2.000 August 2007

August 2009

August 2011

August 2013

Wer in Industriemetalle investiert, muss sich auf starke Kursbewegungen einstellen. Für kurzfristig orientierte Trader können sie eine interessante Herausforderung darstellen. Wer längerfristig denkt, sollte von seiner Investmentidee überzeugt sein, um zwischenzeitliche Gegenbewegungen aushalten zu können. Zudem zeigen die drei Kurven, wie stark sich die Kursverläufe der Metalle ähneln. Quellen: Statistisches Bundesamt, Ifo-Konjunkturtest

davon ab, anhand der kurzfristigen Nachrichtenlage zu agieren. Erstens, weil institutionelle Investoren dank ihrer Anbindung an internationale Nachrichtenagenturen meist einen Informationsvorsprung haben und die Nachricht längst eingepreist ist, wenn sie den Anleger erreicht. Und zweitens, weil es nicht einfach ist, die Bedeutung von Nachrichten korrekt einzuschätzen. Wer kurzfristig auf Tages- oder Wochensicht handeln möchte, kommt nach Ansicht von Stanzl nicht an Charttechnik vorbei, denn so „kann man wenigstens gewissen Standardmustern folgen“. Wenn also eine kursbewegende Neuigkeit herauskommt, ist es interessant zu schauen, ob damit ein charttechnisches Signal einhergeht. Wer hingegen mittel- oder längerfristig investiert, kann andere Faktoren in den Blick nehmen. Den technischen Fortschritt zum Beispiel: Würden etwa Automobilhersteller in großem Stil von Aluminium auf Karbon-Bauweise umstellen, hätte das erhebliche Folgen für den Aluminiumpreis. Bei einem längeren Zeithorizont sollten Anleger von ihrer Erwartung überzeugt sein und die erheblichen Kursschwankungen aushalten können, die bei Industriemetallen zu beobachten sind (s. „Berg-und-Tal-Fahrt“). Bestimmend für den generellen Preistrend sind vor allem der Investitionszyklus der Minen und die allgemeine Konjunktur. „Ein Rohstoffzyklus verläuft in der Regel über zehn bis 15 Jahre, manchmal länger“, erklärt Hubertus Bardt, Rohstoffexperte am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln.

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Aluminium

Bei diesem Industrie­ metall gibt es einen Angebots­ überschuss, weil China sich autark mit dem beispielsweise im Fahrzeugbau eingesetzten Metall versorgen kann – das Land ist reichlich mit dem Ausgangsstoff Tonerde ausgestattet. Zudem subventioniert China die Aluminiumherstellung. Der Preis befindet sich seit April 2011 in einem Abwärtstrend und notierte Mitte 2013 bei etwa 1.800 US-Dollar je Tonne.

Der aktuell nach Einschätzung vieler Marktteilnehmer auslaufende Bullenmarkt beispielsweise begann um die Jahrtausendwende, als China sich aufmachte, zur Werkbank der Welt zu werden. Die Nachfrage aus dem Reich der Mitte wuchs, ein Unterangebot bestimmte den Markt. Minen begannen, ihre Kapazitäten auszubauen, was viele Jahre Zeit in Anspruch nahm. Heute deckt China 40 Prozent der Weltnachfrage an Industriemetallen ab, aber jetzt wendet sich offenbar der Trend: Die chinesische Regierung legt weniger Gewicht auf Wachstumsförderung, die Konjunktur zeigt sich weniger robust. Auch in den übrigen Schwellenländern trübt sich die wirtschaftliche Lage ein. Selbst eine anziehende US-Konjunktur dürfte die geringere Nachfrage kaum voll ausgleichen können. Damit steht der Markt für Industriemetalle vor einer Überversorgung. Wieder wird es Jahre dauern, bis sich das Angebot durch Minenschließungen und den Abbau von Lagerbeständen angepasst hat. Ein Bärenzyklus beginnt, der bis zu 15 Jahre dauern kann. Dieses große Ganze sollten Anleger bei ihrem Investment immer im Blick haben, rät Rohstoffexperte Stanzl. So sei etwa für eine mittel­ fris­tig auf steigende Preise setzende Strategie innerhalb eines Bärenmarkts besonderes Durchhaltevermögen nötig. Einen anderen Faktor können Anleger bei Industriemetallen dagegen getrost vernachlässigen: Eine grundsätzliche Verknappung der Rohstoffe spielt derzeit keine Rolle bei der Preisbildung. „Es stecken noch genügend Erze im Boden“, bringt es Stefan Bielmeier, Chefvolkswirt der DZ Bank in Frankfurt, auf den Punkt.   CARSTEN MICHAEL

handeln

PUNKTGENAU Filtern Weltweit werden rund 67.000 Aktien gehandelt, an der Börse Stuttgart knapp 7.000 Werte aus dem In- und Ausland. Ein schrittweises Vorgehen hilft, passende Titel auszuwählen.

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Foto: Börse Stuttgart

elche Aktie steht im Fokus, ist günstig bewertet oder hat noch Potenzial? Für den Vermögensverwalter Max Schott gehört die Wahl des richtigen Wertpapiers zum Tagesgeschäft. Dabei hat er in der Regel eine längerfristige Perspektive im Blick. Sein generell gemeinter Tipp: „Bei Aktien sollte man von einem Anlagehorizont zwischen sieben und zehn Jahren ausgehen.“ Daneben sei es aus Gründen der Risikostreuung stets angeraten, sein Portfolio zu diversifizieren, „wenn möglich mit 25 bis 50 Titeln“. Wenn es um konkrete Investments geht, ist für Schott zunächst die Corporate Governance der Aktiengesellschaft ein wichtiges Kriterium: Die Unternehmensführung sollte im Hinblick auf den Vorstand und Kontrollgremien wie den Aufsichtsrat hohen Anforderungen genügen. „Viele Unternehmen aus Entwicklungs- und Schwellenländern können dieses Qualitätskriterium nicht erfüllen“, so Schott.

Der Aktien-Finder der Börse Stuttgart hilft, Anlagealternativen einzugrenzen. Schritt für Schritt können Interessierte über Kriterien wie Region, Kurs-GewinnVerhältnis und Dividendenrendite zum Ziel kommen. Das Online-Tool filtert die Titel heraus – vom Blue Chip bis zum Nebenwert.

