Neuromonitoring in der Anästhesie – Was ist wichtig?

33 Neuromonitoring in der Anästhesie – Was ist wichtig? J. Wallenborn Einleitung Bereits die am 16.10.1846 im Massachusetts General Hospital in Boston...

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Neuromonitoring in der Anästhesie – Was ist wichtig? J. Wallenborn

Einleitung Bereits die am 16.10.1846 im Massachusetts General Hospital in Boston von William Thomas Green Morton durchgeführte und erstmals vor Fachpublikum erfolgreich demonstrierte Äthernarkose war mit einem der unangenehmsten Phänomene in der Anästhesie – einer unzulänglichen Bewusstseinsausschaltung („intraoperative Wachheit“, „Awareness“) – verbunden [1]. Der Patient Gilbert Abbot berichtete nach seiner völlig schmerzfreien Operation über Wahrnehmungen während der Narkose, denen damals aufgrund der sensationellen Möglichkeit zur schmerzfreien Operation wenig Beachtung geschenkt wurde. In den letzten Jahren rückte das als äußerst selten angesehene Phänomen „Awareness“ verstärkt in den Blickpunkt des anästhesiologisch-klinischen und –experimentellen Interesses, weil auch prospektiv durchgeführte Studien eine überraschend hohe Inzidenz von 0,1 – 0,2 % nachwiesen [2-4]. Bis zu Beginn der 90er Jahre galt der intraoperative Einsatz einer Narkose-EEG-Überwachung aufgrund der aufwendigen Apparatetechnik, hohen Störanfälligkeit und schwierigen Dateninterpretation als wenig praktikabel. Erst durch die Fortschritte in der Computertechnologie und Nutzung komplexer mathematischer Analyseverfahren wurde in den letzten Jahren eine Online-Datenerfassung, -speicherung und -auswertung möglich. Neben der Nutzung zur Hypnosetiefenmessung und Awarenessreduktion kann ein Neuromonitoring in der Anästhesie auch eingesetzt werden, um zerebrale und spinale Ischämien oder drohende Hirnnervenläsionen frühzeitig zu detektieren.

Grundlagen Während das Elektroenzephalogramm (EEG) die spontane elektrische Aktivität des Zentralnervensystems (ZNS) abbildet, handelt es sich bei evozierten Potentialen (EP) um reizbezogene Antworten des peripheren und zentralen Nervensystems. Die Hirnstromaktivität beruht auf der Summation sowohl exzitatorischer als auch inhibitorischer post­ synaptischer Potentiale kortikaler Pyramidenzellen. Dabei kommt tiefer gelegenen Hirnregionen wie Thalamus und aszendierendes retikuläres System eine Steuerungsfunktion (Synchronisation, „Schrittmacherfunktion“) zu. Um reproduzierbare EEG-Ableitungen zu erhalten, wird die verwendete Elektrodenposition nach dem international anerkannten 10-20-System beschrieben. EP sind von der Funktionsfähigkeit der stimulierten peripheren Nervenbahn abhängig. Stimuliert wird für somatosensorisch evozierte Potentiale (SSEP) mit Rechteckimpulsen von 0,1-0,2 ms Dauer, einer Frequenz von 3-5,5 Hz und mit einer Stromstärke von 4 mA über der motorischen Reizschwelle. Da EP sehr kleine Amplituden (0.05-5 µV) aufweisen, müssen sehr viele Einzelreize aufsummiert werden (SSEP 250, akustisch EP 1000 Mittelungsschritte), bis ein EP als Hintergrundinformation reproduzierbar aus dem EEG herausgemittelt werden kann. Die entscheidenden Determinanten des EEG sind Frequenz, Amplitude und Form. Mittels digitaler, computergestützter EEG-Signalverarbeitung sind Analysen im Frequenzbereich möglich, die zu leicht zu interpretierenden EEG-Monoparametern wie Medianfrequenz oder Spektrale Eckfrequenzen führen. Grundlage hierfür ist die Spektralanalyse des RohEEG mittels Fast-Fourier-Transformation, durch die für eine zu analysierende EEGEpoche die Leistungsanteile in einzelnen Frequenzbereichen (Delta = 0,5-4 Hz, Theta = 33

4-8 Hz, Alpha = 8-12 Hz, Beta = 12-30 Hz) berechnet werden können (=Powerspektralanalyse). Derzeit zur Bestimmung der Hypnosetiefe angebotene Parameter basieren meist auf mehreren aus dem Roh-EEG extrahierten Informationen, die nach speziellen Algorithmen in der Berechnung eines einzelnen Mischparameters als numerischer Wert zwischen 0 und 100 münden. Bei EP nutzt man Amplitude, Latenz, Polarität und Interpeaklatenzen. Da sie individuell sehr verschieden ausfallen können, sollte vor Interpretation Anästhesie- oder hypoxiebedingter Veränderungen immer eine individuelle Referenzkurve installiert werden. Veränderungen im komplexen Roh-EEG sind visuell sehr schwer zeitkonform zu interpretieren. Bei prozessierter Auswertung wird dagegen ein Informationsverlust (z.B. durch Einkanal-Ableitung über einer ausgewählten Hirnregion) in Kauf genommen. Die notwendige Aufsummation und Mittelung führt bei den EP zu einer zeitlichen Verzögerung bis zum Erhalt der aktuellen Information von bis zu einigen Minuten. Dies trifft in geringerem Ausmaß auch auf alle Hypnosetiefenindizes zu [5]. Das Roh-EEG unterscheidet sich interindividuell und kann durch viele Faktoren beeinflusst werden: Hypo-/Hyperkapnie, Hypoxie, Hypoglykämie, Hypothermie, Hypotension, Alter, Artefakte und zentral wirksame Substanzen einschließlich Narkotika. Einige Artefakte können durch Vorverstärkung, Filterung, Impedanzprüfung und Artefakteliminationsprogramme eliminiert oder gemindert werden (Lidschlag-, EKG-, Puls-, Muskel-, Bewegungsartefakte und Elektrodendefekte), andere sind nur schwer auszuschalten (Elektrokauter, Wechselstromüberlagerung, elektrostatische Felder). Einen Überblick über Einflüsse auf das Roh-EEG durch in der Anästhesie gebräuchliche Substanzen gibt Tabelle 1. Durch die Einwirkung von Anästhetika verschiebt sich das Powerspektrum zu langsamen Frequenzbereichen. Dabei kommt es zunächst bei Einleitung einer Narkose zur kurzzeitigen Desynchronisation mit Erhöhung der hochfrequenten Anteile (Exzitationsphase durch schnellere Ausschaltung hemmender Neurone), schnell gefolgt von einem Überwiegen der Anteile langsamer Frequenzen im EEG-Signal und zunehmender Synchronisation. Subanästhetische Konzentrationen bis 0,4 MAC induzieren ebenfalls eine Zunahme der mittleren EEG-Frequenzen und eine Erhöhung der Amplitude [6]. Bei höherer Dosierung tritt eine Verschiebung der dominierenden EEG-Aktivität in anteriore Hirnareale auf, ab 1 MAC zeigt sich eine dosisabhängige Verminderung der EEG-Aktivität in einer Abnahme schneller und Zunahme langsamer Frequenzen. Bei weiterer Vertiefung der Narkose stellen sich burst-suppression-Muster bis hin zum isoelektrischen EEG ein.