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Der Aktien-Finder der Börse Stuttgart: www.boerse-stuttgart.de/ aktien-finder

Wer selbst Aktien auswählen möchte, erhält Unterstützung auf der Internetseite der Börse Stuttgart: Mit einem Aktien-Finder können Interessierte über eine interaktive Weltkarte beispielsweise die Anlageregion festlegen, die Branche bestimmen und die Höhe der gewünschten Dividendenrendite vorgeben. Das Online-Werkzeug bietet so eine einfache Möglichkeit, eine sinnvolle Vorauswahl zu treffen. Auf dieser Basis fällt dann die Entscheidung leichter, welche Titel am vielversprechendsten sind und am besten zur eigenen Anlagestrategie passen. Gian Hessami

Weiterhin legt der Experte viel Wert darauf, dass der einwandfreie Handel mit den Papieren eines Unternehmens jederzeit gesichert ist. „Für die Liquidität am Markt ist der Anteil des Streubesitzes ein erster Anhaltspunkt“, sagt Schott. Weitere fundamentale Daten wie Cashflow, Hö­he der Pensionsverpflichtungen und Konstanz von Dividendenzahlungen spielen ebenfalls eine wichtige Rolle. Auch lohnt sich ein Blick auf Markt­kenn­zah­len wie Volatilität. „Aktien, deren Kurse sehr stark schwanken, sollten nur nach besonders eingehender Prüfung ins Portfolio aufgenommen werden“, empfiehlt Schott.

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RISIKEN AKTIV BEGRENZEN Anleger können ihr Portfolio mit ETFs auf unkomplizierte Weise gegen Kurseinbrüche absichern – Short- und Volatilitätsprodukte machen es möglich.

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ie alte Börsenregel, nicht alle Eier in einen Korb zu legen, bringt es auf den Punkt: Wer in viele verschiedene Werte investiert, verringert sein Verlustrisiko und sorgt für mehr Stabilität im Depot. Besonders einfach geht dies mit Exchange Traded Funds (ETFs): Die passiven, börsengehandelten Fonds bilden jeweils einen ganzen Index ab und sorgen so von vornherein für eine gewisse Streuung. Neben der langfristigen Strukturierung des Portfolios ermöglichen ETFs aber auch ein kurzfristigeres, aktives Risikomanagement. Schließlich lassen sich die Papiere täglich fortlaufend handeln und erlauben so schnelle Reaktionen auf aktuelle Marktentwicklungen. Mit speziellen ETF-Varianten können erfahrene Anleger ihr Depot gegen Korrekturen an den Aktienmärkten absichern. Damit ist natürlich kein Rundumschutz gemeint, denn der wäre bei vertretbarem Aufwand nicht umsetzbar. Vielmehr geht es darum, Verluste abzupuffern.

Eine Absicherungsmöglichkeit sind sogenannte Short-ETFs. Mit ihnen erzielen Anleger in fallenden Märkten Gewinne. „Die Papiere entwickeln sich auf täglicher Basis spiegelverkehrt zur Wertentwicklung der zugrunde liegenden Indizes“, erklärt Michael Görgens, Leiter des Fonds- und Anleihenhandels an der Börse Stuttgart. Fällt beispielsweise der DAX um drei Prozent, steigt der Kurs eines Short-ETFs auf den deutschen Leitindex um drei Prozent. So können sich Anleger taktisch gegen eine Marktschwäche absichern, ohne ETFs oder Aktien aus ihrem Depot verkaufen zu müssen. Allerdings ist bei Short-ETFs eine Besonderheit zu beachten: Werden sie länger gehalten, kann es wegen der

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Ordertypen Eine Positionierung mit Blick auf Kurseinbrüche erlauben intelligente Ordertypen. Etwa die OneCancels-OtherOrder: Hier kann der Anleger einen ETF mit einem Stop Loss unterhalb des aktuellen Kurses versehen und zugleich ein oberes Verkaufslimit definieren, bei dem Gewinne realisiert werden sollen.

täglichen Anpassung zu Verzerrungen kommen. Dann weicht die Wertentwicklung des Short-ETFs von der Entwicklung des zugrunde liegenden Indexes ab. Vorteilhaft für den Anleger sind solche Abweichungen nur bei stabilen, länger andauernden Abwärtstrends. In anderen Marktlagen sollten ShortETFs eher nur kurz gehalten werden. „Die Absicherung mit ShortETFs lässt sich flexibel gestalten, denn die Papiere werden an der Börse Stuttgart börsentäglich von 8 bis 22 Uhr gehandelt“, so Görgens. Anleger können also die Absicherung ihres Depots jederzeit wieder auflösen, wenn eine Korrektur zu enden scheint oder sich ihre Markteinschätzung geändert hat. „Short-ETFs sind bei den Anlegern in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden“, weiß Görgens. Wie intensiv die Investoren die Produkte nutzen, zeigen Zahlen zum Handel an der Börse Stuttgart. So war beispielsweise Ende August ein Short-ETF auf den DAX mit 100 Trades innerhalb einer Woche der meistgehandelte passive Indexfonds. Derzeit sind rund 50 Short-ETFs an der Börse Stuttgart gelistet. Es gibt noch eine andere Möglichkeit, sich gegen Kursverluste abzusichern: Mit sogenannten Vola-ETFs können Anleger auch auf eine steigende Volatilität setzen. Dabei handelt es sich um die von den Marktteilnehmern erwartete Schwankungsbreite der Kursaus-

handeln Gegenläufige Performance Der Euro STOXX 50 und der zugehörige Volatilitätsindex IVSTOXX entwickeln sich in etwa entgegengesetzt. Fällt der Aktienindex, steigt der IVSTOXX – und umgekehrt. Mehr Schwankungsbreite in Abwärtstrends: Im Juni 2013 ging es mit dem Euro STOXX 50 steil bergab – bei deutlich ansteigender Volatilität, wie der IVSTOXX zeigt. Von Juli bis Mitte August kletterte der europäische Leitindex wieder nach oben, während sich der Volatilitätsindikator auf Talfahrt begab.

IVSTOXX

Euro STOXX 50

33

2.900

32

2.850

31

2.800

30

2.750 2.700

29 IVSTOXX Euro STOXX 50

28 27

2.650 2.600

26

2.550

25

2.500

1. Juni 2013

1. Juli 2013

1. August 2013

30. August 2013

Quelle: www.stoxx.com

Foto: Barcroft/gettyimages, Peter Himsel

schläge, die auch implizite Volatilität genannt wird. Simon Ullrich, leitender Analyst der Ratingagentur Scope, erklärt den Zusammenhang mit der Depotabsicherung: „In der Regel steigt die implizite Volatilität überproportional an, wenn die Aktienkurse fallen.“ In Abwärtsbewegungen gehe es oft Schlag auf Schlag nach unten – dies lasse die Nervosität bei den Marktteilnehmern steigen. „Anleger, die mit ihren Investments auf eine steigende Volatilität setzen, können daher von fallenden Märkten profitieren“, so Ullrich. Beim DAX misst der sogenannte VDAX die Schwankungsbreite, beim Euro STOXX 50 ist es der IVSTOXX. Mit ETFs auf solche Volatilitätsindizes lässt sich sowohl für ETF-Depots als auch für diversifizierte Aktiendepots eine kostengünstige Makro-Absicherung umsetzen. Diese Möglichkeit war früher vorwiegend institutionellen Investoren vorbehalten.