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Stoffgruppe

Vertreter

Einflüsse auf das Roh-EEG

Inhalationsanästhetika

Halothan

- dominante Frequenz bei 1 MAC zwischen 11-16 Hz - burst suppression ab 4 MAC - keine Krampfpotentiale beschrieben

Sevofluran

- konzentrationsabhängig zunehmend Delta-/Theta-Aktivität - Burst Suppression bei 1,5-2 MAC erreicht - Krampfpotentiale: Einzelfallberichte

Lachgas

- zunehmend Suppression der dominanten Frequenz im AlphaBand - allmähliche Überlagerung und Ersatz der Alpha-Aktivität durch raschere Frequenzen bei zunehmender Gaskonzentration - nach Unterbrechung der Lachgaszufuhr „overswing“ = dominante Frequenz höher als ursprünglich

Propofol

- in Anflutphase Alpha-Aktivierung - danach Deltaaktivität korrelierend zur Plasmakonzentration - bei Dosissteigerung burst-suppression bis hin zum NullinienEEG (6-8 µg/ml) auslösbar

Opiate

Alfentanil, Fentanyl

- in hohen Dosen Auftreten von Delta-/Theta-Wellen - burst suppression wird nicht erreicht - vergleichbare EEG-Befunde bei gleichen Plasmakonzen­ trationen - EEG folgt verzögert der Plasmakonzentration

Benzodiazepine

Midazolam

-trotz klinisch deutlicher Sedierung Beta-Aktivierung -Frequenzverlangsamung erst bei hohen Dosen

Muskelrelaxanzien

Rocuroniumbromid

- keine eigene Beeinflussung der hirnelektrischen Aktivität - Ausschaltung von Muskelartefakten

Intravenöse Anästhetika

Tab. 1: Einflüsse auf das Roh-EEG durch in der Anästhesie gebräuchliche Substanzen

Klinische Nutzung eines neurophysiologischen Monitorings Praxisrelevante Indikationen resultieren aus zwei grundlegenden Anwendungsgebieten, der Erfassung von medikamenteninduzierten Effekten auf das ZNS und der Überwachung der funktionellen Organintegrität. In Tabelle 2 werden klinisch relevante Anwendungen des Neuromonitorings zusammengefasst. Beurteilung von Effekten der Anästhetika auf das Zentralnervensystem

Überwachung der Organintegrität

Hypnosetiefenbestimmung

Zerebrale Ischämiedetektion - Carotischirurgie - Neurovaskuläre Operation (z.B. AneurysmaClipping) - Operation intrakranieller Tumore - Ballonokklusionstest bei Carotisaneurysmen

Awarenessreduktion

Spinale Ischämiedetektion - Aortenchirurgie - Skoliosechirurgie - Neurochirurgie spinaler Tumoren - Stabilisierung der Halswirbelsäule

Detektion epileptiformer Muster

Lokalisation und Monitoring von Hirnnerven, Kern­ gebieten und funktionellen kortikalen Arealen - Kleinhirnbrückenwinkel- und Hirnstammtumore (z.B. Akustikusneurinom) - Eingriffe in der Zentralregion - Epilesiechirurgie

Ansteuerung von burst suppression-Mustern

Identifikation und Monitoring peripherer Nerven(bahnen) - N. laryngeus recurrens bei Thyreoidektomie - Plexus brachialis, Plexus lumbosakralis

Tab. 2 : klinisch relevante Anwendungen eines Neuromonitorings in der Anästhesie [nach 7]