@ Die intelligenten Ordertypen der Börse Stuttgart: www.boerse-stuttgart.de/ ordertypen

Der Kauf eines Vola-ETFs ist vor allem dann sinnvoll, wenn die Schwankungsbreite im Vergleich zu früheren Werten besonders niedrig ist. Eine niedrige Volatilität lässt sich am besten mit der sprichwörtlichen „Ruhe vor dem Sturm“ vergleichen. Brechen die Aktienmärkte ein, erhöhen sich die Volatilität, der Stand des entsprechenden Indexes und somit auch der Wert des Vola-ETFs. Die daraus entstehenden Gewinne können dann die Verluste des ETF- oder Aktiendepots teilweise auffangen. Da auch eine schwankungsintensive Aufwärtsbewegung der Märkte vorkommen kann, ist ein Investment in Volatilität grundsätzlich marktneutral. Der Absicherungsgedanke steht jedoch meist im Vordergrund. Dabei sollten Anleger im Blick haben, dass bei fallender Volatilität auch der Wert eines Vola-ETFs sinkt. GIAN HESSAMI

»DIE IMPLIZITE VOLATILITÄT STEIGT, WENN DIE AKTIENKURSE FALLEN. ANLEGER KÖNNEN DAHER MIT SOGENANNTEN VOLA-ETFS VON FALLENDEN MÄRKTEN PROFITIEREN.« Simon Ullrich, leitender Analyst bei der Ratingagentur Scope

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schwer gefragt Der Trend bei Gold hat sich gedreht: Gut 26 Prozent büßte sein Preis im ersten Halbjahr 2013 ein. Während viele Edelmetall verkaufen, nutzen andere den Kursrutsch und decken sich ein – auch mit EUWAX Gold.

Die Nachfrage nach Gold ist jedenfalls ungebrochen, wie die Umsatzstatistik für EUWAX Gold zeigt. Das Exchange Traded Commodity (ETC) ist zu 100 Prozent mit physischem Gold unterlegt und notiert in Euro pro Gramm. 2013 wurden an der Börse Stuttgart an jedem einzelnen Handelstag mehr dieser ETCs gekauft als abgestoßen (s. „Privatanleger kaufen

weiter Gold“). Ein Jahr nach der Markteinführung von EUWAX Gold hat sich Mitte September 2013 so ein hinterlegter Bestand von rund 1,6 Tonnen Gold aufgebaut. Doch wer sind die Verkäufer, die den Goldpreis drücken? In erster Linie haben institutionelle Investoren Goldpositionen reduziert, beispielsweise Investmentfonds oder andere Kapitalanlagegesellschaften. Die Gründe erläutert Thorsten Pröttel, Rohstoff­ analyst bei der Landesbank BadenWürttemberg (LBBW): „Beim Gold ergeben sich Angebot und Nachfrage aus einem sehr komplexen Interessengeflecht.“

Rupertus Rothenhäuser, Geschäftsführer der Boerse Stuttgart Securities GmbH

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Mehr zu EUWAX Gold: www.euwax-gold.de

Ausgangspunkt der Preisentwicklung war nach seiner Beobachtung ein Rückgang der Nachfrage in Indien, dem derzeit weltgrößten Importeur von physischem Gold. Denn dort hat die Regierung die Importsteuer auf das Edelmetall in mehreren Schritten stark erhöht, um die eigene Währung zu

»Während institutionelle Investoren sich in groSSem Stil von Gold trennten, ist das Interesse privater Anleger ungebrochen.«

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Fotos: Börse Stuttgart; Daniel Nimmervoll/Fotolia

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ichts ist langfristig so wertbeständig wie Gold – schon im alten Rom konnte man sich für eine Unze, das sind gut 31 Gramm, sehr gut einkleiden. Und auch heute noch ist das bei einem Preis um 1.300 Euro pro Feinunze problemlos möglich. Vielleicht haben sich viele Privatanleger gerade wegen des Werterhalts weiter mit Gold eingedeckt, als der Preis des Edelmetalls in der ersten Jahreshälfte 2013 um gut ein Viertel nachgab und einen günstigeren Einstieg ermöglichte.

handeln

Vor diesem Hintergrund könnte der Eindruck entstehen, Privatanleger stünden auf der falschen Seite. Doch sie sind nicht die Einzigen, die weiter in Gold investieren. „Viele Notenbanken kaufen Gold, zum Beispiel in China, Südkorea, Mexiko und Russland“, berichtet Analyst Pröttel. Allein 2012 fragten sie 535 Tonnen Gold nach, so viel wie seit 50 Jahren nicht mehr. Und im ersten Quartal 2013 erhöhten sie ihre Goldreserven nach Angaben des World Gold Council (WGC) nochmals um mehr als 109 Tonnen. „Staaten machen genau das, was auch Privatanleger tun sollten: Sie diversifizieren ihr Portfolio“, sagt Rupertus Rothenhäuser, Geschäftsführer der Boer­ se Stuttgart Securities GmbH, die das Wertpapier EUWAX Gold emittiert.

Privatanleger kaufen weiter Gold EUWAX Gold hat im Jahresverlauf stetige Zuflüsse verzeichnet. Der Goldpreis hat sich seit Juli etwas stabilisiert – dies jedoch innerhalb eines deutlich fallenden Trends. Umso auffälliger ist die Säulengrafik, die für jeden Handelstag seit Jahresbeginn das Verhältnis von Käufen zu Verkäufen bei EUWAX Gold an der Börse Stuttgart aufzeichnet: An jedem Handelstag wurden mehr ETCs gekauft als verkauft. Am 31. Januar zum Beispiel gab es 35-mal mehr Kauf- als Verkaufsorders, am 19. April sogar 75-mal mehr.