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Sowohl im EEG als auch in den EP lassen sich dosisabhängig Effekte der Anästhetika darstellen. Da das ZNS Zielorgan der Anästhetika ist, sollte auch an diesem Organ ein Monitoring während der Anästhesie stattfinden.  Der Vorteil eines idealen Hypnosetiefenmonitorings liegt im Wechsel von einer gewichts- zu einer effektorientierten, individuell und situationsadaptierten Anästhetikatitration. Daraus ergeben sich folgende potentielle Vorteile im klinischen Einsatz: - Einsparung von Anästhetika - Verkürzung der Erholungszeiten - Verkürzung der postoperativen Überwachungszeiten - Vermeiden von intraoperativer Wachheit - Reduktion von Bewegungsreaktionen - erhöhte kardiovaskuläre Stabilität - Kostenersparnis - Verbesserung des Patienten-Outcomes Die Reduktion des Anästhetikaverbrauchs, die Verkürzung der Erholungszeiten und die schnellere Verlegbarkeit aus dem Aufwachraum durch Einsatz eines Neuromonitorings verglichen mit einer nach klinischen Kriterien geführten „Standard-Anästhesie“ wurden in verschiedenen Studien vorrangig für BIS und NI, aber auch für AAI und PSI nachgewiesen. Für den BIS lässt sich die Einsparung von Anästhetika sogar nach einer Formel quantifizieren: Einsparung (%) = (intraoperativer BIS – 40) x2 [8]. Diese Vorteile fallen umso geringer aus, je besser steuerbar bereits das angewandte Anästhesieverfahren per se ist (z.B. Desfluran/Remifentanil vs. Propofol/Alfentanil). Geringe Einsparungen von Anästhetika dürfen allerdings nicht auf Kosten einer erhöhten Rate an intraoperativer Wachheit erkauft werden.  Die Höhe der Einspareffekte von Anästhetika und die Verkürzung von Erholungszeiten sind nicht nur vom Einsatz eines Hypnosetiefenmonitorings, sondern auch vom gewählten Anästhesieverfahren abhängig. Nicht in jedem Fall führt die EEG-Steuerung zu einer Reduktion der Anästhetikazufuhr bei Ansteuerung der individuell möglichen „Niedrigstdosis“. Genauso kann auch ein individuell erhöhter Bedarf (z.B. bei Kleinkindern, bei Drogenabusus) quantifiziert werden. Außerdem limitieren die Ziele „Vermeiden von Awareness“ und „Reduktion von Bewegungsreaktionen“ in Abhängigkeit von patientenseitigen (Alter, Aktivitätsstatus, Prämedikation, vorbestehender Medikamentenkonsum) und operativen Faktoren (schmerzhafte Stimulation, intraoperative Hypotension) eine extreme Einsparung von Anästhetika. Auch verlangen das Erreichen einer erhöhten kardiovaskulären Stabilität und die Verbesserung des Patienten-Outcome (postoperative Übelkeit und Erbrechen, postoperative kognitive Defizite, Mortalität) eher das Ansteuern einer individuellen „Optimaldosis“, weil sowohl zu flache als auch zu tiefe Hypnosestadien zu unerwünschten Ereignissen führen können.

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Abb. 1: Reduktion des Propofol-Gesamtverbrauchs in Abhängigkeit vom Lebensalter und mittels EEGgesteuerter Anästhesie (modifiziert nach Wilhelm et al. 2002) * = p<0.05 zwischen den Gruppen ohne bzw. mit Narcotrend-Monitoring, Linien markieren die Streubreite Wertung: - Mit steigendem Lebensalter sinkt im Populationsmittel der Anästhetikabedarf. - Durch eine EEG-gesteuerte Anästhesie lässt sich eine Reduktion des Anästhetikaverbrauchs erreichen. - Im Einzelfall hilft ein Hypnosetiefenmonitoring, sich auf Patienten mit ungewöhnlich niedrigem oder hohem Anästhetikabedarf einzustellen. So gibt es z.B. ältere Patienten mit sehr niedrigem (3 mg/kg/h), aber auch überraschend hohem (8mg/kg/h) Propofol-Gesamtverbrauch.

 Nicht die primäre Einsparung von Anästhetika, sondern das Ansteuern individuell und situationsgerecht optimaler Anästhesielevel sollte Ziel eines Hypnosetiefenmonitorings sein. Das klinisch am häufigsten angewandte Neuromonitoring zur Überwachung der funktionellen Organintegrität wird durch Anästhesisten in der Carotischirurgie durchgeführt. Hierfür werden verschiedene Verfahren genutzt, die in einem späteren Abschnitt besprochen werden sollen. Die Lokalisation und das Monitoring der Intaktheit von Hirnnerven, Kerngebieten und funktionellen kortikalen Arealen ist meist die Aufgabe von speziell ausgebildeten Mitarbeitern der Abteilung für Elektrophysiologie aus der operierenden Klinik. Hierbei spielen evozierte Potentiale und das Elektromyogramm (EMG) eine weit größere Rolle als das EEG. Neuromonitoring zur Hypnosetiefenbestimmung Die schwierige Beurteilbarkeit (Normvarianten, interindividuelle Variabilität, Alterseffekte) des Roh-EEG und technische Probleme (Gerätegröße, Artefaktanfälligkeit) limitierten Jahrzehnte den Einsatz einer EEG-basierten Überwachung der Hypnosetiefe in der klinischen Anästhesie. Die computergestützte Auswertung des EEG eröffnet durch Nutzung komplexer Analysealgorithmen bei gleichzeitiger Datenreduktion und Anpassung der EEG-Gerätegröße an OP-Saalbedingungen neue Möglichkeiten einer zeitkonformen Bestimmung der Hypnosetiefe während einer Narkose. Ungeachtet bekannter Probleme des EEG-Monitorings (Hysterese, interindividuelle Variabilität, unterschiedliche Wirkung 37

verschiedener Hypnotika, Einfluss von Opioiden und kreislaufwirksamen Medikamenten) weisen alle derzeit verfügbaren Hypnosetiefenindizes (siehe Tab. 3) methodenspezifische Limitationen auf, bzw. gelten als noch unzureichend unter Routinebedingungen evaluiert. Experten sind sich heute darin einig, dass nicht Narkosetiefe per se, wohl aber als Teilaspekt Hypnose bzw. der Restgrad an Erregbarkeit durch aus dem EEG ableitbare Informationen gemessen werden kann [10,11]. Index

Abkürzung

Einführung

Anästhesiewert

Spektrale Medianfrequenz

SMF

1980

2-3 Hz

Spektrale Eckfrequenz

SEF-90 SEF-95

1983

8-12 Hz 10-16 Hz

Bispectral Index

BIS (aktuell Vers. 4.1)

1992

40-60

Spektraler Frequenz-Index

SFx

1998

40-60%

Narcotrend-Index

NI (aktuell Vers. 4.0)

1999

37-64

Auitory Evoked Potential Index

2000 2005

<30 15-25

Patient State Index

AAI AAI1.6

PSI PSArray2

2001 2004

25-50

„Einschnapp“-Index

SNAP SNAPII

2002

50-65

Spektrale Entropie (Response und State Entropie)

RE, SE

2003

40-60

Cerebral State Index

CSI

2004

40-60

Depth of Hypnosis

DoH

2006

?

Cumulative Power Spectrum Index

CPSI

2007

?

gewichtete spektrale Medianfrequenz

wSMF

2007

?

Index of Consciousness

IoC

2008

40-60

Tab. 3: Hypnosetiefenindizes Wertung: - Die SMF und SEF stellen klassische EEG-Monoparameter dar, die neueren multivariaten Parametern unterlegen sind. - Zum BIS und nachfolgend Narcotrend liegen die meisten Studiendaten vor. - AAI, PSI und SNAP wurden zwischenzeitlich eingestellt, in neu entwickelten Versionen aber weiter vertrieben. - Entropie und CSI werden zwar noch stark beworben, es liegen aber nur unzureichende Studiendaten vor. - Die klinische Nutzbarkeit von DoH, CPSI, wSMF und IoC ist aufgrund fehlender Daten derzeit völlig unklar.

Bispectral Index (BIS) 1992 wurde der BIS erstmals vorgestellt und 1996 als erstes EEG-basiertes Monitoringverfahren von der amerikanischen Food and Drug Administration (FDA) zur Überwachung der Anästhesiewirkung zugelassen [12]. 2003 folgte eine Indikationserweiterung durch die FDA zur Awarenessreduktion. Der BIS wird mit Hilfe von drei Analyseschritten berechnet (siehe Abb. 2). Zuerst werden durch einen EEG-Vorprozessor das EEG-Signal in 2-Sekundenabschnitte unterteilt und Segmente markiert, die Artefakte oder einen supprimierten Wellenablauf enthalten. Diese Segmente werden von der Weiterverarbeitung ausgeschlossen. Speziell werden vom System EKG, Schrittmacher- und Augenbewegungsartefakte eliminiert. Zusätzlich nutzt ein allgemeiner Artefakterkennungsalgorithmus die Berechnung der Varianz des EEG38

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Signals einer jeden untersuchten EEG-Epoche. Weicht die Varianz der aktuellen Epoche deutlich von der mittleren Varianz der vorangegangenen Epochen ab, so wird diese Epoche von der weiteren Analyse ausgeschlossen [13]. Danach erfolgt die Fast-Fourier-Trans� Individuell�adäquate�Steuerung formation und Berechnung der der�Narkose,�geschlechts-�und spektralen und bispektralen altersspezifisch Subparameter. Diese Subparameter werden entsprechend der � Anpassung�der�TCI-Zielkonzentration zugrunde liegenden BIS-Versivon�Propofol on gewichtet und nochmals gemäß dem Suppressionsni� Liegezeitverkürzung�auf�der Intensivstation veau modifiziert. Dabei fließen mehrere Informationen aus � Validiert�für�Xenonnarkosen dem Roh-EEG in die Indexberechnung ein: Frequenz, AmpliLiteratur: tude, Suppression, Bikohärenz Anaesthesist�2010;�59:�126-134 bzw. Phasenverschiebung. Im Biomed Tech�2010;�55:�77-82 Gegensatz zur Berechnung der Klin�Neurophysiol�2010;�41:�28-32 SEF nur aus dem Powerspektrum nutzt die Bispektralanaly� sehr�günstiges�Verbrauchsmaterial se auch das Phasenspektrum und quantifiziert, inwieweit eine Kopplung der Phasenwinkel verschiedener Frequenzen besteht. Die Namensgebende Bispektralanalyse scheint allerdings nur einen kleinen Anteil bei der Indexberechnung auszumachen [14]. Der genaue Algorithmus ist bis heute nur der Firma Aspect bekannt. 1998 veröffentlichte Rampil einen Teil der dem BIS zu­­ grunde liegenden Subparameter: relative Beta-Ratio, SyncFastSlow und Burst-Suppression-Ratio [15]. 2001 konnten Bruhn et al. nachweisen, dass der BIS bei Werten unter 30 nahezu linear mit dem Anteil der Burst-Suppression-Ratio im Roh-EEG korreliert [16].

Abb. 2: Erzeugung des Bispectral-Index [17]

39

Letztendlich wird ein numerischer Wert zwischen 0 und 100 prozessiert, dem klinische Korrelate (z. B. 40 - 60 = Narkose, > 90 = wach; siehe Tab. 4) zugeordnet sind. Dafür wurde der Index auf einer Testdatenbank aus ursprünglich 1048 EEG-Abschnitten von 388 erwachsenen Patienten entwickelt und danach mit einer unabhängigen Datenbank evaluiert. Die Datenbank wird von der Firma ständig erweitert und überarbeitet, so dass mittlerweile bereits eine 10. aktualisierte Version zur Verfügung steht. Ab der Version 3.1 wurde eine verbesserte Burst-Suppression- und ab der Version 3.2 eine weiterentwickelte Elektromyogramm-Erkennung bzw. –Elimination implementiert. Seit der Version 3.4 ist der BIS weniger anfällig gegenüber paradoxen Delta-Wellen bei Weckreaktionen (Johansen 2006). Der BIS löst als Multiparameterindex das Problem der paradoxen Anstiege von SEF und SMF bei Narkoseeinleitung und zu tiefer Narkose durch Berücksichtigung der relativen Beta-Ratio und der Burst-Suppression-Ratio.  Der BIS ist der derzeit am häufigsten eingesetzte und am besten untersuchte EEGIndex zur Beurteilung der Hypnosetiefe. Aufgrund der Studienlage gilt die klinische Nutzbarkeit als bewiesen und der Anwender kann sich auf bereits beschriebene Limitationen einstellen. Narcotrend Index (NI) 1999 wurde der Narcotrend-Monitor eingeführt, dessen Narcotrend-Index 2004 als zweites Verfahren die FDA-Zulassung zur Überwachung der Anästhesiewirkung bei Patienten jedes Lebensalters erhielt. Der NI beruht ursprünglich auf einer Klassifikation des Schlaf-EEG nach Loomis (1937) und nach Kugler (1981). Diese physiologischen Veränderungen im EEG vom wachen bis hin zum tief schlafenden Patienten bzw. Probanden wurden in 5 Stadien (A-E; Loomis) und zusätzliche Unterstadien (B0, B1, B2 usw.; Kugler) unterteilt. Eine interdisziplinäre Arbeitsgruppe an der Medizinischen Hochschule Hannover hat diese Stadieneinteilung aufgegriffen, um analog mit den sogenannten Narcotrend-Stadien die Narkosetiefe zu beschreiben. Genutzt wurde hierbei die Tatsache, dass sowohl während des Schlafes, als auch unter Allgemeinanästhesie im Roh-EEG eine zunehmende Vertiefung mit einer Abnahme der Frequenz und zunächst Zunahme der Amplitude einhergeht. Weil tiefe Anästhesie Burst-Suppression-Muster verursacht, wurde im Narcotrend ein zusätzlicher Algorithmus implementiert, der niedrigamplitudige bzw. Nulllinien-EEG-Abschnitte erkennt [20,21]. Die aktuelle Narcotrend-Version ist außer mit diesen durch eine Buchstaben-Zahlen-Kombination beschriebenen Narkose-EEG-Stadien zusätzlich mit einem jeweiligen Zahlenwert zwischen 100 und 0 ausgestattet worden (siehe Tab. 4). Dieser numerische Wert ist der Narcotrend-Index (NI). Bei der Artefakterkennung werden zusätzlich altersspezifische Grenzwerte für die EEGSignalleistung verwendet. Mit Hilfe einer multivariaten Klassifikationsfunktion werden EEG-Abschnitte entsprechend des Grades der Wahrscheinlichkeit für die Übereinstimmung mit gespeicherten typischen EEG-Abschnitten einem Stadium und Unterstadium zugeordnet. Dieser Mustererkennungsalgorithmus wurde ursprünglich an 1000 artefaktfreien EEG-Abschnitten entwickelt, die unter Anästhesie mit Thiopental/Enfluran oder Propofol aufgezeichnet und anschließend visuell klassifiziert wurden. Bei der automatischen Klassifikation werden Informationen aus dem Roh-EEG wie relative Leistungen in den 4 Frequenzbändern, SMF, SEF-95, spektrale Entropie und autoregressive Parameter berücksichtigt. Die Klassifikationsfunktion wurde gegen einen weiteren, unabhängigen Datensatz von 1100 EEG-Abschnitten validiert, welche bei den verschiedensten Anästhetikakombinationen gewonnen wurden. Der NI wird seit der aktuellen Version 4.0 auf Kompaktgerät- und Laptop-Version dargestellt.