Barren liefern Inhaber von EUWAX Gold haben den Anspruch auf kostenfreie Auslieferung des hinterlegten Goldes innerhalb Deutschlands. Ausgeübt werden können 100 ETCs oder ein Vielfaches davon. Die dafür notwendige Ausübungserklärung ist als PDF auf www.euwaxgold.de hinterlegt und einfach bei der eigenen Depotbank einzureichen. Diese kümmert sich um alles Weitere, wofür sie eine Gebühr berechnen kann.

Goldpreis in US-Dollar

80

1.750 1.700

70

1.650

Käufe/Verkäufe Goldpreis

60

1.600 1.550

50

1.500 1.450

40

1.400

30

1.350 1.300

20

1.250

10

1.200 1.150

3 01 .2

13 20

.9 15

13

13

20

8. 2.

7. 2.

13

20 6. 2.

13

20 5. 2.

20

13 20

4. 2.

13 20

3. 2.

2. 2.

20

13

0

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Quellen: Börse Stuttgart; World Gold Council

Verhältnis Käufe/Verkäufe

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stützen. Der Goldpreis knickte zuerst Mitte April ein. Der zweite Einbruch erfolgte im Juni, nach der Ankündigung der US-Notenbank Fed, langsam aus ihrer seit Beginn der Finanzkrise äußerst lockeren Geldpolitik auszusteigen und damit eine vorsichtige Zinswende einzuleiten. Allein in den USA haben GoldFonds daraufhin Positionen in der Größenordnung von 600 Tonnen abgegeben. Das Motiv: Bei steigenden Zinsen sinkt die Attraktivität von Gold gegenüber anderen Anlageformen – schließlich wirft das Edelmetall keinerlei Zinsen ab. Auch die gut laufenden Aktien­märk­ te geben den institutionellen Inves­ toren Anlass, Kapital von Gold in Aktien umzuschichten. Hinzu kommt, dass Gold seine Anziehungskraft als Krisenwährung teilweise einbüßt, weil die Angst vor der Euro-Staatsschuldenkrise und erhöhter Inflation deutlich nachgelassen hat.

Private Anleger, die den Kurssturz nutzen und sich mit Gold eindecken, erweitern ihr Anlagespektrum um Sachanlagen. Analyst Pröttel bestätigt den Stabilisierungseffekt, der mit der breiteren Streuung der Geldanlage einhergehen kann: „Als in den Jahren 2008 und 2009 die Aktienkurse fielen, stieg in gleichem Maß der Goldpreis.“ Wie viel Gold ein Portfolio enthalten sollte, ist für Pröttel allerdings eine individuelle Frage: „Das muss jeder Anleger für sich selbst entscheiden, je nach der Aufteilung seines Vermögens und dem eigenen Sicherheitsbedürfnis.“ Das Wertpapier EUWAX Gold wird beim Aufbau einer Goldposition gerne genutzt, weil es auf den Bedarf vieler Privatanleger eingeht, sich das hinterlegte Gold auf Wunsch auch ausliefern zu lassen. „Da sich EUWAX Gold zudem unkompliziert an der Börse handeln lässt, vereint es die Vorteile von physischem Edelmetall und Wertpapieren“, betont Rothenhäuser. Mit ähnlich starken Bewegungen beim Goldpreis wie 2013 rechnet Analyst Pröttel für das kommende Jahr nicht, denn „die Anleger mit den zittrigen Händen sind längst draußen aus dem Goldmarkt“. Dennoch hält der Rohstoffexperte einen weiteren Rückgang bis auf 1.200 Dollar für möglich. Eine theoretische Untergrenze taxiert er bei etwa 1.100 Dollar: „In diesem Bereich liegen die Förderkosten.“ CARSTEN MICHAEL

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HAUSSE mit Nebenwirkungen Mit Notenpresse und Neuverschuldung schwächt Japan bewusst die eigene Währung und kurbelt so die Exportwirtschaft an. Japanische Aktien haben 2013 rasant zugelegt, doch Anleger sollten auch die Risiken der Politik der »Abenomics« kennen.

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apan hält 2013 die Märkte in Atem: Das Geld, das die Bank of Japan derzeit in großem Stil bereitstellt, scheint direkt in Aktien zu fließen. Von November 2012 bis September 2013 stieg der Nikkei 225 von rund 9.000 auf rund 14.500 Punkte – ein Plus von rund 61 Prozent. Im Mai erreichte der Aktienindex sogar 15.600 Punkte, fiel im Juni aber wieder auf 12.400 Punkte. Seitdem schwanken die Kurse auf hohem Niveau.

Als der Nikkei im Mai den höchsten Stand seit fünf Jahren erreichte, lag das Papier bei den Orderzahlen sogar „wochenlang auf Platz eins der Rangliste“, so Paul. Ein ähnliches Bild bietet sich beim Handel mit japanischen Einzelaktien: Im ersten Halbjahr 2013 wurden bei den rund 180 Werten an der Börse Stuttgart Monat für Monat min­des­ tens doppelt so hohe Umsätze ver-

@ Auslandsaktien an der Börse Stuttgart: www.boerse-stuttgart.de/ auslandsaktien

Das groSSe Interesse von Anlegern an Japan hat Norbert Paul, Handelsexperte an der Börse Stuttgart, genau verfolgt: „Ein Index-Zertifikat auf den Nikkei war seit Februar immer unter den top drei der am häufigsten gehandelten derivativen Anlageprodukte in Stuttgart.“

Nikkei deutlich unter Allzeithoch Gemessen an alten Höchstständen hat der japanische Aktienindex noch viel Luft nach oben.

Index-Punkte 40.000 35.000

Der Chart des Nikkei 225 spiegelt Japans Schwäche. Nach dem Platzen der Aktien- und Immobilienpreisblase Anfang der 1990er-Jahre vermied Japan Strukturreformen und glitt in die Deflation ab. In Erwartung fallender Preise blieben Investitionen und Konsum aus. Die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie litt. Jetzt soll mithilfe der Notenpresse die Krise überwunden werden. Quelle: comdirect

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handeln zeichnet wie im entsprechenden Zeitraum 2012. Im Mai 2013 erreichte das Handelsvolumen sogar ein Fünfjahreshoch von fast zwölf Millionen Euro. Auch Malte Rubruck, Senior Manager Trading & Banking Products bei der DAB Bank, berichtet für diesen Monat von einer „dreimal höheren Aktivität der Trader“. Zwischen Frühjahr und Sommer 2013 habe die DAB Bank zudem bei Exchange Traded Funds (ETFs) auf die Indizes MSCI Japan, Nikkei 225 und Topix deutlich mehr Käufe als Verkäufe beobachtet.