40

Anästhetikadosis/ Narkosetiefe

Vigilanz/ Hypnoselevel Wachheit

BIS-Wert 100 - 90

Müdigkeit / Sedierung 89 - 70 Sedierung / oberfläche Anästhesie 69 - 61 Allgemeinanästhesie 60 - 40 tiefe Allgemeinanästhesie

Burst-Suppression-EEG bis Nulllinie Tab. 4: BIS- und NI-Werte und zugehöriges Hypnoselevel

< 40

0

NI-Stadium

NI-Wert

A

100 - 95

B0

94 - 90

B2

84 - 80

B1

89 - 85

C0

79 - 75

C1

74 - 70

D0

64 - 57

D2

46 - 37

E1

26 - 20

F0

12 - 5

C2

69 - 95

D1

56 - 47

EO

36 - 27

E2

19 - 13

F1

4-0

 Der NI ist der zweite von der FDA zugelassene EEG-Index zur Beurteilung der Hypnosetiefe. Sowohl der BIS- als auch der Narcotrend-Monitor lassen sich bezüglich der Gerätegröße und des Zeitaufwandes für die Elektrodenapplikation problemlos in die klinische Praxis integrieren. Eventuell erhöhte Übergangswiderstände werden durch das jeweilige Startprogramm zuverlässig detektiert und die betroffene Elektrode angezeigt. Dabei gelingt die Sensorapplikation für die BIS-Ableitung schneller, als die Anlage der 3 Elektroden für den Narcotrend. Für den Narcotrend gelingt mit 5 Elektroden auch eine bihemisphärielle Ableitung. Diese Zweikanalversion gibt es neu auch vom BIS, allerdings ist hierfür eine (noch) teuere Spezialelektrode erforderlich. Intraoperativ, das heißt in Phasen mit geringer Artefaktbelastung, liefern beide Geräte zu 100% den BIS bzw. NI. Somit ist eine Abschätzung der Hypnosetiefe (zunächst rein technisch gesehen durch Vorhandensein der EEG-Parameter) mit beiden Geräten möglich. In den dynamischen Phasen der Ein- und Ausleitung der Anästhesie fehlen beim NI deutlich mehr Daten als bei Einsatz des BISMonitors [22]. Eine Erklärung hierfür könnte der höhere Eingangswiderstand des BISMonitors (50 vs. 10 MOhm) und/oder die höhere Abtastrate und Auflösung des BISgegenüber dem Narcotrend-Monitor (256 Hertz und 16 Bit vs. 128 Hertz und 12 Bit) sein. Eine weitere Erklärung für die unterschiedliche Geräteleistung könnte im unterschiedlichen Einfluss des EMG auf die beiden Parameter liegen. Während elektromyographische Aktivität die Berechnung des NI nicht beeinflusst, korreliert der BIS mit dem EMG [23]. Positiv zu werten ist, dass beide Indizes ständig vom Hersteller weiterentwickelt und an spezielle Anwendungsgebiete adaptiert werden.  Bei Anwendung von BIS und NI sowie der Interpretation von Studienergebnissen muss immer die verwendete Softwareversion berücksichtigt werden. Bezüglich einer detaillierten Beschreibung weiterer, derzeit weniger gebräuchlicher EEGParameter zur Hypnosetiefenbestimmung sei auf weiterführende Literatur verwiesen [24,25]. 41

Awareness und Awarenessreduktion Bereits vor 103 Jahren beschrieb der damalige Direktor der Chirurgischen Univeritätsklinik zu Bern, Prof. Dr. Theodor Kocher, Probleme beim Ansteuern einer individuell angepassten Narkosetiefe: „Alle ungewohnten Narkotisatoren haben die Tendenz, viel zu viel Aether und viel zu sehr unter Luftausschluss zu geben…“ [26]. Neben einem „Zuviel“ wurde aber auch ein „Zuwenig“ an Narkose angeprangert, „denn soweit darf man den Glauben an die Analgesie im Aetherrausch nicht treiben, dass man überzeugt ist, ein Patient habe bloß schöne Träume, wenn er schreit.“ Auch heute, nach über 160 Jahren beeindruckender Weiterentwicklung des Fachgebietes Anästhesiologie, zielen die Routineüberwachungsverfahren während der Narkose hauptsächlich auf ein Monitoring der HerzKreislauf- und Atemfunktionen ab. Unter Berücksichtigung medikolegaler Aspekte [27] und Anerkennung des Faktes, dass das Zentralnervensystem eigentliches Zielorgan der Narkose ist, erscheint die Forderung nach Überwachung der Narkosetiefe zur Vermeidung von intraoperativer Wachheit nur logisch und konsequent. Brice et al. beschrieben 1970 den Begriff „Awareness“ als die Fähigkeit des Patienten, spontan oder auf Nachfrage Ereignisse aus der intraoperativen Phase zu erinnern [28]. Nach Jones (1994) und Schwender (1995) unterscheidet man intraoperative Wachheit heute in [29,30]: - explizit erinnerbare bewusste Wachheit mit Schmerz - explizit erinnerbare bewusste Wachheit ohne Schmerz - bewusste Wachheit mit Amnesie - unbewusste Wachheit mit impliziter Erinnerung - keine Wachheit Der Terminus „Awareness“ wird nachfolgend zur Beschreibung expliziter Erinnerung an während einer Anästhesie bewusst wahrgenommene Reize genutzt. Awareness weist nach prospektiven Studien mit Fallzahlen über 10.000 Patienten eine Häufigkeit von 0,1 bis 0,2% auf [2,4,31]. Davon abgegrenzt werden müssen vom Patienten berichtete Träume während der Anästhesie ohne Bezug zu realen, intraoperativen Ereignissen mit einer Inzidenz von 6% [4]. Motorische Abwehrreaktionen (Bewegungen von Augen, Augenlidern, Kopf, Extremitäten, sowie Schlucken, Husten und Grimassieren) gelten als Warnsymptom bevorstehender Awareness. Auch Zeichen vegetativer Stimulation wie Tachykardie, Hypertension, Schwitzen, Tränenfluss oder Mydriasis können Awareness anzeigen. In retrospektiven Analysen wurden aber auch Awarenessfälle identifiziert, bei denen keine Warnsymptome, oder offensichtliche Gründe für eine inadäquate Anästhesietiefe vorlagen [3].  Unerwünschte, intraoperative Bewegungsreaktionen bedeuten nicht zwangsläufig einen wachen Patienten mit expliziter Erinnerung. Bei rechtzeitiger Vertiefung der Anästhesie, wird eine Konsolidierung bewusster Episoden im Langzeitgedächtnis verhindert. Eine Analyse abgeschlossener Versicherungsfälle in den USA ergab ein dreifach erhöhtes Risiko für Frauen und bei Verzicht auf volatile Anästhetika (Durchführung einer TIVA), während der Einsatz von Muskelrelaxantien die Awarenessinzidenz verdoppelte [27]. Sectio caesarea und Polytrauma gelten als Risiko für das Auftreten von Awareness, da bei diesen Eingriffen oft bewusst niedrigere Anästhetikakonzentrationen verwendet werden. Dies gilt auch für eine zu geringe Anästhesietiefe bei Patienten mit Kreislaufinstabilität, Alkohol- und Drogenabusus. Jede prolongierte Narkoseinduktion bei z.B. erschwerter Intubation erhöht das Awarenessrisiko, wenn nicht rechtzeitig Medikamente mit hypnotischer Wirkkomponente nachappliziert werden. 42

Sowohl in einer nichtrandomisierten Studie mit historischer Kontrollgruppe (SAFE-2, n=12.868), als auch in einer randomisierten, kontrollierten Studie bei Hochrisikopatienten (B-Aware Trial, n=2.465) konnte eine Reduktion von Awareness um 80% bei Einsatz eines Neuromonitoringsystems, in diesen Studien durch Verwendung des Bispectral Index (BIS) Monitors, gezeigt werden [32,33]. Das Elektroenzephalogramm (EEG) ist signifikant prädiktiv für Awareness, während hämodynamische Parameter unzuverlässig sind [34]. Eine 2008 publizierte Studie zeigt, dass durch konsequente Überwachung der endtidalen Anästhetikakonzentration eine gleiche Inzidenz von Awareness, wie durch Einsatz von Hypnosetiefenmonitoren erreicht werden kann [35]. Die Reduktion der AwarenessInzidenz durch den Einsatz von Hypnosetiefenmonitoren kann als gesichert angesehen werden, auch wenn hierfür sehr viele Patienten mit einem Hypnosetiefenmonitoring versehen werden müssen, damit einige wenige profitieren. Technisch einwandfreie Ableitbedingungen vorausgesetzt, reagieren Neuromonitoringverfahren schneller als Kreislaufparameter, wenn die Hypnosetiefe inadäquat ist. In Bezug auf Bewegungsreaktionen reagiert das Neuromonitoring mit Verzögerung und nur wenn eine zentrale (ZNS) Aktivierung stattfindet und gemessen werden kann. Mittels „isolierter Unterarmtechnik“ können bei flacher Anästhesie erstaunlich viele Antwortreaktionen (Drücken der Hand auf Aufforderung) provoziert werden, ohne dass postoperativ hierzu eine bewusste Erinnerung besteht [36]. Die Firma Aspect MS garantiert mittlerweile Schadensersatz bei Auftreten intraoperativer Awareness, wenn die BIS-Technologie eingesetzt wurde und nachweislich die elektronischen Aufzeichnungen während des Auftretens der intraoperativen Wachheit einen Wert von unter 60 anzeigen.  Der Einsatz von Hypnosetiefenmonitoren kann die Rate an intraoperativer Wachheit reduzieren.  Bewegungsreaktionen sind spinal vermittelt und können trotz "normaler" Neuromonitoring-Parameter auftreten. Ansteuerung von burst-suppression-Mustern Zur Erhöhung der zerebralen Ischämietoleranz kann in speziellen Situationen ein Barbituratkoma indiziert sein, welches über das EEG beurteilt und gesteuert werden kann. Im prozessierten EEG ist das Ausmaß der Suppression durch Berechnung der burst-suppression ratio (BSR = Anteil an supprimiertem EEG mit Amplituden kleiner 5 µV [10 µV] über mehr als 240 µs in den letzten 60 sec artefaktfreier EEG-Ableitung) quantifizierbar. Im Gegensatz zu einem hypoxisch bedingten Ausfall der Neuronenaktivität wird bei Anästhetika-/Hypnotikainduzierter EEG-Suppression die (komplette) Reduktion des Funktionsstoffwechsels genutzt, um den Sauerstoffbedarf des Hirns zu minimieren. Zerebrale Ischämiedetektion Zerebrale Hypoxie führt zu einer Reduktion der EEG-Amplitude (=Suppression) bis hin zum Nulllinien-EEG. Außerdem kommt es zu einer Zunahme der Delta- und Abnahme der Beta-Aktivität. Je nach Charakter der Minderperfusion (global oder einseitig fokal) lassen sich Hemisphärenunterschiede im EEG nachweisen. Veränderungen der SSEP infolge zerebraler Ischämie sind: Abnahme der Amplituden, Zunahme der Latenzen und Zunahme von Interpeaklatenzen.