Phase leicht fallender Preise überwunden werden. Ein weiterer erwünschter Effekt: Der Yen verliert gegenüber Euro, US-Dollar und anderen Währungen an Wert. Dadurch werden japanische Produkte im Ausland billiger, und der Export legt zu. Als Folge steigen die Gewinne exportorientierter japanischer Konzerne.

ABENOMICS Die Strategie von Ministerpräsident Shinzo Abe basiert auf drei Säulen. Die Geldbasis soll bis Ende 2014 auf 270 Billionen Yen (2,1 Billionen Euro) verdoppelt und bis März 2016 eine In­fla­tion von zwei Prozent erreicht werden. Zudem sind Konjunkturprogramme in Höhe von gut zehn Billionen Yen (79 Milliarden Euro) geplant. Die dritte Säule bilden Strukturreformen wie Erhöhung der Frauenerwerbsquote, Deregulierung sowie Freihandelsgespräche.

Foto: Takeshi.K/gettyimages

Der Höhenflug des japanischen Aktienmarkts beruht vor allem auf dem radikalen Konzept zur Stimulierung der Wirtschaft von Ministerpräsident Shinzo Abe, kurz „Abenomics“ genannt. Im Zentrum steht die Bank of Japan, die der Regierung in nie gesehenem Ausmaß Staatsanleihen abkauft – und damit quasi Geld druckt. Mit aller Macht soll so bis 2016 eine Inflationsrate von zwei Prozent erreicht und die seit 1994 anhaltende

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Auf beläuft sich 2013 die Staatsverschuldung Japans in Relation zum Bruttoinlandsprodukt. Quelle: IWF

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Wer als Anleger an den nachhaltigen Erfolg von „Abenomics“ glaubt, kann sich mit unterschiedlichen Wertpapieren entsprechend positionieren. Neben Einzelaktien bieten ETFs oder Index-Zertifikate die Möglichkeit, breit gestreut in den japanischen Markt zu investieren. An der Börse Stuttgart sind 35 ETFs und 51 Index-Zertifikate mit Japan-Bezug gelistet. Während die ETFs als Sondervermögen gegen das Emittentenrisiko geschützt sind, ist dieses bei den Zertifikaten grundsätzlich zu beachten. Erfahrene und besonders risikofreudige Anleger können zudem mit derivativen Hebelprodukten auch auf kurz­fris­ tige Schwankungen des derzeit volatilen japanischen Aktienmarkts setzen. Allein auf den Leitindex Nikkei 225 sind an der Börse Stuttgart rund 1.500 Knock-out-Produkte und über 3.300 Optionsscheine handelbar, mit denen Trader ihre individuelle Markterwartung abbilden können. Privatanleger mit längerem Zeithorizont sollten auf jeden Fall den Wechselkurs von Euro und Yen im Auge behalten. Hierauf weist Georg Erber vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hin: „Ausländische Investoren müssen den Wechselkurseffekt

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handeln

Der schwache Yen ist als Folge der aggressiven Geldpolitik ein willkommener Wachstumsimpuls für Japans Exportwirtschaft. Gelddrucken allein kann allerdings nicht die Lösung für Japans Probleme sein. Deshalb kündigte Premierminister Abe immer wieder auch Strukturreformen an, allerdings ohne konkrete Schritte einzuleiten. Folglich gibt es Zweifel am Reformwillen der japanischen Regierung, etwa mit Blick auf Steuererhöhungen oder die Liberalisierung des Arbeitsmarkts. So warnte die Bundesbank in ihrem Monatsbericht August 2013 vor einem „konjunkturellen Strohfeuer“. Dass die Bedingungen für einen Erfolg der „Abenomics“ erfüllt sind, sei „keineswegs gewiss“. Bereits 2014 könne das Wirtschaftswachstum mit 1,25 Prozent wieder geringer ausfallen als zuletzt. Um neben dem Export auch die Binnenwirtschaft zu beleben, die 84 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt, müssten die Löhne steigen. Das aber sei fraglich, so die Bundesbank. Zugleich gilt in vielen japanischen Unternehmen das Prinzip der lebenslangen Beschäftigung. In Krisen werden deshalb eher die Löhne gesenkt, als Mitarbeiter entlassen. Eine weitere landestypische Besonderheit ist, dass die Bezahlung von Angestellten von Alter und Betriebszugehörigkeit abhängt. Die Konsequenz: Junge Beschäftigte werden oft nicht entsprechend ihrer Produktivität entlohnt. Selbst die „Abenomics“ tun bisher wenig, um die Perspektiven für junge Japaner zu verbessern. Auch deshalb liegt die Geburtenrate bei durchschnittlich

RISIKO MINIMIEREN Währungsrisiken lassen sich mit QuantoZertifikaten vermeiden: Für deren Kursentwicklung ist nur die absolute Performance des Basiswerts relevant. So werden beispielsweise bei japanischen Aktien, die in Yen notieren, mögliche Währungsverluste gegenüber dem Euro ausgeschaltet. Der Schutz hat seinen Preis: Bei Quanto-Zertifikaten fallen für die Absicherung Gebühren an, die anteilig vom Wert des Zertifikats abgezogen werden.

Georg Erber, Ökonom beim Wirtschaftsforschungsinstitut DIW in Berlin

»Deutsche Anleger müssen den negativen Wechselkurseffekt der Yen-Abwertung beachten.«

1,4 Kindern pro Frau. Nach Daten von Germany Trade & Invest sind inzwischen 23 Prozent der 128 Millionen Japaner älter als 65 Jahre. In Zukunft wird die Bevölkerung stark schrumpfen. Das dämpft die Inlandsnachfrage. Zudem verweist die Bundesbank auf die gigantische Staatsverschuldung Japans von über 245 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – das ist weltweit Spitze. Zum Vergleich: Im EU-Krisenstaat Griechenland liegt die Verschuldungsquote bei rund 160 Prozent. Dass Japan dennoch Kapital von Investoren bekommt, liegt an einer Besonderheit: Statt am internationalen Kapitalmarkt leiht sich der Staat bei seinen Bürgern, Banken, Versicherungen und Pensionskassen Geld. Gut 90 Prozent der Gläubiger kommen aus Japan. Dabei liegt die Rendite zehnjähriger Staatsanleihen seit 15 Jahren meist deutlich unter zwei Prozent; seit drei Jahren deutlich unter einem Prozent. Sollte angesichts der ausufernden Verschuldung jedoch das Interesse an Japans Staatsanleihen schwinden, müsste das Land höhere Zinsen bieten. Im August sind sie bereits gestiegen, von 0,5 auf in der Spitze 1,0 Prozent – obwohl die Bank of Japan derzeit 70 Prozent der neu ausgegebenen Staatsanleihen absorbiert. Dies sei eine Kehrseite des Aktienbooms, so Erber: „Nicht nur ausländische Investoren setzen auf den japanischen Aktienmarkt. Auch inländische Anleger ziehen sich aus Staatsanleihen zurück und investieren verstärkt in Aktien.“ Dabei gilt für Japans Unternehmen wie für den Staat und die Investoren: Ein Scheitern der „Abenomics“ kann sich niemand leisten. JAN MÜNSTER

Foto: DIW Berlin

der Yen-Abwertung von den Kursgewinnen abziehen.“ Dann ergibt sich nämlich eine ganz andere Rechnung: Von den rund 52 Prozent Kurssteigerung im Nikkei 225 seit Beginn der Hausse bis August 2013 bleiben währungsbereinigt nur 26 Prozent übrig. Aus Sicht deutscher Anleger schmelzen die erzielten Kursgewinne also zu einem Großteil wieder dahin. Es sei denn, sie sichern ihr Japan-Investment gegen Währungsrisiken ab. Das funktioniert mit ETFs, die mit einem Währungsschutz ausgestattet sind, oder sogenannten Quanto-Zertifikaten. Die Absicherung verursacht zwar zusätzliche Kosten, aber die Kursgewinne bleiben dafür weitgehend erhalten.

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ankommen Bei den Grundkenntnissen in Mathematik haben die Deutschen noch Nachholbedarf, wie jetzt eine Studie belegt. Die Stiftung Rechnen will hier Aufbauarbeit leisten.

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as haben Marcell Jansen vom Hamburger SV, Sven Bender von Borussia Dortmund und Cacau vom VfB Stuttgart gemeinsam? Richtig, alle sind Fußballnationalspieler. Aber das ist nur die halbe Antwort. Denn die Profisportler eint noch etwas anderes als der deutsche Volkssport Nummer eins.

Die Kicker wissen nämlich, dass perfekte Fähigkeiten am runden Leder noch keine Grundlage fürs spätere Leben sind. Sie engagieren sich deshalb gemeinsam mit der Stiftung Rechnen dafür, dass junge Menschen ein Bewusstsein für den Wert schulischer Kenntnisse in Mathematik entwickeln. Die Rezeptur für mehr Rechenfitness in Deutschland liegt für Johannes Friedemann auf der Hand. „Eine der wichtigsten Zutaten ist der Mathematikunterricht“, sagt der Geschäftsführer der Stiftung Rechnen. Der zu vermittelnde Stoff müsse Neugierde wecken, begeistern und Menschen für den Alltag fit machen.

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Mathe fürs Le @

Ergebnisse der Studie „Bürgerkompetenz Rechnen“: http://bit.ly/StiftungRechnen

Mehr Freude am Rechnen – darauf zielt auch die Aktion „Mathe macht das Tor“. Schüler aller Altersstufen sollten in einem deutschlandweiten Klassen-Wettbewerb so viele Mathematikaufgaben wie möglich lösen. Als Hauptgewinne winkten Besuche der Fußballstars Jansen, Bender und Cacau in den Klassen. Das führte zu einem regelrechten Mathe-Fieber: Fast 33.000 Schülerinnen und Schüler lösten in rund vier Wochen sieben Millionen Aufgaben. Über 1.500 Klassen nahmen teil. Die gemeinnützige Stiftung Rechnen unterstützt seit 2009 solche Initiativen, um Mathematik zu mehr Aufmerksamkeit zu verhelfen und die Bildung auf diesem Gebiet zu fördern. Gründungsstifter sind die comdirect bank und die Börse Stuttgart. Den Unternehmen geht es

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Foto: pixabay.com; Börse Stuttgart

ben »Die Beherrschung essenzieller Rechentechniken ist Voraussetzung für ein Verständnis von Finanzen.« Christoph Lammersdorf, Vorsitzender der Geschäftsführung Börse Stuttgart

Die entscheidenden Grundlagen werden in den Schulen gelegt. Allerdings hat Rechnen dort oft nicht das beste Image. „Warum lernen wir das eigentlich?“, lautet eine häufig gestellte Frage von Schülerinnen und Schülern im Matheunterricht. Antworten liefert das Projekt „Mathe4Life“, das die Stiftung Rechnen ins Leben gerufen hat. Ziel ist es, Jugendlichen die Bedeutung von Mathematik im Alltag und Beruf nä­her­zu­brin­gen – konkrete Anwendungsfälle sollen dabei Interesse wecken. Auch die Börse Stuttgart beteiligt sich an „Mathe4Life“: Mitarbeiter gehen an Schulen und zeigen anhand von Praxisbeispielen auf, wo Mathematik im Alltag einer Börse eine Rolle spielt. Ob es um die Rendite einer Aktie, den Kapitalbedarf eines Unternehmens oder die Höhe des US-Schuldenbergs in 100-Dollar-Banknoten geht: Ungewöhnliche und anschauliche Aufgabenstellungen sollen Schülerinnen und Schülern zeigen, dass Rechnen sowohl nützlich als auch spannend sein kann.  Wie schwer sich viele Deutsche dennoch im Umgang mit mathematischen Fragestellungen tun, hat jüngst die Studie „Bürgerkompetenz Rechnen“ deutlich gemacht. Insgesamt 1.027 Personen im Alter zwischen 18 und 65 Jahren beteiligten sich und hatten 30 Aufgaben mit Alltagsbezug zu lösen, die inhaltlich bis zum Niveau

der achten Klasse reichten. Das Resultat der repräsentativen Erhebung im Auftrag der Stiftung Rechnen ist ernüchternd: Die Hälfte der Deutschen kann nicht ausrechnen, wie sich eine geänderte Geschwindigkeit auf die Fahrtzeit auswirkt. Auf Kriegsfuß stehen sie auch mit der Prozentrechnung – diese fällt bei jedem Dritten fehlerhaft aus. Da wundert es nicht, dass auch der einfache Dreisatz Probleme bereitet (s. „Wie lautet das Ergebnis?“). Und wenn es um das Lesen eines Kurvencharts zum Goldpreis geht, interpretiert jeder zweite Deutsche das Schaubild falsch. Solches Nichtwissen kann zu deutlichen Fehleinschätzungen führen, beispielsweise im Kontext eines Wertpapierinvestments. „Nur wer über mathematisches Wissen verfügt, ist in der Lage, viele berufliche oder private Herausforderungen zu bewältigen“, sagt Christoph Lammersdorf. Um hinzuzulernen, zählt für Nationalstürmer Cacau neben Talent und Fleiß vor allem, dass man mit Spaß bei der Sache ist: „Das gilt für Fußball genauso wie für Mathe.“ DETLEV BRECHTEL