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Verschiedenste Verfahren zur Überwachung der zerebralen elektrophysiologischen Aktivität, Hämodynamik oder des Metabolismus wurden in einer Vielzahl von Studien untersucht, ohne das eine einzelne Methode eine 100%ige Sicherheit bieten könnte. In Tabelle 5 werden verschiedene Verfahren zur Überwachung der neuronalen Integrität zusammengefasst und mit ihren methodenimmanenten Nachteilen beschrieben. In der Carotischirurgie am häufigsten eingesetzt werden SEP und EEG (siehe Abb. 3 und 4).  Derzeit bietet kein einzelnes Verfahren zur Ischämiedetektion eine 100%-ige Sicherheit.  SSEP und Mehrkanal-EEG werden am häufigsten genutzt. Wird der Level der Anästhesietiefe konstant gehalten, dann sind klemmbedingte Veränderungen im EEG und in den EP als hypoxiebedingt anzusehen. Die computergestützte EEG-Analyse ermöglicht eine zeitkonforme Auswertung des RohEEG und Umformung des Wellenbildes in einen leicht zu interpretierenden numerischen Wert, die BSR. Je höher dieser numerische Wert, desto höher ist der Grad der EEG-Supprimierung, respektive die Gefahr der potentiellen neuronalen Schädigung. Neben einer zerebralen Ischämie gibt es BSR-Anstiege infolge von Narkotikawirkung, bei Hypotonie, nach Clonidingabe und persistierend bei vorbestehenden geschädigten Hirnarealen (Zustand nach Apoplexia cerebri mit Restparesen). Dies muss bei der Verwendung als Ischämieparameter in der Carotischirurgie beachtet werden. Die Rückbildung der BSR infolge einer Shunteinlage kann gleichzeitig als Erfolgskontrolle für einen freien Blutfluss über das Shuntröhrchen genutzt werden. Je mehr EEG-Kanäle abgeleitet und ausgewertet werden, umso genauer ist die Überwachung potentieller regionaler Ischämien möglich. Zur selektiven Shunteinlage in der Carotischirurgie werden die SSEP nach Stimulation des Nervus medianus zum Monitoring genutzt. Die Stimulation kann beidseits erfolgen. Bei einseitiger Stimulation muss der auf zur Operation kontralateralen Seite gelegene N. medianus gereizt werden. Die elektrische Stimulation erfolgt mit einer Stromstärke, welche mindestens 5 mA über der motorischen Schwelle liegt. Die motorische Schwelle ist erreicht, wenn eine Kontraktion des Musculus opponens pollicis und damit eine Bewegung des Daumens sichtbar ist. Bei den überwiegend älteren Patienten in der Carotischirurgie werden meist Reizstromstärken zwischen 15-35 mA eingesetzt. Werden eine Amplitudenreduktion >70% oder ein Amplitudenverlust (N20/P25), eine Verlängerung der Latenz oder eine Zunahme der zentralen Überleitungszeit (Zeitintervall vom Auftreten des zervikalen SSEP bis zur Ableitung der kortikalen Antwort) als Hinweis auf eine Minderperfusion registriert, wird intraoperativ ein Shunt eingelegt und dessen Funktion im Verlauf überwacht. Die Ableitung der SSEP unterliegt den gleichen Limitationen wie das EEG. Zusätzlich ist die Ableitung von SSEP an eine intakte Nervenbahn gebunden. Veränderungen infolge zerebraler Ischämie treten im EEG etwas früher auf als in den SSEP [37].  Durch simultane Ableitung von EEG/BSR (kortikale Areale) und SSEP (subkortikale Areale) über beiden Hemisphären kann die Verlässlichkeit des Neuromonitorings zur Ischämiedetektion gesteigert werden.

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FUNKTION HÄMODYNAMIK METABOLISMUS

Verfahren (Abk.)

Zeichen der zerebralen Ischämie

Elektroenzephalogramm (EEG)

Amplitudenreduktion und Suppression der spontanen elektrischen Aktivität bis zum Nulllinien-EEG Nachteile: Anästhetika supprimieren dosisabhängig EEG, schwierige Dateninterpretation (Mehrkanal-Roh-EEG), nur kortikale Veränderungen messbar

somato-sensorisch evozierte Potentiale (SSEP)

Amplitudenreduktion (>50%) bzw. –verlust, Latenz- und Interpeaklatenzzunahme Nachteile: Anästhetika supprimieren bzw. modifizieren EP, Ableitung bei neurologischen Vorschäden oder PNP schwierig, längere Latenzzeit, ~250 Mittelungsschritte, Messartefakte durch Wechselstrom

klinische Neurologie (OP in Lokoregional-anästhesie)

Nachlassende/fehlende Antwortreaktion des wachen Patienten und der motorischen Kraft mittels „Quietsche-Entchen“ Nachteile: unkomfortable Lagerung, zusätzliche Sedierung, fehlende Neuroprotektion der volatilen Anästhetika, in Not­ situation Verfahrenswechsel notwendig, erhöhte Stresshormon­­ spiegel

Stumpfdruckmessung (CSP)