? Wie lautet das ergebnis? 400 g Rinderfilet kosten 32 Euro. Wie viel kosten 300 g? Die Aufgabe konnten 13 Prozent der Befragten der Studie „Bürgerkompetenz Rechnen“ nicht lösen. Unter Hauptschülern scheiterten 19 Prozent, unter Abiturienten immerhin fünf Prozent. Die mangelnde Rechenfitness der Deutschen zeigt sich vor allem beim Umrechnen von Maßeinheiten. Die Lösung: 24 Euro

um nichts weniger als die Grundversorgung mit Wissen. „Gute und solide Rechenfähigkeiten müssen so selbstverständlich sein wie das Lesen“, sagt Christoph Lammersdorf, Vorsitzender der Geschäftsführung der Börse Stuttgart. „Denn die Beherrschung essenzieller Rechentechniken ist die Voraussetzung dafür, ein Verständnis für den Umgang mit Geld und Finanzen zu entwickeln.“

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Pro & Contra:

HÖHERE ZINSSÄTZE IN DER EUROZONE SIND DRINGEND NOTWENDIG

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Mehr Expertenmeinungen bei Börse Stuttgart TV: www.boerse-stuttgart.tv

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zu den ­personen PRO Andreas Freytag ist Professor für Wirtschaftspolitik an der FriedrichSchiller-Universität in Jena. Der 51-Jährige hat unter anderem zu Risiken und Herausforderungen des Euro-Raums geforscht. CONTRA Ulrich Kater ist Chefvolkswirt der DekaBank. Der 48-Jährige studierte an den Universitäten Göttingen und Köln. Promotion am finanzwirtschaftlichen Lehrstuhl der Universität Köln. Kater lehrte u. a. an der European Business School.

Contra

In ganz Europa sollten die Zinsen steigen. Zum einen wäre das ein Signal an die Regierungen. Denn nur wenn Geld ein knappes Gut ist, wirkt der Zins mit Blick auf die Verschuldung disziplinierend. Zum anderen bedroht der momentan negative Realzins die private Altersvorsorge: Lebensversicherer und Pensionsfonds haben Probleme, angemessene Renditen zu erwirtschaften. Und auch Banken sollten im normalen Kreditgeschäft wieder höhere Erträge generieren können, damit sie nicht in riskante Engagements getrieben werden. Sicherlich kann das Zinsniveau nicht über Nacht steigen. Es muss sich moderat ändern – begleitet von politischen Reformen. In Deutschland wäre es beispielsweise sinnvoll, die Subventionen von 160 Milliarden Euro jährlich zurückzufahren. Damit könnte sich die Regierung rasch erhebliche Spielräume verschaffen. In Frankreich müsste sich das Bewusstsein für die Krise schärfen: Die dort angestrebte Rente mit 60 ist nicht finanzierbar. Und in Italien könnte ein gelockerter Kündigungsschutz dem Arbeitsmarkt dringend benötigte Impulse geben. Die Europäische Zentralbank jedenfalls wird sich erst dann von den Niedrigzinsen verabschieden, wenn Reformen greifen und sich positive Veränderungen abzeichnen.

In Euro-Land ist das niedrige Zinsniveau ein Reflex der hohen Verschuldung in den Volkswirtschaften. So liegen etwa die Staatsschulden im Durchschnitt bei 90 Prozent des Brutto­inlands­ produkts. Hohe Schuldenlasten lassen sich jedoch nur bei niedrigen Zinsen tragen. Ähnlich verhält es sich mit Banken, die problematische Kredite im Portfolio haben: Bei steigenden Zinsen würden mehr Kreditnehmer ausfallen und damit eventuell die Banken selbst in Schieflage bringen. Mithin ist eines nur folgerichtig: Die Notenbanken der Industrieländer werden durch niedrige Zinsen und eine unkonventionelle Geldpolitik weiterhin die Konjunktur und das Finanzsystem stützen. Was früher ein Tabu war – die Zinsen nahe am Nullpunkt zu halten und Wertpapiere in großem Stil anzukaufen –, ist und bleibt die Normalität. Wenn alles gut geht und das europäische Bankensystem rekapitalisiert wird, dann sind 2015 bis 2016 auch wieder Zinserhöhungen in der Euro-Zone vorstellbar. Für Privatanleger heißt das: Sie müssen sich daran gewöhnen, dass Spareinlagen fast unverzinst bleiben, während Aktien oder Unternehmensanleihen halbwegs auskömmliche Renditen versprechen. Die Erhöhung der Wertpapierquote ist mithin ein Muss für jeden, der sein Vermögen langfristig erhalten möchte.

Fotos: privat, Olaf Hermann

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einen augenblick, Herr Fahrenschon In der Schuldenkrise muss die Politik eine stabilere Finanzarchitektur schaffen und eine neue Anlagekultur fördern.

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Foto: DSGV

om Vorgehen gegen die Schuldenkrise sind Europas Bürger in zweierlei Hinsicht betroffen. Zum einen geht es darum, inwieweit die Haftung für mögliche Schieflagen von Kreditinstituten vergemeinschaftet wird. Zum anderen stellt sich die Frage, wie Privatanleger das anhaltende Niedrig­zins­ umfeld überstehen können, ohne schleichend enteignet zu werden. Europa benötigt stabile Finanzinstitute, denn die Krise hat deutlich gemacht, wie gefährlich taumelnde Banken – vor allem die großen, systemrelevanten Institute – für Volkswirtschaften sein können. Nachvollziehbar ist die Einschätzung, dass einzelne Euro-Staaten ihre großen Banken im Zweifel allein nicht ausreichend stützen oder notfalls auch abwickeln können. Falsch wäre es allerdings, diesem Problem mit dem Prinzip der Vergemeinschaftung zu begegnen, indem stabile regionale Banken für die Risiken von Groß- und Investmentbanken haften. Vielmehr brauchen wir in Europa eine Finanzarchitektur, die von

jedem Marktteilnehmer entsprechend seinen Risiken eine eigenverantwortliche Vorsorge abfordert.

zur ­person Georg Fahrenschon ist seit 2012 Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes. Der 45-Jährige hat nach dem Studium der Betriebs- und Volkswirtschaftslehre unter anderem als Unternehmensberater gearbeitet. Von 2002 bis 2007 war er als Bundestagsabgeordneter im Finanz- und Haushaltsausschuss aktiv und wechselte dann von Berlin nach München, wo er 2008 Staats­ minis­ter der Finanzen wurde.