Mitteldruck < 50 mmHg im kranialen Carotisstumpf Nachteile: geringe Spezifität, geringe Korrelation zum neurologischen Befund

transkranielle Dopplersonographie (TCD)

Abfall der Blutflussgeschwindigkeit der ACM und Darstellung embolischer Signale („HITS“) Nachteile: in bis zu 20% kein Schallfenster, embolische Signale auch ohne ischämisches Korrelat

radioaktive Tracer

Xenon 133, momentane Aussage über regionalen Blutfluss Nachteile: technisch und personell aufwendig, kostenintensiv, nicht in OP-Ablauf integrierbar

jugularvenöse Sauerstoffmessung (SjvO2)

Abfall der Sauerstoffsättigung (Messung mit fiberoptischem Katheter im Bulbus der Vena jugularis interna) Nachteile: regionale Ischämie/Embolie nicht detektierbar, Mischung von zerebralen mit extrakraniellem Blut möglich

transkonjunktivaler Sauerstoffpartialdruck (PtcO2)

Abfall des Sauerstoffpartialdruckes der Konjunktiva als Versorgungsgebiet der Arteria ophthalmica Nachteile: kontinuierliche Ableitung im OP-Verlauf schwierig, fragliche Reaktion bei Ischämien im Mediastromgebiet

regionale zerebrale Sauerstoffsättigung (rSO2) mittels Nah-InfrarotSpektroskopie (NIRS)

Abfall der regionalen zerebralen Sauerstoffsättigung (Messung mittels Optoden bei ca. 4 cm Eindringtiefe), Abfall um 25% vom Ausgangswert oder Wert <50% Nachteile: Artefakte durch Beimischung extrazerebralen Blutes möglich, frontale Ableitung: Mediastromgebiet nicht erfasst

Tab. 5: Möglichkeiten von Arten des Neuromonitorings in der Carotischirurgie [nach 7]

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Abb. 3: Abflachung des Roh-EEG und signifikanter Anstieg der Burst-Suppression-Ratio (BSR) bereits 60 sec nach Klemmen der A. carotis interna [EPOCH 2000® Version 3.67]

Abb. 4: nach 150 sec Klemmzeit Ischämienachweis durch EEG (Anstieg der BSR) und SEP (Abfall des rechten Medianus-SEP um mehr als 70%) [EPOCH 2000® Version 3.67]

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Weitere Anwendungen des Neuromonitorings In der Aorten- und Skoliosechirurgie können motorisch evozierte Potentiale (MEP) und Tibialis-SSEP eingesetzt werden. MEP werden über Bahnen im Vorderhorn, SEP über Bahnen im Hinterhorn des Rückenmarks vermittelt, weshalb beide Methoden als komplementär und nicht konkurrierend angesehen werden sollten [38]. SEP können außerdem nicht nur kortikal, sondern auch segmental über epidurale Elektroden abgeleitet und postoperativ zur Detektion später spinaler Ischämien bzw. zur Verlaufskontrolle genutzt werden. Bei Operationen mit temporärem oder permanentem Abklemmen von Gefäßen/Aneurysmen können EP und EEG genutzt werden. Eine strenge Korrelation von temporärer Klippzeit und SSEP- bzw. MEP-Veränderungen und der Infarktwahrscheinlichkeit besteht nicht. Das EEG kann zur Beurteilung und Steuerung eines Barbituratkomas genutzt werden (Auslösung von burst-suppression-Mustern). Auch im Intensivbereich kann ein Neuromonitoring von Nutzen sein. Mögliche Anwendungsgebiete sind z.B. die Überwachung der Sedierungstiefe, die Komaprognostik und die Hirntoddiagnostik. Mittlerweile gibt es eine von der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivtherapie (DGAI) zertifizierte Fortbildung zum Thema Neuromonitoring. 2007 wurden Empfehlungen für eine Berufsbegleitende modulare Fortbildung und Zertifizierung zum „Neuromonitoring in Anästhesie und Intensivmedizin“ vom Wissenschaftlichen Arbeitskreis Neuroanästhesie der DGAI publiziert [39]. Voraussetzung für die Zertifizierung sind nicht nur der standardisierte Wissenserwerb in 6 Modulen mit je 4 Unterrichtseinheiten á 45 min, sondern auch die Teilnahme an Hospitationen mit dokumentiertem Nachweis praktischer Fertigkeiten und das Absolvieren einer mündlichen Individualprüfung.

Fazit: Was ist wichtig • Das Hirn ist der Wirkort der Hypnotika/Anästhetika und somit eigentliches Zielorgan der Narkose. Idealerweise sollte ein kontinuierliches Neuromonitoring in Form einer Hypnosetiefenbestimmung bei Allgemeinanästhesien standardmäßig erfolgen. • Das Elektroenzephalogramm reflektiert die spontane elektrische Aktivität des Zentralnervensystems. Evozierte Potentiale sind Reizbezogene Antworten des peripheren und zentralen Nervensystems. • Ein Hypnosetiefenmonitoring ermöglicht den Wechsel von einer gewichts- zu einer effektadaptierten Dosierung der Anästhetika. • Nicht die primäre Einsparung von Anästhetika, sondern das Ansteuern individuell und situationsgerecht optimaler Anästhesielevel sollte Ziel eines Hypnosetiefenmonitorings sein. • Der Einsatz verschiedener Neuromonitoringverfahren stellt in Abhängigkeit von der Operation eine Möglichkeit dar, rechtzeitig drohende Ischämien von Hirn, Rückenmark oder Nerven erkennen und vermeiden zu können. • Gut ausgebildete Anästhesisten können mittels Neuromonitoring eine Erweiterung des Leistungsspektrums und eine Erhöhung der Patientensicherheit erzielen.

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Buchvorschläge: - Wilhelm, W., Bruhn, J., Kreuer, S. (2005): Überwachung der Narkosetiefe. Grundlagen und klinische Praxis. Köln: Deutscher Ärzte-Verlag, ISBN 3-7691-1193-1 - Stöhr, M., Wagner, W., Pfadenhauer, K., Scheglmann, K. (1999): Neuromonitoring. Darmstadt: Steinkopff, ISBN 3-7985-1160-8

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