Letztlich wird zu viel darüber nachgedacht, wie man „Otto Normalverbraucher“ an den Kosten der Finanzkrise beteiligen kann. Hier leisten die Sparer durch Verzicht auf Zinsen und durch reale Vermögensverluste bereits Beiträge in Milliardenhöhe. Auch die geplante Finanztransaktionssteuer wirkt in diese Richtung. Dringlich wäre stattdessen, die breite Bevölkerung wieder stärker am erwirtschafteten Wohlstand teilhaben zu lassen. Das ist umso drängender, je länger die Niedrigzinsphase andauert. Wertpapiere sind dabei eine Anlageform, um angemessene Renditen zu erzielen – vor allem mit langfristigem Fokus. Doch die Aktienkultur in Deutschland liegt am Boden. Ein Grund sind sicherlich die schlechten Erfahrungen vieler Anleger während der Finanzkrise. Eine zunehmende Rolle spielen aber auch falsche Weichenstellungen der Politik: Immer mehr bürokratische Vorgaben produzieren Papierberge, die abschreckend wirken. Beispielsweise wurde die Wertpapierberatung in den vergangenen Jahren zunehmend reguliert – mit der Konsequenz, dass immer weniger beraten wird. So sank bei den wichtigsten 160 deutschen Aktien der Anteil der Beratungsgeschäfte in der Sparkassen-Finanzgruppe von 2009 bis 2012 um 80 Prozent. Wenn die von der Politik propagierte, über Wertpapiere finanzierte private Altersvorsorge weiterhin attraktiv sein soll, ist ein Umsteuern nötig: weniger Bürokratie, stattdessen bedarfsorientierte Beratung und eine bessere allgemeine Bildung in Finanzfragen.

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vativen und spekulativeren Anlagen am sinnvollsten. Zu meinem Mix zählen Tagesgeld, Anleihen, Aktien und Fonds. Wenn es um Ausgaben geht: Wofür sind Sie bereit, ins Portemonnaie zu greifen? Ich gebe Geld für gute Nahrungsmittel aus und – im Sinne einer nachhaltigen Investition – auch für ein Eigenheim. Für teure Modeartikel hingegen sitzt das Geld nicht so locker. Warum engagieren Sie sich für die Stiftung Rechnen, die Kindern und Jugendlichen Mathematik näherbringen will? Ich habe in meiner Schulzeit erlebt, dass viele Menschen Defizite im Fach Mathematik haben. Als ich von der Stiftung Rechnen und ihren Projekten hörte, war ich sofort interessiert und wollte mich engagieren.

Wie haben Sie Ihr erstes Geld verdient? Ich habe in einem Sportgeschäft in Aachen gearbeitet. Dort waren Skier zu schleifen und zu wachsen. Auch heute ist der Sport Ihre Erwerbsquelle. Wurmt es Sie, dass Profihandballer weniger verdienen als die Fußballer im selben Verein, die teils auch später noch recht gut von ihren Einnahmen leben können? Das stört mich überhaupt nicht. Es geht vielen Sportlern finanziell schlechter als uns Handballern. Außerdem habe ich durch mein Staatsexamen in Sport und Mathematik eine klare Perspektive als Lehrer für die Zeit nach dem Sport. Sie gehen bei Handballspielen ins Risiko. Wie handhaben Sie Risiken, wenn’s um Ihre Finanzen geht? Ich finde ein ausgeglichenes Portfolio aus konser34

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zur ­person Matthias Flohr spielt Handball beim Bundesligisten Hamburger SV. Neben seiner Profikarriere hat der 31-Jährige an der Universität Hamburg sein Lehramtsstudium in den Fächern Sport und Mathematik abgeschlossen.

Wie begeistern Sie junge Leute für den Umgang mit Zahlen? Ich versuche, ihnen den Nutzen von Mathematik anhand ihrer eigenen Interessen zu verdeutlichen. Sportbegeisterte haben beispielsweise etwas davon, Bundesligatabellen berechnen zu können. Generell gilt: Wer gut in Mathe ist, kann nicht so leicht übers Ohr gehauen werden. Was raten Sie Nachwuchssportlern, die als Profis das große Geld verdienen wollen? Ich hoffe, dass Kinder und Jugendliche aus Spaß an der Bewegung und nicht des Geldes wegen motiviert sind, eine Sportart zu betreiben.

Foto: Michael Freitag

» über Geld spricht man nicht. oder doch, herr Flohr? «

INTERVIEW: RUDOLF KAHLEN marktmacher 01/2013

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ankommen Ihre Meinung zählt in unserer Umfrage für die kommende Ausgabe:

Wählen Sie bei Wertpapierorders den Handelsplatz selbst aus oder überlassen Sie das Ihrer Bank?

Wir sind gespannt auf Ihre Antwort. Als Dankeschön verlost „Marktmacher“ unter allen Teilnehmern ein iPad 4. Bitte nutzen Sie die eingeklebte Postkarte oder senden Sie eine E-Mail mit Ihrer Antwort an marktmacher@ boerse-stuttgart.de. Auf beiden Wegen können Sie gleichzeitig auch das Magazin „Marktmacher“ abonnieren. Es handelt sich um ein Gewinnspiel der Boerse Stuttgart Holding GmbH. ­Angestellte der Boerse Stuttgart Holding GmbH sowie von deren verbundenen Unternehmen sind von der Teilnahme ausgeschlossen. Die Teilnahme am Gewinnspiel ist unabhängig von einem kostenlosen Abonnement. Teilnahmeschluss ist der 28.2.2014. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Eine Barauszahlung des Gewinns ist nicht möglich. Der Gewinner wird postalisch oder per E-Mail benachrichtigt.

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(Bildredaktion), Niko Wilkesmann (Infografik) ANZEIGEN: Johannes Frevert, Börse Stuttgart DRUCK: Druckhaus Humburg GmbH & Co. KG, Am Hilgeskamp 51–57, 28325 Bremen HINWEIS: Die im Magazin enthaltenen Beiträge sind urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte werden vorbehalten. Redaktionelle Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Haben Sie Fragen an den Herausgeber oder das Redaktionsteam? Interessieren Sie sich für ein Abonnement von „Marktmacher“? Schreiben Sie an [email protected]

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